ADS, ADHS, ASS und ATS

In Zeiten da der Trend ganz klar zur Diagnostik geht, möchte ich natürlich auf diesen Zug mit aufspringen. ADHS hier, Autismusspektrum da, aber bislang völlig außer Acht gelassen: dass Arbeitstourettesyndrom kurz ATS. Tourette im Allgemeinen dürfte bekannt sein. Der Unterschied zum ATS: dieses tritt nach Betreten des Büros auf und endet mit dessen verlassen. ATS tritt in schillernder Vielfalt auf. Besonders bei mir. Häufig zeigt es sich in spontanen verbalen Entgleisungen gepaart mit hektischen, fast kampfsportlich anmutenden Gesten. Auch Ticstörungen und Zwangshandlungen gehen mit dem ATS einher. So ist es nicht selten der Fall, dass die spontanen verbalen Entgleisungen eingepflegt sind in mainstreamige Melodien wie z.B. in die aus „Thunder“ von den Imagine Dragons . Das klingt dann ungefähr so: Fuck you! Fu fu fuck you. Fu fu fu fu fuck you…usw. gerade dieses Lied eignet sich hervorragend für vielerlei offene Botschaften, ist aber ebenso ein perfekter Begleiter für Gespräche (gern kollegiale Fallberatungen) in denen man leise in sich hinein summt: Blödmann! Blö blö blödmann. Du bist so ein Blödmann!

Eine häufige Erscheinungsform, besonders zu beobachten bei Kollegen die frisch aus dem Urlaub zurück sind, ist selbstverletzendes Verhalten. Unkontrolliertes Kopf auf den Schreibtisch schlagen, fast schon ticartiges sich gegen die Stirn hauen und nicht zu vergessen der gute alte Tremor in Verbindung mit Selbstkasteiung mittels spitzem Bleistift. Auch Geräuschtics sind beliebt: schniefen, schnäuzen, räuspern, glucksen oder rhythmische Flatulenzen.

Während die Störung sich bei einigen erst um die Mittagszeit zeigt, taucht sie bei mir bereits morgens beim Verlassen meines Autos auf dem Parkplatz auf. Zunächst ist es nur hochfrequentiertes Fluchen à la: Kackscheiß, was mach ich hier schon wieder? Begleitet von einem Tritt gegen die Eingangstür. Dabei beobachtet vom Chef und von ihm kommentiert mit einer langsam sich hochziehenden Augenbraue (meist die rechte) folgt ein gemurmeltes: Na das geht ja schon wieder verdammt obermistig los heute! Dann am PC der übliche Tremor (linkes Bein) begleitet vom Malträtieren der Computermaus, weil zum tausendsten Mal das Passwort abgelaufen ist. Was stimmt denn mit den Nerds von der EDV nicht? Finden die das lustig?

Und so zieht sich das ATS durch den gesamten Tag, ist hoch ansteckend und gegen Mittag schlurfen hier zuhauf Leute über den Flur (Kollegen UND Klienten wohlgemerkt), die ticen, fluchen, sich weh tun (auch gegenseitig), entgleisen, eskalieren, dekompensieren, kapitulieren, resignieren, flatulieren, fabulieren, negieren, hospitalisieren, rotieren, explodieren, implodieren, karambolieren, sich pikieren und ironisieren.

Geht es gen Feierabend nimmt die Anspannung ab. Wir versammeln uns einer Selbsthilfegruppe anmutend im Stuhlkreis um einen Holztisch herum und reflektieren den Tag. Wir sprechen über unsere Ausfallerscheinungen und Resilienzen. Das dies natürlich nicht ohne anständiges fluchen vonstatten geht, muss ich wohl nicht extra erwähnen. Und so endet der Tag mit der Erkenntnis, dass wir ausnahmslos alle unter ATS leiden (wenn auch in div. Ausprägungen) und mit einer letzten Tasse Kaffee, die per se ein Statement ist:

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