Ich schaue aktuell eine Serie. Sie heißt „You“ und bringt mich seit dem zum Grübeln. Zusammenfassend kann man sagen, es geht um Stalking. Der junge Besitzer eines Buchladens, verguckt sich in eine Kundin. Als er ihren Namen erfährt, beginnt er zunächst diesen durch die Suchmaschine zu jagen. Sie ist aktiv in fast allen sozialen Netzwerken und so ist es ihm ein leichtes schnell Informationen über sie anzuhäufen. Bald fängt er an ihr zu folgen. Beobachtet sie in ihrer Wohnung und wenn sie mit ihren Freundinnen ausgeht, dann folgt er ihr auch dort hin. Irgendwann fügt es sich, dass er sie betrunken davor bewahrt, von einer Bahn überfahren zu werden. Hierbei nimmt er ihr ihr Handy ab und dann geht der Wahnsinn erst so richtig los. Sie besorgt sich zwar ein neues Telefon, aber benutzt offensichtlich die selbe Nummer und die Geräte synchronisieren sich. Er kann also auf ihrem alten Handy, all ihre Aktivitäten mit dem Neuen 1:1 verfolgen.
Ich frage mich nun, wo hört die „Kennenlernrecherche“ auf und wird zu Stalking? Gilt es überhaupt zu unterscheiden zwischen Neugier motiviertem Recherchieren, der gefühlsdominierten „Kontrollrecherche“ innerhalb einer Paarbeziehung und der „Leidensrecherche“ beispielsweise nach Beendigung einer wie auch immer gearteten Beziehung? Ich finde schon. Die Grenzen sind sicher hauchdünn. Mal vorab zu schauen, wie die neue Kollegin aussieht, hat eine deutlich andere Qualität als das Partnerhandy zu tracken oder über Clouds und Synchronisation private Chatverläufe mitzulesen. Ab wann aber fängt es an eigenartig zu werden und einen faden Beigeschmack zu bekommen? Wenn wir es nicht mehr steuern können? Wenn uns immer verrücktere Dinge einfallen um an die gewünschten Informationen zu kommen oder wenn wir tatsächlich auch immer verrücktere Dinge tun, um der „Zielperson“ nahe zu sein? Lassen wir uns im Falle der Trennung und vor der Aufforderung die Wohnungsschlüssel zurückzugeben welche nachmachen, um dann in dieser Wohnung auch tatsächlich noch einmal zu sein? Ein aller letztes Mal noch? Nehmen wir sogar etwas mit? Ist das noch Abschiednehmen oder ist es schlichtweg krank? Lassen wir uns dazu hinreißen z.B. aus Sehnsucht, Liebe, Kummer oder Verzweiflung ab und an an der Wohnung der „Zielperson“ vorbeizufahren nur um zu schauen ob sie daheim ist oder vielleicht Besuch hat und wenn ja von wem? Ist das noch Interesse oder ist das Stalking? Das tägliche stundenlange Durchforsten der sozialen Netzwerke auf Neuigkeiten- Interesse, Stalking, Selbstkasteiung?
Geben wir unser Recht auf Privatsphäre beim Eintritt in die digitale Welt ab? Zumindest könnte man meinen, dass es ein kalkulierbares Risiko für diejenigen ist, die jede Mahlzeit und jede Aktivität mit der Community teilen. Öffnen wir Tür und Tor für Stalking oder Neugierrecherchen? Absolut.
Vielleicht machen uns auch erst negative Erfahrungen diesbezüglich etwas sensibler. Aber nun hänge ich gedanklich noch fest in der Bewertung dessen, was denn negative Erfahrungen sind. Ist es, dass der Ex aus 2016, es trotz Blockierungen auf sämtlichen Kanälen geschafft hat wieder Kontakt herzustellen? Ist es das Gefühl: Jemand war in meiner Wohnung? Sind es Telefon- Email- o. Messengerterror? Ich weiß es nicht. Ich bin ratlos. Negative Erfahrungen sind es zweifellos, aber bewahren sie uns zukünftig vor Stalking oder gar davor selbst zu stalken? Vermutlich nicht, denn die virtuelle Welt mit all ihren Reizen und technischen Möglichkeiten ist wie eine der Sirenen aus der griechischen Mythologie. Verlockung und Gefahr gleichermaßen.