Hells Angels gehen nicht zum Zahnarzt

Der Tag begann mit einem Hangover. Schlecht eingeschlafen, weil lange wirre Gedanken im Kopf bewegt, dann schlecht durchgeschlafen und früh wach geworden, weil der Nachbar geräuschvoll ein Haus baut. Habe in Erwägung gezogen ihn zu bitten, dies etwas leiser zu tun. So viel zu guten nachbarschaftlichen Verhältnissen.

Dann will das kleine Gemüse Roller fahren. Zur Verfügung steht aber nur der alte Roller seiner Cousine. Er ist lila mit Blumen drauf. Sagt der Pimpf doch tatsächlich, dass ihm das peinlich wäre. Es folgten lange, hochpädagogische Vorträge darüber, dass es egal sei was andere darüber denken, Hauptsache er habe Spass mit dem Roller. Funktionierte.

Auf in die Shoopingmall, um Klamöttchen für die bevorstehende Einschulung zu kaufen. Relativ schnell und konfliktfrei haben wir etwas gefunden. Ein weißes Hemd wollte er nicht, stattdessen ein blau-weiß kariertes mit dazugehörender Krawatte. Schicke schwarze Hose war auch problemlos zu finden aber auf ein dunkelblaues Jackett hat er bestanden. Ich hätte von mir aus auch gern darauf verzichtet, zumal es Mitte August vermutlich ohnehin zu heiß sein wird um es zu tragen. Aber: gekauft. Er fand sich toll und ich ihn auch. Wieder daheim wollte ich, dass er sich Oma und Opa mal zeigt. Da hatte er aber keine Lust drauf und so konnten wir uns darauf einigen, dass wir dies auf den Nachmittag vertagen. Dann endlich Zeit für Mittagsschlaf!

Lange nicht mehr so ein dummes Zeug geträumt: Bin im Urlaub mit meinem Freund und seinen Söhnen. Zudem ist ein Freund meines Freundes dabei. Kein Geringerer als Frank Hanebuth. Dieser hält mit den zwei Kleinen ein Mittagsschläfchen ab, während mein Freund sich die Zähne putzt. Ich nähere mich mit großer Lust auf Sex und kriege ne Absage, weil er mit den Jungs gleich einen Zahnarzttermin habe. Bitte? Geht auch schnell…so zumindest mein Bemühen, aber er will nicht. Beleidigt ziehe ich ab, wecke dabei Frank und erwähne in nicht jugendfreien Formulierungen was passiert sei. Dann beschließt Frank, dass er auf Zahnarzt auch keine Lust habe und wir gehen zusammen. Wollen uns betrinken. Dann frage ich ihn ernsthaft, ob Frank Hanebuth sein echter Name sei und er lacht mich aus, ob meiner Annahme, in den Chartern würden alle sowas wie „Künstlernamen“ tragen. Es lebe das Vorurteil. Kann ich sogar im Traum hervorragend. Wir kommen also ins Gespräch über die Anfänge der Hells Angels. Woher er meinen Freund kennt scheine ich bereits zu wissen, so retrospektiv wünschte ich, ich hätte ihn gefragt. Vermutlich haben sie sich bei einer Meditation auf dem Mont Blanc kennengelernt. Und dann gibt leider der Häuslebauer von nebenan wieder sein bestes und ich werde nie erfahren wer zu erst betrunken war und was Hanebuth noch so aus dem Nähkästchen, unter uns alten Gebetsschwestern, ausgeplaudert hätte. Mittagsschlaf ist beendet.

Ich erinnere nun den Zwergenmann daran, dass wir Oma und Opa noch die neuen Klamöttchen zeigen wollten. Nur unter Protest zieht er sie nochmal an. Plötzlich bricht er in Tränen aus. Ich, völlig hilflos, frage was denn nun passiert sei, dass er so weine. Es sei ihm peinlich. Das war es wieder. Peinlich! Ich könnte innerlich explodieren und frage mich wo er diesen Scheiß her hat und warum bitte einem fast sechjährigen Dinge peinlich sind? Es wird ungeniert gepupst, gerülpst und gepopelt. Dabei allerdings nicht der Hauch von Peinlichkeit. Nein, sowas erfüllt ihn sogar mit Stolz. Ich verstehe den kleinen Mann nicht. Ist ja nicht so, dass ich ihn ausstaffiert habe wie eine russische Eislaufmutti ihre Prinzessin. Er hat es sich ja alles selbst ausgesucht. Ich erkläre ihm lange und erstaunlich ruhig, dass alle Kinder an diesem Tag so aussehen werden, und dass an diesem Tag Spinnenmannhose und Ninjashirt eher peinlich wären, als schicke Hose und Hemd. Seine Vorbehalte kann ich nachvollziehen, wir sind ja beide eher casual und das nicht nur freitags, aber seinen hysterischen Weinkrampf kann ich nicht verstehen. Nicht im Ansatz. Er beruhigt sich dann aber und wir können uns meiner Parentalgeneration präsentieren. Er sieht wirklich toll aus! Er fragt dann noch leise, ob wir Krawatte und Jackett am Tag der Einschulung weg lassen können und ich sichere ihm das zu. Dass ich mir das Geld hätte sparen können möchte erwähnt werden, bleibt aber unerwähnt.

Mittlerweile meinem Freund von meinem Traum erzählt, und dass mich am meisten schockierte, dass er keinen Sex wollte. Was sagt der ganz trocken: „Ich musste doch mit den Jungs zum Zahnarzt!“

So!

Dieser eine Moment oder: Das Leben der Anderen

Sommer, Sonne, Patchworkurlaub. Als ich das letzte Mal in Dänemark war, war ich 12 Jahre alt und zelten auf Bornholm. Damals habe ich die Welt selbstredend noch mit anderen Augen gesehen. Heute sehe ich ein wunderschönes Land. Sehr grün, durchzogen von gold-gelb leuchtenden Feldern und dahinter das Meer. Das Salz in der Luft kann man deutlich riechen.

Ich sitze auf der Veranda unseres Ferienhauses. Alleine. Die Sonne scheint mir ins Gesicht und ich kann von hier aus das Meer sehen. Uns gegenüber ein weiteres Ferienhaus im landestypischen Stil. Dort macht zu meiner Verwunderung keine deutsche, sondern eine dänische Familie Urlaub. 2 der 3 weißblonden Kinder schaukeln. Der Vater, mehr Thor als Balder , spielt mit einer der Töchter. Er wirkt entspannt, liebevoll und zugewandt. Sie lachen alle. So laut, so sehr und aus tiefstem Herzen, dass ich mitlachen muss. Sie plappern unentwegt dänisch und es klingt toll, auch wenn ich es nicht verstehe. Die Mutter sitzt lesend in der Sonne. Ab und an schaut sie lächelnd zu ihren Lieben. Die 5 sehen so glücklich aus.

Und dann war er plötzlich da, dieser eine Moment in dem ich dachte: Diese Welt ist so schlecht und doch ist so viel schönes in ihr. Mir laufen die Tränen und ich weiß nicht genau wieso. Glück und Unglück liegen sehr nahe bei einander. Schon morgen kann die Welt für diese Familie, für mich, für alle von uns eine andere sein. Ich wischen die Tränen weg und schaue der Familie noch lange zu, während ich diese Tränen hinterfrage. Ist es dieses Familienidyll, welches ich mir für mich selbst gewünscht habe, sowohl als Kind als auch als Erwachsene? Ich will mir diese Frage gar nicht beantworten. Sie lenkt mich nur ab.

Und so singt das Meer weiter sein Lied, die Sonne hat die letzten Tränen getrocknet und ich danke innerlich der Familie im Haus gegenüber, dass ich stiller Teil dieses Augenblicks sein durfte. Dieser Augenblick, der ihnen selbst, in seiner unsagbaren Schönheit und Lebendigkeit vermutlich nicht bewusst war.

Abschiedsbrief an die Kita

Liebe St. Franzi‘s (ich weiß sonst nicht wie ich es Gender u.- DSGVO’s -konformer ausdrücken soll),

ich möchte mich bedanken für 5 großartige, gemeinsame Jahre. Mein Wattwurm-Kraken-Eisbär hat eine so schöne Zeit bei Ihnen gehabt (nach 3 jähriger Eingewöhnung lief‘s doch…;). Genau genommen hat er in der Kita mehr Lebenszeit verbracht als bei mir und ich hysterische Helikoptermama habe es auch irgendwann geschafft loszulassen, weil ich ihn in so guten Händen wusste. Danke für all die scheinbar nie enden wollende Geduld, für das Gefühl mit jeder noch so blöden Frage kommen zu können, für liebevolles Trösten bei den unzähligen aus Minimanns Sicht lebensbedrohlichen Schürfwunden, für die immer ehrlichen Rückmeldungen, wenn es mal nicht gut lief, ebenso wie das Teilen der tollen Dinge, die passiert sind (ich möchte übrigens nicht wissen, was Erzieherinnen so alles aus dem privatesten Privatleben der Eltern erzählt bekommen…;). Mein Sohn hat sich so gut entwickelt und so viel gelernt (…dass ich mich manchmal frage, ob das wirklich meiner ist) und das ist auch Ihr Verdienst. Danke für unfassbar viel Freiraum, der individuelle Entwicklung ermöglicht, danke aber auch für Grenzen (ich hoffe Jesper Juul liest nicht mit), die besonders kleinen Jungen aus meiner Sicht viel Halt und Orientierung geben. Sie machen da täglich einen tollen Job und ich hoffe, dass auch bezüglich des viel zu geringen Erziehergehalts mal ein Ruck durch die Politik geht. Die Elementarpädagogik ist nämlich selbstredend elementar und aus kleinem Windelgesindel selbstbewusste Vorschulninjas zu formen, verdient meinen absoluten Respekt.

Ich wünsche Ihnen Allen, dass Sie nie die Freude und Leidenschaft verlieren für das was Sie da täglich leisten (auch wenn blöde Nörgeleltern es sicher nicht immer einfach machen). Und neben dem Mini mache auch ich mich auf in diesen neuen Lebensabschnitt, der Veränderung bedeutet, die Angst macht. Aber zumindest der kleine Mann ist gut vorbereitet und ich jammere einfach leise vor mich hin…;)

Anbei eine Kleinigkeit für den nächsten Betriebsausflug. „Teambildende Maßnahmen“ sind wichtig…;) Der Konsum alkoholischer Kleinstgetränke empfiehlt sich aber ebenso nach aufreibenden Diskussionen beim Elternabend („Ist Milchreis eine vollwertige Mahlzeit oder ein Nachtisch?“  „Ist da Zucker an den Cornflakes?“…) oder einfach mal Zwischendurch auf der Personaltoilette. Das rettet manchmal den Tag. Ich spreche aus Erfahrung…;)

Und so verabschiede ich mich mit einem großen Augenzwinkern und einem letzten großen:  Danke für einfach Alles!