Alte Dämonen

Ich habe mich die Tage sehr angeregt mit einer Freundin unterhalten. In einem Nebensatz fiel eine Hypothese, die mich nachhaltig ins Denken bringt. Kurz zur Vorgeschichte: Wir sprachen über Frauen, die immer wieder an den selben Typ Mann geraten. Die Sorte Mann, die einer Frau nicht gut tut. Erst Zuckerbrot und Abhängigkeiten schaffen und dann die Peitsche. Mal wortwörtlich, mal im übertragenen Sinne. Nun ist ja häufig das Phänomen zu beobachten, dass wenn diese Frauen den Absprung schaffen, sie direkt dem nächsten Blödmann in die Arme laufen. Aus meiner Zeit als Sozialpädagogin im Frauenhaus, kann ich dies nur bestätigen. Was ich aus eigener Erfahrung auch bestätigen kann ist, dass Frau ja bei sich selbst die Schuld sucht, für die Fehler des Partners. Im Ansatz richtig. Watzlawick sagt, dass man nicht nicht kommunizieren kann. Dies stützt die These, dass für Konflikte immer 2 Personen in der Verantwortung sind. Es ist nie nur einer schuld. Und an dieser Stelle greift die Freundinnenhypothese, dass Frau das Muster bei der Partnerwahl erst verändern kann, wenn sie mit sich im Reinen ist. Wenn sie sich zunächst überhaupt mal bewusst macht, dass es ein Muster gibt. Dies ist wohl das Schwerste, weil es so viel einfacher ist zu jammern, die Welt ungerecht zu finden und die gesamte Männerwelt zu hassen. Sich aber tatsächlich mal zu hinterfragen, was genau Frau bei dem Mann hält, der offensichtlich mehr Kummer als Glück auslöst, das ist nahezu Sisyphusarbeit.

Meine Freundin hat sich aber auf den Weg gemacht und ist nun mit einem Mann zusammen, der völlig anders ist, als alle zuvor. Muster erkannt, Muster durchbrochen. Und es macht ja völlig rational betrachtet auch Sinn: das Essen im Restaurant hat nicht geschmeckt, also geht man nicht mehr hin. Ein Paar Schuh das drückt, zieht man nicht mehr an. Ist man unzufrieden mit dem Handyanbieter wechselt man…Warum gelingt dies in unglücklichen Paarbeziehungen nicht? Eben weil man in Beziehung zu einander steht oder sich im schlimmsten Fall in Abhängigkeit befindet. Also lohnt es sich doch tatsächlich mal zu gucken, was genau da eigentlich passiert. Als Systemikerin bin ich da gedanklich schnell im Familiensystem. Mit welchen Abhängigkeiten sind wir aufgewachsen? Welche Bindungs- u. Beziehungsmuster haben wir erlernt? Welche Konfliktbewältigungsstrategien wurden uns mit an die Hand gegeben? Welches Rollenbild wurde vermittelt? Die Antworten auf all diese Fragen könnten hilfreich sein beim Aufdecken der schädlichen Partnerwahlmuster. Eine Frau, die also als Kind unsicher an die Eltern gebunden wurde, die Gewalt als Diskussionsmethode erlebt hat und eine Mutter die weder sich noch die Kinder schützen konnte, wird sich vermutlich genau so einen Partner wählen. Warum? Weil sie es kennt! Es ist vertraut. Es tut nicht gut und fühlt sich auch nicht gut an, aber das Gefühl ist zumindest bekannt. Neu ist immer gefährlich. Veränderung bedeutet Kontrollverlust. Also bleibt alles wie es ist, weil lieber das Altbekannte als das neue Unbekannte.

Wenn Frau sich aber nun traut mal ins Innere zu gucken, auch auf die unschönen Dinge, dann wird schnell deutlich, was die eigenen Anteile am Nichtgelingen der Unglücksbeziehung sind und was es zum eigentlichen Glücklichsein braucht. Hat Frau dies dann für sich klargezogen, wird es sich auf alle Lebensbereiche auswirken. Soziale, partnerschaftliche und familiäre Beziehungen werden kritisch hinterfragt. Und das ist gut und wichtig. Diesen Prozess lässt Frau am besten therapeutisch begleiten, weil nur Therapeuten uns schonungslos und auch mal ungefragt mit der Nase in die Suppe stuppen, die wir uns dank unserer unaufgelösten Muster immer wieder eingebrockt haben. Das können Freunde leider nicht leisten und Therapie ist auch nichts was in eine Freundschaft oder Beziehung gehört.

Ich gebe meiner Freundin also nachträglich allumfänglich recht: erst wenn Frau mit sich im Reinen ist, weiß was sie will, weiß was sie ganz sicher nicht mehr will, wenn sie ihre eigenen sozialisationsbedingten emotionalen Defizite kennt und als zu sich gehörend annimmt, dann wird der Blick/Fokus bei der Partnerwahl ein anderer sein. Dann ist vielleicht nicht mehr wichtig wie schön, groß, erfolgreich und wohlhabend er ist, dann zählen Dinge wie Loyalität, Verlässlichkeit und das Gefühl angenommen zu werden.

Die alten Dämonen aber unbeachtet lassen, kann dauerhaft den Teufelskreis nicht durchbrechen. Denn sie kehren zurück. Immer. Selbst über Jahre unterdrückt und in Schubladen gestopft, fliegen sie uns irgendwann wieder um die Ohren. Manchmal reicht ein minimaler Außenreiz. Aber auch das ist natürlich ein Weg den Frau gehen kann. Berg u.-Talfahrten.

Meine Freundin und ich beschreiten aber lieber den anderen Weg. Den, der dauerhaften Veränderung inkl. Freundschaftsanfrage an uns selbst…;)