Eine Frage des Geschmacks

Nun gehöre ich wohl hochoffiziell zu den Frauen, die mit fast dreißig noch Single sind. Allerdings gehöre ich in dieser Randgruppe zur extremistischen Untergruppierung derer, die mit ihrem Singledasein durchaus zufrieden sind. Nicht, dass ich nicht wirklich alles probiert habe um Teil einer Zweierbeziehung zu sein, aber es hat nicht funktioniert. Ich habe nicht funktioniert.

Ich war schon immer eine von den Frauen, die nie ihren persönlichen Duft gefunden hat. Sie wissen schon, dieses im wahrsten Sinne des Wortes dufte Assoziationsspiel, bei dem es darum geht einen Duft wahrzunehmen und ihn einer Person bei zu ordnen, die ihn ständig trägt. Quasi ein Wiedererkennungswert. Ich habe keinen! Also keinen den man kaufen und aufsprühen kann.

Ähnlich halte ich es auch mit meinem Klamottenstil. Ich konnte mich bislang nicht festlegen ob sportiv, klassisch chic, alternativ oder extravagant. In meinem Schrank befinden sich Sachen mit denen ich im Theater sicher nicht unangenehm auffallen würde genauso, wie alles was man für ein rockig-alternatives Outfit braucht.

Müsste ich eine Wohnung oder ein Haus mit vielen Zimmern einrichten, so wäre jedes in einem anderen Stil. Der blaue Salon neben der mediterranen Küche in der alten Jugendstilvilla. Für echte Stilästheten mag dies zweifelsohne ein Fauxpas sondergleichen sein. Auch für mich war es dies sehr lange, bis ich den eigentlichen Reiz daran entdeckte. Es ist nämlich kein fehlendes persönliches Manifest, sondern vielmehr die Fähigkeit, offen in verschiedene Richtungen zu tendieren ohne immer gleich das Gefühl haben zu müssen: „Das bin doch nicht ich!“

Wenn man endlich aufhört sich zu suchen, hat man sich in diesem Moment gefunden.

Ich habe mich gefunden und dies auf alle Bereiche meines Lebens ausgedehnt. Zumindest habe ich dies vor.

Eine Frau wie ich, die also nach eigenen Aussagen nicht in der Lage ist einen individuellen Duft oder Stil für sich zu finden, findet auch keinen passenden Mann! Wie auch?! Wenn blond ebenso attraktiv wie brünett erscheint, wenn Estee Lauder genauso gut riecht wie Chanel, warum dann nicht beides? Haben wir uns den Zwang den perfekten einen Mann zu finden selbst auferlegt oder wird es uns gesellschaftlich normativ aufgezwungen? Warum nicht alles ausprobieren was gefällt? Ein Leben ist zeitlich gesehen auf jeden Fall ausreichend.

Ich bin also eine Stil und Beziehungsnormadin, denn ich denke, dass viele Beziehungen zu haben und unterschiedliche Lebensweisen zu führen sehr viel bereichernder ist als in jedem menschlichen Aspekt monogam zu sein. Mal überspitzt dargestellt würde dies praktisch bedeuten, dass wir nicht ständig nach dem einen passenden Ding suchen sollten, weil uns das, was zwischendrin passiert sehr viel weiter bringt. Im Frühjahr also gedeckte Farben zu klassischen Schuhen und ein Date mit einem leitenden Angestellten einer großen Bank und im Sommer dann knallbunt mit goldenen Stilettos und ein Date mit einem freischaffenden Künstler. Egal ,wenn zwischen diesen Dates Jahre liegen. Aber einmal gedeckt und bieder soll doch nicht heißen immer gedeckt und bieder. Sich nicht festzulegen und immer offen für Neues zu sein macht hierbei den eigentlichen Reiz aus, also leben wir ihn. Es gibt so viele Dinge zu entdecken und wie jeden Monat ein neuer Duft auf den Markt kommt so scheint auch der Männermarkt unerschöpflich an Vielfalt zu sein. Man muss weiß Gott nicht alles probieren, dafür wäre ein Leben zu kurz, aber viele kleine Leben in unser eines großes zu basteln, wäre doch ganz wundervoll.

Nicht die eine große Liebe sondern fünf große Lieben, nicht eine lebensbereichernde Beziehung sondern viele verschiedene. Das schließt ja nicht automatisch aus, dass alles von genauso guter Qualität sein kann, nur eben kürzer, intensiver, komprimierter, bunter, authentischer und lebendiger.

Und ja, wir haben sehr wohl ein Recht darauf so zu leben. Es ist weder egozentrisch noch hedonistisch. Es ist einfach unser Leben und wie wir es gestalten hängt doch nur von uns ab, denn bei der Wahl eines Parfüms oder einer Wohnzimmertapete lassen wir uns auch nicht reinreden und fühlen uns dabei weder egozentriert noch selbstverliebt. Alles eine Frage des Geschmacks…und da schließt sich der Kreislauf.

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