Samstagnacht

Es gab sie zu Hauf in meiner Vergangenheit. Die Samstagabende. Eine Zeitlang gehörten bereits der Donnerstag und der Freitag dazu. Das geht heute nicht mehr. Von einem Abend ausgehen inkl. körperlicher Ertüchtigung durch tanzen und den Flüssigkeitshaushalt im Gleichgewicht halten mit Gin Tonic, muss ich mich ca. 2 Tage erholen. Für jemanden der unter der Woche um 21:00 Uhr das Licht ausknipst ist es eine wahre Glanzleistung mal erst morgens um 2:30 Uhr ins Bett zu gehen.

Aber ich bleibe da jetzt am Ball. Habe mir erst 2016 eingestehen können, dass ich mehr als nur Mutter bin und mir das Ausgehen jahrelang gefehlt hat. Ich liebe Musik. Ich liebe laute Musik. Das Gefühl auf der Tanzfläche zu stehen und ganz eins zu sein mit den dröhnenden Bässen lässt sich am ehesten mit Synapsenfasching beschreiben. Ich bin dann ganz bei mir und die Welt steht kurz still.

Diese Selbstwahrnehmungseinheiten wollen allerdings gut geplant sein. Müssen sie. Es bedarf eines kinderfreien Wochenendes, welches terminlich gut zu den Terminen meiner Freunde passen muss. Dies ist meist die erste Hürde. Dann die Frage nach der Location. Eine Altersspanne von 25-45 will bedient werden, was theoretisch und meist auch praktisch unmöglich ist. Zu diesem Thema dann eine Woche vorher täglich 86 Nachrichten in der eigens angelegten Whats App Gruppe. Die Erstellung dieser Gruppe ist auch ein heikles Unterfangen. Wer kann grad mit wem nicht so gut? Wer muss unbedingt dabei sein? Auf wen möchte man dieses Mal vielleicht sogar verzichten? Ist nicht einfach und eine höchst verantwortungsvolle Aufgabe mit ungeahnten Auswirkungen so als Admin! Steht dann endlich fest wohin es geht,  geht es weiter mit der Frage nach der Uhrzeit. 40 Nachrichten. *Tobias hat die Gruppe verlassen* Bei wem vorher schon mal warmtrinken? 105 Nachrichten. Wer bringt was mit? 26 Nachrichten. Sind Strohhalme im Haus? 4 Nachrichten. *Ella hat Nahide hinzugefügt*Recht zuverlässig am Abend davor bereits die Frage nach der Adresse. Einer ist immer dabei der fragt. Als würde man sich zum ersten Mal treffen. Im Verlauf des Samstagvormittags in diversen Untergruppen zur Hauptgruppe Diskussionen über Fragen wie: Passen die Stiefel zum Top und kann ich bei dir übernachten? Dann so ca. 1 Stunde vor dem Treffen erste Fotos in der Gruppe von gefüllten Sektgläsern die das Vorglühen vor dem Vorglühen abbilden. Dann folgen die obligatorischen : Lasst krachen- Kommentare derer, die leider nicht mit dabei sein können. 18 Nachrichten. *Manuel und Mathias haben die Gruppe verlassen*Gefolgt von den 56 Nachrichten in denen man sich sagt wie sehr man sich aufeinander freut.

Wenn dann alle endlich da sind, weil es natürlich auch noch ca. 30 Nachrichten zum Thema verpasste Bahn und Haare liegen noch nicht gibt, fließen alkoholische Getränke in Strömen. Es wird unendlich viel und laut mit einander geredet, schließlich hat man Teile der Gruppe wochenlang nicht gesehen. Es wird gelacht und einzelne Körperteile bewegen sich schon zur Musik aus der Bluetooth Box. Es wird viel zu viel geraucht und der Caipirinha besteht nach 2 Stunden nur noch aus Limette und Pitu. Alles andere ist dann überflüssiger Schnickschnack. Selbst die Strohhalme deren Existenzabfrage 4 Nachrichten in Anspruch nahm werden weggelassen. Zwischen 23 Uhr und Mitternacht wird dann aufgebrochen und im schlimmsten Fall wurde sich auch schon erbrochen. In der Bahn hat mindestens ein Mitglied meines Freundeskreises eine PET  Flasche mit einer Mischung darin dabei. Kurz bevor die Straßenbahn das Ziel erreicht, muss jeder sich noch einen Schluck runterquälen weil es a) schade um den guten Stoff wäre und b) der Pegel gehalten werden muss. *Ella hat Tobias hinzugefügt*Kaum im Laden drin, wird erstmal ausgeströmt. Pünktlich zur ersten Thekenbestellung wird sich jedoch wieder zusammengefunden. Man brüllt einander ins Ohr, weil die Musik viel zu laut ist und geht irgendwann der Einfachheit halber dazu über, sich in einer Art Gebärdensprache zu verständigen. Dann folgt erst mal 2-3 Stunden Spaß durch Tanzvergnügen.

Wenn dann langsam irgendwann die Luft raus ist, man durchgeschwitzt ist und nach toter Katze riecht, das Make up den Namen nicht mehr verdient hat, nach und nach antialkoholische Getränke bestellt werden und die Ersten beginnen Bahnverbindungen zu googeln: dann naht das Ende. Zwischendurch 154 Nachrichten in der Gruppe. Neben peinlichen Fotos,  * Tobias hat die Gruppe verlassen*Fragen danach wo Püppi steckt, ob sich mal einer Justin Bieber oder Roland Kaiser wünschen kann und wer mit aufs Klo kommt.

Gegen 2:00 Uhr folgen erste Verabschiedungen und in den nachfolgenden Stunden 200 Nachrichten über gutes daheim angekommen sein, Danksagungen und Liebeserklärungen sowie die Topzoten des Abends immer noch verbunden mit Fotos mit nahezu nie dagewesenem Peinlichkeitsfaktor.

Wenn ich dann am Mittag des selben Tages endlich wach werde, ist nach dem dringend notwendigen Toilettenbesuch zunächst das Löschen von Fotos erste Amtshandlung. Danach mit Pandaaugen durch die Wohnung schlurfen und den Müll vom Vorabend aufräumen. Am frühen Nachmittag dann erste Gruppenaktivitäten mit lustigen Pins zum Thema: nie wieder Alkohol.  Auch mein Körper schreit neben Vergeltung nach Detox. Bekommt stattdessen aber fettiges Essen und muss danach aufs Sofa anstatt an die frische Luft.

So ungefähr läuft das bei uns. Immer. Vermutlich auch morgen wieder. Ich freu mich, auch wenn ich jetzt schon weiß, dass am Montag noch immer Restüberhang besteht und mein Kopf die längste Zeit im Büro neben der Tastatur liegen wird.

  • *Ella hat Tobias hinzugefügt* *Ella hat die Gruppe verlassen* *Tobias ist jetzt Admin*

 

2 Antworten auf „Samstagnacht“

  1. „Und wenn sie tanzt, ist sie woanders“
    Klingt trotz des ganzen Stresses dennoch nach einem gelungenem Abend. Und mal ganz ehrlich: ohne wäre doch auch irgendwie komisch oder?
    Ich würde einfach mal sagen: Musik an – Welt aus!

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