Das Leben als Sozialarbeiterin in einer Behörde ist sehr aufreibend. Und so klischeebehaftet. Gut, einige Klischees könnten zutreffen. Hier wird z.B. viel Kaffee aber auch Müsli konsumiert. Kalorien werden gezählt und ab und an sind auch mal ein paar Socken selbstgestrickt. Auch ist man hier zumeist um eine ganzheitliche, lebensweltorientierte und gern auch systemische Sicht auf die Dinge bemüht, welche ausgiebig in Sitzkreisen diskutiert wird, damit es nicht wieder heißt, wir nehmen aus der Laune heraus heroinabhängigen Müttern die Kinder weg. Hilfe zur Selbsthilfe ist allerdings das Credo der wirtschaftlichen Jugendhilfe in der Hoffnung auf Kostenersparnis.
In dieser Berufssparte kann einem schon mal die Luft ausgehen. Es ist amüsant, unterhaltsam und zermürbend zugleich, sich mit den Problemen anderer Menschen zu beschäftigen. Einzig mein persönliches Sachgebiet der Trennungs-u. Scheidungsberatung gäbe schon unzählige Anekdoten her, welche seitenweise diesen Blog füllen könnten. Manchmal erscheint es mir, als würde ich, mit einer Grippe krankgeschrieben auf dem Sofa fläzend, RTL II schauen.
Und so ist es nicht selten, dass bereits gegen Mittag der Kopf dröhnt, ebendieser neben der Tastatur landet und man sich laut fluchend fragt, warum man sich den Mist jeden Tag auf Neue wieder antut.
Im Folgenden exemplarisch mal einen typischen Tagesablauf, aus dem sicher sehr schnell deutlich wird, was wir Sozialarbeiter täglich so leisten müssen und warum wir definitiv unterbezahlt sind:
7:40 Uhr: ankommen im Büro nach einem wirklich beschwerlichen Anfahrtsweg über die A2, bei dem ich mich täglich frage warum Fahranfänger, denen 80 km/h rasend schnell erscheinen, nicht einfach mit der Bahn fahren
7:41 Uhr: sofortiger Wechsel in das Büro des Kollegen bei dem der Kaffee in Strömen fließt. Die Jacke ist noch an: Müdigkeitsfrost!
8:15 Uhr: die ambitionierten Kollegen gehen in die allmorgendliche Frühbesprechung. Ich also nicht.
8:25 Uhr: Verabredung zum Rauchen mit ebenso wenig ambitionierten Kollegen aus anderen Arbeitsbereichen.
8:35 Uhr: Jacke aus im eigenen Büro. Anrufbeantworter einschalten.
8:45 Uhr: PC hochfahren inkl. 5 Anmeldeversuche. (lieben Gruß an die EDV: wann arbeitet ihr eigentlich mal?)
9:00 Uhr: Mails auf Anzahl und Absender checken, dann Outlook schließen.
9:15 Uhr: Kaffeenachschub organisieren. Private Mails checken, private Arzttermine vereinbaren, Steuererklärung anfangen, Rückenschule auf dem Bürostuhl und nebenbei den Kollegen beim Lügen ertappen bezüglich seiner längst überfälligen Anmeldung bei der GEZ.
10:00 Uhr: lästiger Klientenkontakt
10:05 Uhr: Zuständigkeit für diesen Klienten erfolgreich an irgendwen im Hause abgegeben
10:06 Uhr: 2. Zigarette plus Klogang
10:15 Uhr: Geburtstagsgratulationsrunde bei einem Kollegen, von dem ich nicht mal wusste, dass er hier arbeitet. Nach erfolgreichem Handschüttelmarathon den Teller mit Kuchen beladen, Kaffeetasse nachfüllen und den Rückzug in die Kompfortzone des eigenen Büros antreten.
11:00 Uhr: Verdauungszigarette
11:15 Uhr: Nachbesprechung der Geburtstagsrunde
11:45 Uhr: Klienten wegschicken wegen aktuell zu hohem Arbeitsaufkommen
12:00 Uhr: Vorbereitung auf die Mittagspause: Was essen wir? Wer besorgt es? Wer kann mir was mitbringen? Wer leiht mir Geld?
12:15 Uhr: Weiterbildung zur „Burn-out-Prophylaxe auf Sylt“ beantragen
12:30 Uhr: Mittagspause
14:00 Uhr: Verdauungszigarette und Kaffee aufsetzen.
14:15 Uhr: siehe 11:45 Uhr.
14:16 Uhr: Anrufbeantworter ist voll. Anrufbeantworter ausschalten. Telefon auf lautlos stellen.
14:30 Uhr: Kaffeerunde mit „kollegialer Fallberatung“, Kuchen und Eierlikör. Trage mein : Müsste mich interessieren- Shirt und verweise bei an mich gerichteten Fragen darauf.
15:00 Uhr: Hausbesuch absagen bzw. den Berufspraktikanten schicken.
15:05 Uhr: Verabreden zur Feierabendzigarette
15:10 Uhr: GEZ Anmeldung erneut abfragen, wieder belogen werden, Telefon auf den gesetzlosen Kollegen umstellen.
15:15 Uhr: Feierabendzigarette
15: 30 Uhr völlig erschöpft in den Feierabend starten.
So! Noch Fragen?