Der ganz normale Wahnsinn

 

Sind wir, das schöngeistige Geschlecht, eigentlich verzweifelt? Dichten wir jeder noch so zufälligen Begegnung mit einem Mann sofort die große Liebe an? Aber genau genommen, gehören diese Fragen eher in das Herzstück der Geschichte, die im Übrigen genauso passiert. Also, die Fragen erst mal zurück gestellt und dann langsam zum Herzstück vorarbeiten…  Irgendwann Ende 2003 oder vielleicht auch schon Anfang 2004, ging ich an einem Samstagmorgen im Supermarkt einkaufen. Wenn ich es mir recht überlege, liegen zu der frühen Morgenstunde die meisten wohl noch im Bett. Hätte es selbst auch gut und gern so haben können, aber haben Sie schon mal versucht an einem Freitagabend diese Institution unter neunzig Minuten und mit mehr als drei Artikeln im Korb zu verlassen? Jeden Freitag aufs Neue herrscht ausgelassene Feiertags-u. Hamsterstimmung in den großen Ladenketten dieser Welt. Dann doch lieber samstags vor dem Aufstehen ins Rennen gehen! Also, noch furchtbar müde und verfroren zieht mich mein Einkaufswagen durch die Drehtür als ER mir auffällt. Er betritt vor mir den Markt und dreht sich mehrmals zu mir um, so dass ich befürchte, noch die Hälfte meines Frühstückstoasts im gesamten Gesicht verteilt zu haben. Seine Blicke sind mir unangenehm und wie soll es auch anders sein, der Supermarkt ist definitiv zu klein für uns beide. Immer wieder laufen wir uns scheinbar zufällig über den Weg. Was mein Urteilsvermögen so früh am Morgen zulässt, ist eine grobe Analyse und Bewertung seiner Person: groß, dunkelhaarig, mit einem Haarschnitt, den ich bei Männern sehr mag, der klassische Jeanstyp, männlich-markantes Gesicht und kein Ring am Finger. Was den Ring angeht, so entwickeln Frauen nahezu übernatürliche Sehkräfte, die gezielt eingesetzt werden können, etwa beim Griff in die Kühltruhe. Kann gut möglich sein, dass seine Freundin im lauschigen Heim noch im Bett liegt, während er einfach das kürzere Streichholz gezogen hat, als es darum ging, wer mit Frühstück holen dran ist. Aber egal! Habe noch kein Koffein im Blut und sehe aus wie ich mich fühle. Vermutlich sind seine Blicke auf Mitleid basierend. Wir stehen dann zu meinem mich überraschenden Bedauern nicht an der gleichen Kasse, aber nach dem Ausparken hintereinander an der Ampel. Gibt’s denn so was?! Ohne oberflächlich erscheinen zu wollen, aber mit seinem Auto punktet er ähnlich wie zuvor mit dem Haarschnitt. Ich mag diesen Wagen einfach total. Es ist fast wie mit einem Parfüm. Denke das Auto „steht“ mir einfach gut. Tja, und dann hatte ich nur noch einen kurzen Blick auf das Kennzeichen und weg war er. So unangenehm mir seine Blicke zu Beginn auch waren, jetzt meisterte ich freudig beschwingt den Rest des Tages. Ich glaube, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt um die Fragen aus der Einleitung ins Spiel zu bringen. Es waren doch nur Blicke an einem Samstag im Supermarkt, aber ich hielt es für das ganz große Schicksal. Das ist son Frauending, oder? Simple Zusammenhänge bis ins letzte durchsinnieren. Habe in Gedanken schon den Text für die Einladungen zur Hochzeit formuliert… Warum machen wir so was? Sind wir von Männern chronisch unterfordert und wissen wir aufgrund dessen nicht wohin mit unserem enormen emotionalen Potenzial? Fuhr dann eine Woche später zu ähnlicher Zeit zum selben Supermarkt. Natürlich um ihn erneut zu sehen und nicht, weil mir die Einkaufsatmosphäre dort so gut gefiel. Fand die Idee aber dann recht schnell recht albern und so ruhte die ganze Geschichte. Wochen oder gar Monate sind vergangen und ich erwischte mich immer wieder dabei, nach seinem Autotyp und Kennzeichen Ausschau zu halten. Kann an dieser Stelle nur jedem von so selbst inszenierten Ringfahndungen abraten. Die Konzentration leidet doch sehr, während man selbst am Steuer sitzt. Aber kaum zu glauben, wir sahen uns wieder. Nur so von Auto zu Auto an einer Ampel, aber immerhin. In diesem Bruchteil einer Sekunde, war es mir leider nicht mehr möglich einen Make-up Check zu machen und schon gar nicht war ich in der Lage, mein umwerfendstes Lächeln aufzusetzen. Jedoch war es mir aufgrund dieser Begegnung möglich, meine von ihm gespeicherten Daten aufzufrischen. Er war noch immer großartig…in diesem Auto und mit der Frisur. Ich glaube, meine Reaktion auf die Sekunden unseres Wiedersehens, waren laute euphorische Schreie, ausgelöst vor allem dadurch, dass er mich genauso wahrnahm wie ich ihn. Mal gut, dass ich allein unterwegs war. Ein Beifahrer hätte diese Erfahrung vermutlich in einer Traumatherapie behandeln lassen müssen. In den darauf folgenden Wochen, sah ich immer wieder sein Auto vor dem selben Haus parken. Ich hatte zwischenzeitlich eine Trennung hinter mich gebracht und mich auf einen windigen Womanizer eingelassen. Aber schon meine Mama hat immer gesagt, dass so schöne Männer nichts taugen und natürlich behielt sie Recht. Also, ziemlich angenervt von der Gesamtsituation mit dem Schönling, dacht ich mir: Jetzt gilt´s! Motiviert von der eigenen Verzweiflung und immer noch die liebgewonnenen Entwürfe für die Einladungen unserer Hochzeit im Kopf, wagte ich das schier Unglaubliche und nie Dagewesene: ich schrieb meinem Supermarktflirt ein Briefchen, welches er hinter seinem Scheibenwischer finden sollte. „…es war einmal eines schönen Samstags im Toom. Ich kenne leider nicht deinen Namen, sondern nur dein Auto. Wenn du magst ruf mich an… .“ Kurz und knapp. Schnell an die Scheibe damit, mal sanft dem Auto über die Konturen gestreichelt, tief geseufzt und dann nichts wie weg. Das gepumpte Adrenalin reichte für die gesamte Woche und ich konnte es kaum fassen. Welch persönlicher Triumph, dabei gebe ich so ungern meine Nummer aus der Hand und plötzlich steckte sie bei einem völlig Fremden am Auto. Treibt uns Frauen die Verzweiflung zu solch heldenhaften Taten? Gedankenkarussell: Wird er anrufen? Kann er sich an mich erinnern? Wer ist er überhaupt, so außerhalb der Supermarktglimmerwelt? Vielleicht ein Triebtäter? Hätte ja sein können, nicht er sondern seine Frau oder Freundin findet den Zettel. Na, über deren Anruf, mit schreienden Kindern im Hintergrund hätte ich mich sicher sehr gefreut. Aber dies war mein Risiko und im Namen aller verzweifelten Singlefrauen musste ich einfach alles auf eine Karte setzen. Zwei Tage später klingelt mein Telefon. Bis dahin auch nicht sonderlich ungewöhnlich. War auf der Arbeit und es war einer dieser Tage mit Grundtendenz zu Weltuntergangsstimmung. Na, da kam mir ein weiterer Anruf, der nur noch mehr Arbeit versprach, gerade recht. „Hallo, hier ist der Max!“…und??? Kannte bis dato niemanden der so heißt. „Du hast mir einen Zettel unter den Scheibenwischer geklemmt.“ Ich fiel auf der Stelle in Ohnmacht. ER war es. Ganz im Ernst, ich hatte nicht mit einem Rückruf gerechnet. Zu unwahrscheinlich schien es mir, dass er sich an mich erinnern würde. Seine Stimme war ganz sanft. Was Max nicht wissen konnte war, dass ich zu Beginn irgendwelcher Liebelein das Telefonieren geschickt umgehe. Aus dem einfachen Grunde, dass die wenigsten Männer sich toll anhören und diese nahezu negativ Assoziation mein Bild dann völlig verfälscht. Der Schönling z.B. hat mir einmal auf die Mailbox geschwult und da war meine Libido sofort im Keller. Aber Max klang toll! Und sagte auch tolle Sachen. Er konnte sich an alles erinnern. Wusste sogar, welchen Typ Auto ich fahre samt Kennzeichen. Ich war ihm also genauso aufgefallen wie er mir. Ich entwarf im Kopf zu den Hochzeitseinladungen nun das passende Kleid. Exakt bis zu dem Zeitpunkt, da seine Freundin ins Spiel kam… Da musste ich mal tief Luft holen und in meinem Kopf eine Pressekonferenz einberufen: Warum sagt er mir das? Ist das in dieser Phase des Kennenlernens schon relevant? Warum hat er trotzdem angerufen? Ich gelangte dann aber doch zu der Überzeugung, dass Max wohl Charakter habe, denn auch wenn es eigentlich noch nicht relevant war, spielte er doch mit offenen Karten. Bin mir sicher, schon Männer kennengelernt zu haben, die es mit Sicherheit für sich behalten hätten, in der Hoffnung auf etwas unverbindlichen Sex mit einer Fremden. Und so feierte ich weiter meinen persönlichen Triumph, denn allein dass er zurückgerufen hatte ließ mich innerlich jubeln. Während Max den Urlaub machte, von dem er mir bereits am Telefon erzählte, hörte ich nicht viel von ihm. Er war ja mit ihr unterwegs, aber das war in Ordnung, denn was hatte ich mir schon großartig davon versprochen? Sicher, in Gedanken drehte ich UNSERE gemeinsamen Urlaubsvideos und wir suchten gemeinsam Bettwäsche aus… Glaube, dass dies auch der Frauen größter Fehler ist. Ewigkeiten über ungelegte Eier sinnieren. Verzweifelt schmieden wir Pläne, denn diesmal und exakt bei diesem Mann nehmen wir uns vor, Alles ganz anders und viel besser zu machen. Nicht zuletzt tickt dann auch noch die biologische Uhr ganz dezent im Hintergrund. Wir haben genug gefeiert und zu viel Zeit mit den Falschen verbracht. Wir sind des Suchens müde geworden. Klar, dass wir uns da selbst schon an einen Supermarktflirt klammern. Nur zu durchschaubar sind die Versuche uns selbst zu manipulieren: „Diesmal ist es was ganz besonderes…“ Dies wiederum wird sich noch zeigen! Nun war es so, dass mein Max geteilten Urlaub machte, also zwischendurch kurz in der Stadt war. (Warum überhaupt „mein“ Max?! So sind Frauen…alles meins! ) Sah sein Auto stehen, war hoch erfreut, weil er wieder da war, aber sah seinen Wagen auch noch Tage später stehen, ohne dass er sich „zurückgemeldet“ hatte. Ich habe ja nichts zu verlieren, dachte ich mir und ergriff die Initiative. Ich schrieb eine leicht beschwingte Mail um ja unverbindlich rüber zukommen. In seiner Antwort wirkte er distanziert, aber nach einem Pärchenurlaub ein verständlicher Beziehungsjetleg…redete ich mir ein. Eine Frau, die mich ein paar Jahre begleitete sagte mal sinngemäß und sehr metaphorisch folgendes: Man stelle sich vor, es gibt in einer Beziehung zwei Fahnen. Jeweils einem Partner ist eine Fahne zugedacht. Auf der ersten steht das Wort ´Nähe´, auf der anderen steht ´Distanz´. Im Laufe dieser Beziehung wechseln die Fahnen den Besitzer und sie definiert sich neu. Plötzlich überkam mich das Gefühl, dass Max und ich die Fahnen tauschten. Auf meiner stand bislang ´Nähe´. Große Ereignisse warfen ihre Schatten voraus. In den Zwischenstopp des Objekts meiner Begierde fiel mein Geburtstag, zudem es natürlich eingeladen war auf ein unverbindliches Würstchen vom Grill, aber mir war eigentlich klar, dass er nicht kommen würde. Von diesem Tage an war alles anders. Ich würde die ganze Geschichte an dieser Stelle gerne mal aus seiner Sicht hören, denn dann wüsste ich jetzt, was genau in seinem Kopf passiert sein muss. Der Fremde aus dem Supermarkt mailte mir, dass er an besagtem Geburtstagsabend nicht kommen könne, aber in Gedanken bei mir wäre. Er war stattdessen bei einem Freund, dem er unsere Geschichte erzählte. Alarmstufe Rot! Wenn Männer reden müssen, ist doch was im Busch, oder? Max beschäftigte sich scheinbar mit unserer Situation. Dieser Punkt ging an mich und es sollten weitere Folgen… Es waren jetzt nur noch wenige Tage bis zu seiner erneuten Abreise und wir hatten ein SMS-Intermezzo nach dem anderen. Man erzählte ein wenig von sich und wusste dann auch recht schnell, wo der Andre arbeitet. Wünschte mir so sehr ihn zu sehen, denn unsere letzte Begegnung, von Auto zu Auto, musste nun schon mehrere Monate zurückliegen. Aber um ein Treffen drückte er sich, verständlicher Weise wegen seiner Freundin. Eines Mittags schrieb er mir, er wäre gerade an meiner Arbeitsstelle vorbei gelaufen und hätte mein Auto stehen sehen. Auf überhaupt gar keinen Fall, dachte ich mir, weil wir uns um nur ca. fünf Minuten verpasst haben müssen. Das war sie dann wohl, meine letzte Chance ihn noch vor seiner Abreise sehen zu können. Diesmal war das Schicksal nicht auf unserer Seite. Am nächsten Tag, so etwa um dieselbe Uhrzeit, wollte ich mein Hungergefühl in der Mittagspause befriedigen und schlenderte gemütlich zur Futterkrippe. Max musste wohl schon unterwegs in die Ferien sein. Kurz vor meinem Ziel, kam mir ein ziemlich gutaussehender Mann um die dreißig entgegen, dessen grün-blaue Augen mich völlig vereinnahmten. Mir blieb fast das Herz stehen. War er das jetzt gewesen? Nein…unmöglich! Wir liefen aneinander vorbei und wie von einem riesigen Magneten angezogen, drehte ich mich noch einmal um. Er sich ebenfalls und dann stand er plötzlich vor mir. In voller Lebensgröße. Mein Max! Oh mein Gott…wir sind uns quasi ohne Vorwarnung direkt in die Arme gelaufen. Er erzählte mir dann, dass er mal ein wenig durch die Altstadt laufen wollte. Dass ich Mittagspause hatte und dort arbeitete wusste er ja bereits vom Vortag. Clever eingefädelt, mein Lieber. Keine Frau der Welt, hätte das zufälliger aussehen lassen können. Nachdem Max aus seinem zweiten Urlaub zurück war, war die Situation zwischen uns eine andere geworden. Wir hatten nun Etwas. Irgendetwas verband uns. Er kam am Freitag und schon am Montag sahen wir uns. Wollte eigentlich mit Christine-Freundin etwas trinken gehen, aber sie sagte vorher ab. Habe Tine damals kennen gelernt als ich mein Abi gemacht habe. Eine von denen, die man zum Anfang überhaupt nicht leiden kann und plötzlich unzertrennlich ist. Sie war zehn Jahre älter als ich, hatte schon viele Jahre Berufserfahrung, verheiratet und zwei reizende Söhne. Ein perfektes Leben sollte man meinen, aber meine Tine wäre nicht die Tine ohne ihre chronische Melancholie des Erreichten. Erzieherin sein hat sie nicht mehr gefordert und sie holte ihr Abi nach um Sozialarbeit zu studieren. Sie hatte ihr Diplom sicher in der Tasche noch bevor ich überhaupt eine Zulassung zum Studium bekam. Eine Wahnsinnsfrau! Sie war hoch motiviert durch den eigenen Ehrgeiz und eine sehr warmherzige, mitfühlende Freundin, der nichts Menschliches fremd ist. An besagtem Abend wollten wir auf ihre bestandene Diplomarbeit anstoßen. Ich wusste Max würde auch da sein. Waren lose verabredet. Aber sollte ich alleine gehen? So ohne Tinis Rückendeckung. Änderte alle fünf Minuten meine Meinung. Wollten uns um elf Uhr treffen und halb elf wusste ich noch immer nicht ob ich gehen sollte. Ein lieber Freund sprach mir Mut zu und nach zwei Gläsern Wein, war das Bedürfnis ihn zu sehen größer als alle Bedenken. Ich war so unglaublich aufgeregt wie das letzte Mal beim Frauenarzt. Ich zitterte am ganzen Körper, als ich den Laden betrat und steuerte direkt auf die Bar zu. Wodka-Lemon bewahrte mich vor einem übereilten Nervenzusammenbruch. Ich sah ihn nirgends, aber seinen Wagen hatte ich vor der Tür stehen sehen. Er war also auf jeden Fall da. Ich war tatsächlich noch in der Lage Einfluss auf meine Grobmotorik zu nehmen und bewegte mich quer durch den Saal und viele Leute, in der Hoffnung, er würde vielleicht mich sehen. Mein Wodka war leer und ich hatte ihn noch immer nicht gesehen, wollte mir aber auch großartige Suchkopfbewegungen aus stilästethischen Gründen ersparen. Just in dem Moment da das Lied lief über welches wir so oft gesprochen, kam er auf mich zu. Er sah gut aus! Nicht mehr so distanziert wie bei unserer Begegnung in meiner Mittagspause, nahm mich Max in den Arm und wir begannen sofort miteinander zu reden. Es war ein toller Abend. Ich habe seine Freunde kennengelernt und wir haben gelacht. Es war mehr als ich erwartet hatte. Wir waren an diesem Abend die letzten Kunden und wurden gegen zwei Uhr morgens des Hauses verwiesen. Beim Rausgehen legte Max dann seinen Arm um meine Hüfte und ich war doch etwas überrascht. Seine Freunde waren noch immer zugegen und es schien ihm egal zu sein. Wir standen dann noch ewig auf dem Parkplatz und niemand war mehr da. Ich glaube es fuhr ein Zug vorbei als wir uns küssten und kalt war mir. Doch was spielte das noch für eine Rolle?! Ich genoss jede Sekunde mit ihm. Max fühlte sich gut an. Er sagte Dinge und fragte mich nach Sachen, über die wir sonst nie gesprochen haben. Wir waren uns nahe. Wo soll das nur Enden? Ich kann diesen Kampf nicht gewinnen und habe mich schon zu sehr an ihn gewöhnt. Gewöhnt im positiven Sinne. Ich will ihn nicht mehr missen! Aber eines Morgens schlage ich die Zeitung auf und werde lesen, dass er sie geheiratet hat und es wird mir das Herz brechen. Es ist nicht mehr nur eine Traumvorstellung. Er ist nicht mehr der Unbekannte aus dem Supermarkt, er ist mein Max…fragt sich nur wie viel Zeit uns wohl bleibt. Männer trennen sich nach über acht Jahren nicht mehr, selbst nicht wenn sie zweifeln. Es ist bequem geworden und wozu das aufgeben für eine fremde Frau. Aber wir begegnen, wenn überhaupt, nur einmal dem Menschen der für uns bestimmt ist und dann liegt es an uns ihn zu erkennen oder ihn ziehen zu lassen. Dies war im Prinzip der Anfang vom Ende. Was in den nachfolgenden Monaten folgen sollte hätte ich wohl am Tag als ich den Supermarkt verließ nicht zu träumen gewagt. Aber langsam, eines nach dem anderen…Im Anschluss an diesen ersten Abend, den wir gemeinsam verbrachten folgte für mich eine schlaflose Nacht. Ich hatte nichts erwartet und doch so viel bekommen. Wir schrieben uns, kaum dass wir uns verabschiedet hatten zuckersüße Mails und ich schwebte durchs Leben. Wir trafen uns nun regelmäßig jeden Montag wieder im „Poco“ und es war eine sehr spannende Zeit. Kann heute nicht mehr genau sagen, ob ich damals schon so sehr verliebt war wie heute oder ob es nur der Reiz war, etwas zu begehren was ich nicht haben kann: einen Mann, der vergeben war. Aber wie auch immer, Max fungierte als mein Lebenselixier. Ich begann wieder zu schreiben und meine Kreativität lebte neu auf. Natürlich gab es zwischendurch auch immer wieder Momente in denen ich mich fragte, wohin das alles nur führen soll. Aber im Verdrängen war ich schon immer spitze und so genoss ich einfach was wir hatten. Wenn wir zusammen waren, dann war die Welt eine andere. Ich idealisierte ihn völlig und nicht mal zu Unrecht, wie sich herausstellen sollte. Er war einfach perfekt. Wir liebten die gleiche Musik, wir hatten uns was zu sagen und ich schien ihn in ähnlicher Weise zu überwältigen wie er mich. Immerhin stellte er seine Beziehung plötzlich in Frage. Geschlafen haben wir bis heute nicht miteinander. Zum einen hatten wir uns einfach mehr zu geben als das und zweitens sicher auch aus Mangel an Gelegenheit.  Der Sommer war langsam vorbei und ich kam an den Punkt, da ich gern mehr von Max gehabt hätte, als nur die üblichen Montagabende. Aber welche Möglichkeit blieb mir schon? Seit unserem Treffen in der Altstadt waren höchstens drei Monate vergangen und konnte ich erwarten dass er das mit nun fast neun Jahren Beziehung in eine Waagschale legte? Ich hatte aber auch nicht wirklich etwas zu verlieren und so verkündete ich, dass es so nicht weitergehen könne und ich sehr darunter leide. Er wollte mich nach meiner Ansage sofort sehen und reden. Er flehte geradezu. Max überschüttete mich mit lieben Worten und machte mir und sicher auch sich selbst große Hoffnungen damit. Mein Leben hatte durch ihn so einen besonderen Flair bekommen, den zu beschreiben es mir sehr schwer fällt, aber manchmal kann ich es noch fühlen…sehe mich dann mit Katie Melua in den Ohren vor meinem PC sitzen und Haselnuss-Cappuccino schlürfen. Draußen die letzten Herbstsonnenstrahlen und ich erfüllt von Wärme und Glück. Klar, dass ich das nicht einfach aufgeben wollte. Und so trafen wir uns weiter, doch von Mal zu Mal wurde es auch schwieriger. Seine Freundin bemerkte, dass er nicht wirklich bei ihr war und so erzählte er ihr von mir. Nicht alles, um ihr nicht zu sehr wehzutun, aber gerade genug um sie nicht länger belügen zu müssen. Ich glaube, dies war nach dem Abend an den ich mich besonders gern erinnere, sie vermutlich eher nicht… Es war natürlich ein Montag und nachdem wir noch ca. zwei Stunden nach Ladenschluss an meinem Auto standen und lieb zu einander waren, standen wir später nebeneinander an der Ampel. Es muss so ungefähr fünf Uhr morgens gewesen sein. Wir blickten uns verliebt in die Augen als er plötzlich sein Auto verließ und in meines kam, um mich noch einmal zu küssen. Es wurde in der Zwischenzeit grün und hinter uns standen ein paar wenige aber sehr schlechtgelaunte Menschen, deren Frühschicht wohl in Kürze beginnen musste und sie hupten uns an. Mich erwartete zu Hause dann ein warmes Bett und ein freier Dienstag, Max jedoch wurde von seiner Freundin und vielen Fragen erwartet. Ich habe oft über sie nachgedacht und wie sie sich wohl fühlen muss, aber konnte an meinen Gefühlen nichts Falsches finden. Ich mischte mich zwar in diese Beziehung ein, aber nur weil er mich ließ. Ich hatte also am Dienstag frei und er Spätdienst. Er fragte mich, ob er vorbeikommen könne und ich willigte ein. Viel Zeit hatte er nicht aber immerhin. Max erwähnte damals nichts von dem Gespräch mit seiner Freundin und ich denke, bei mir zu sein war auch für ihn eine eigene Welt. Er sah toll aus… wie immer! Seines Zeichens Mediengestalter bei einer großen Zeitung, entsprach er total dem Bild des kreativen Mittdreißigers. Jeans, enges schwarzes Shirt, Cordsakko, gutriechend, dunkles leicht gewelltes Haar und stechend blaue Augen. So ein Mann, wie man sie oft in Werbespots für Sportgetränke und Geländewagen sieht. Wir schauten an diesem Vormittag eine DVD von der ich ihm bereits mehrfach vorgeschwärmt hatte und wir kuschelten uns so fest aneinander, dass es kaum noch weiterer Worte bedurfte. In diesem Moment spürte ich das erste Mal sehr deutlich, dass er im Gegensatz zu vielen anderen Männern in meinem Leben keine Nebenrolle spielen sollte und als er dann gegangen war traf es mich fast wie ein Hammer, dass er die Hauptrolle bereits im Leben einer anderen Frau spielte. Bittere aber hilfreiche Erkenntnis. Es folgte dann Versuch Nummer zwei mich von ihm zu lösen. Damit er mich aber diesmal auch wirklich gehen ließ, musste ich schwerere Geschütze auffahren. Was alle Männer hassen und was wiederum auch alle Frauen wissen, ist Druck. Ich stellte ihn vor die Wahl. Mir war ja klar was dabei herauskommen würde. Meine Schwester zog damals mit ihrem Liebsten zusammen und gab eine riesen Einweihungsfeier. Inga ist eine von den Frauen zu denen ich aufsehen kann. Sie ist fünfzehn Jahre älter als ich und verließ quasi das Elternhaus als ich auf die Welt kam. Erst als ich selbst dann so sechszehn oder siebzehn war, waren wir nicht mehr nur Schwestern sondern Freundinnen geworden. Etwas Unbeschreibliches verbindet uns. Nicht nur, dass wir uns optisch sehr ähnlich sind, wir fühlen und denken auch gleich. Nahezu erschreckend manchmal. Es gab schon Zeiten da erkannte ich am Klingeln des Telefons das sie es war, oder in dem Moment da es klingelte wollte ich gerade zum Hörer greifen um sie anzurufen. Was Männer angeht hat meine Inga mir allerdings etwas Entscheidendes voraus. Sie hat ihre große Liebe gefunden, darum gekämpft, gelitten, gehofft und letztlich gewonnen. Die beiden sind wie zwei Puzzleteile die im Universum schwebten, sich gefunden haben und lückenlos zueinander passen. Lang hat es gedauert, hart und steinig war der Weg, aber sie hat von Beginn an gewusst, dies ist der Eine für den sich all das lohnt. Ich beneide sie oft um ihr Glück, welches sie so sehr verdient hat. Ich wollte also, dass Max mit mir zur Einweihungsfeier in Frankfurt erscheint oder wir würden uns nicht wiedersehen. Es war für ihn unmöglich, dies zu organisieren ohne seiner Freundin die ganze Wahrheit zu sagen. Es kam wie es kommen musste und so fuhr ich allein auf die Party. Ich fühlte mich so unendlich schlecht und es tat körperlich weh, aber es musste Bewegung ins Spiel kommen und wenn er nicht zu einer Entscheidung bereit war, dann traf eben ich eine. Ich komme nicht umhin an dieser Stelle zu bemerken, dass der schöne Womenizer, der einst Auslöser für den Zettel an Max Auto war, in meinem Leben wieder zunehmend präsenter wurde. Der dunkelhaarige, blauäugige, 1,86 große Schönling, seines Zeichens Autoverkäufer mit Catwalkqualitäten, gab mir zu unserer Zeit Zuckerbrot und Peitsche, was meint, dass er mich im selben Moment abblockte und doch zerdrückte. Da meine Selbstschutzabwehrmechanismen das Funktionalste an mir sind, schlug ich damals vor, nur befreundet zu sein um das ständige Hin und Her zu unterbinden. War schon sehr verliebt, aber es war mehr schmerzhaft als schön. Da der Autohändler ein Freund meines Schwagers in Spe war, kam natürlich auch er zu der Einweihungsparty auf der ich eigentlich mit Max glänzen wollte. Um den Abend nun doch ohne Max zu überstehen, verlagerte ich meine Prioritäten erneut auf den schönen Oliver. In so was bin ich klasse, auch wenn es nie wirklich lang funktioniert. Er kam mir da auch sehr entgegen und wand sich in langen Gesprächen gekonnt um sein eigentliches Anliegen. Er wollte mich zurück! Wir hatten einander zwar nie besessen, aber er wollte zumindest zurück was wir hatten. Also, ich hatte viel erwartet, aber das nun so gar nicht. Wo doch meine Leitungen derzeit alle besetzt waren… Aber gut dachte ich mir, versuchen kann man es ja. Wir verließen die Party und schliefen miteinander. Als er dann nach getaner Arbeit so neben mir lag, war der Zauber vom Frühjahr allerdings verflogen. Ich wollte nicht, dass er über Nacht bleibt und bat ihn zu gehen. Er verstand nicht wieso, aber er leistete meinem Wunsch folge. Danach waren wir dann wirklich nur noch Freunde. Oliver erzählte mir von einer neuen, großen Singlebörse im Netz und das man dort nette Leute kennenlernt. So just for fun meldete ich mich auch an, nutzte das Ganze aber mehr als Kommunikationsfläche um mit dem Schönling zu chatten. Und so passierte was passieren musste, ich lernte jemanden kennen. Auf Max reagierte ich dann kaum noch. War so verzweifelt. Mein Herz sagte kämpfen, mein Verstand fragte wofür. Er war nicht mit auf die Party gekommen und auch wenn ich dies vorher wusste so reichte diese Ernüchterung trotzdem nicht aus um einen endgültigen emotionalen Schlussstrich zu ziehen. Aber der Mann den ich kennenlernte schien alles zu verändern und so ließ ich es zu.

Hannover

32 Jahre alt, aus Hannover, gutaussehend, intelligent, witzig, wortgewandt und vor allem Single. Wir schrieben uns täglich mehrmals und ich schien ihn genauso verzaubert zu haben wie er mich. Er war Anwalt und ganz leise im Hintergrund hörte ich mal wieder die Hochzeitsglocken läuten. Ich konnte mein Glück kaum fassen dass so ein Mann sich tatsächlich für mich interessierte. Aber das tat er und seine Absichten waren ernst. Ich redete mir ein das mit Max wäre gegessen und nahm ganz selbstsicher wieder Kontakt auf. Ich erzählte vom Anwalt und davon verliebt zu sein. Max fand das alles andere als erfreulich und wollte mich sehen. Da ich mich dafür aber noch nicht stark genug fühlte umging ich das. Es war Anfang Oktober und schon nach kurzer Zeit wollte der Anwalt mich treffen. Da ich ja noch nicht mal gern telefoniere aufgrund meiner „Männerstimmenphobie“, versuchte ich ein Treffen hinauszuzögern. Er war allerdings angenehm hartnäckig und ehe ich mich versah, saß er im Auto und war auf dem Weg zu mir nach Wetzlar. Ich war ja soo aufgeregt und hatte tausend Dinge im Kopf. Waren uns übers Schreiben sehr nahe gekommen, aber wie wird es sein ,wenn er mir gegenüber sitzt? Wie werde ich ihn los, wenn er sich als Luftnummer entpuppt? Kann ihn dann doch unmöglich 320 km zurück nach Hause schicken…und wo wird er schlafen? Der Anwalt war nun in meiner Stadt und wir wollten uns im „Bistro am Dom“ treffen. Ich war da, sah natürlich nach stundenlangem stylen umwerfend aus, aber wo war er? Plötzlich stand er vor mir…ich war überwältigt. Er sah so viel besser und jünger aus als auf den Fotos, die er mir geschickt hatte. Bereits nach kurzer Zeit war das Eis gebrochen und wir redeten über Gott und die Welt. Alle meine Bedenken schmolzen dahin. Wir fuhren später zu mir und tranken Schampus, welchen er mitgebracht. Es war ein ganz zauberhafter Abend. Er liebte meine spitze Zunge und wir lachten viel zusammen. Die Frage wo er denn schliefe erübrigte sich so nebenbei. Natürlich bei mir. Hatte vorsorglich das Bett frisch bezogen. Gegen drei Uhr morgens beschlossen wir dann zu Bett zu gehen. Ganz erwachsen und ohne Scheu. Im Bett liegend redeten wir weiter und bis dato hatten wir uns noch nicht berührt. Den ganzen Abend über nicht. Plötzlich legte er seinen Arm um mich und kam ganz nah an mich. Es fühlte sich toll an. Er fühlte sich toll an. Der Anwalt hatte babyzarte Haut und roch sehr gut. Unser erster Kuss war ein Traum. Seine schmalen Lippen hatten mich den Abend über daran zweifeln lassen, dass er ein guter Küsser sein könne, aber ich wurde vom Gegenteil überzeugt. Alles war perfekt und mein Max schien vergessen. Wir schliefen nicht miteinander aber einen netten Orgasmus bescherte er mir auf andere Weise trotzdem. Und das am ersten Abend! Tief in mir schrie eine Stimme, dass es für so was zu früh sei, aber ich drehte ihr rechtzeitig den Hahn ab. Mein Morgen begann wie mein Abend endete. Mit einem Orgasmus. Nicht weiter darüber reflektierend fuhren wir zu meiner Inga um mit ihr und ihrem Liebsten auf die Buchmesse zu gehen. War gespannt wie sie meine neue Eroberung wohl finden würde. Da meine über alles geliebte, große Schwester in der Regel gern etwas distanziert ist, wenn es um „neue Bekanntschaften“ geht, nahm ich mir ihre Kälte dem Juristen gegenüber nicht sonderlich zu Herzen. Während sich auf der Buchmesse wohl jeder mit Büchern beschäftigte, beschäftigten wir uns mit turteln und er sagte oft, dass er mich wohl heiraten müsse so erschreckend perfekt wäre ich für ihn. Konnte das an dieser Stelle nur erwidern. Ich war glücklich, obwohl es alles so schnell ging. Wir verbrachten die Nacht bei meiner Schwester und nun schliefen wir auch miteinander. Es war sehr konzentriert irgendwie. Er liebte mich entschlossen und sehr leidenschaftlich. Es war anders als sonst, aber nicht schlechter. Von da an war ich also kein Single mehr und das gerade in einer Phase, da ich mit Männern und dem Kummer den sie mit sich bringen abgeschlossen hatte. Meine Freundin Jette und ich sprachen dabei von unserer perfekten Welle, die uns forttragen wird in ein neues Leben ohne Herzeleid. Nun gut, jetzt war der Anwalt am Start und einen Versuch war es wert. Wir sahen uns jetzt jedes Wochenende. Mal kam er runter, mal fuhr ich rauf.  Meiner Freundin Jette ging es zu der Zeit furchtbar schlecht. Sie lebte, arbeitete und liebte auf Helgoland. Aber die Insel schien ihr nicht gut zu tun. Da besondere Menschen ganz besondere Aufmerksamkeit verdienen will ich an dieser Stelle mal so richtig weit ausholen, um meine Jette gebührend vorzustellen. Ich stelle nun also mal meine eigene Thematik weit zurück und erzähle Ihnen von der ganz wunderbaren Jeannette Martens…

Jette

Dora, eine Kindheitsfreundin schleppte mich irgendwann in den Winterferien vor ca. 100 Jahren in den Nachbarsort zum Fasching mit. Natürlich um „unsere Jungs“ zu treffen, denen wir seit Monaten beim Fußballtraining zusahen, in der Hoffnung bemerkt zu werden. Musste jetzt gerade mal mein altes Tagebuch zur Hilfe nehmen, weil ich mir bezüglich der Jahreszahl unsicher war. Dabei ist sie so wichtig. Es war also Fasching im Frühjahr 1991 und ich stand kurz davor dreizehn zu werden. Mein magisches Alter, aber das ist eine andere Geschichte. So wie alle hippen Tanzveranstaltungen für Kinder, fand auch dieser Fasching im Kulturhaus statt. Als besonderes Highlight gab es dieses Jahr einen gefängnisartigen Käfig. Heutzutage räkeln sich Gogos mit grobmotorischen Defiziten darin. Wenn man nun also bei der „Bienenstichrunde“ keinen Jungen zum Tanzen aufforderte, dann kam die Gefängniswärterin und man wurde in diesen Käfig gesteckt. Nichts Peinlicheres hätte passieren können, zumal unser Hauptaugenmerk ja auf den Jungs lag und was kam da uncooler daher als widerwillig in diesen Käfig gesperrt zu werden?! Aber so lernte ich meine Jette kennen. Total beeindruckt von ihrem naturkrausen Haar, das wild in alle Richtungen stand, ließ ich die durch sie vollstreckte Käfigstrafe über mich ergehen. Dora kannte Jette. Keine Ahnung woher, aber das Dorchen kannte immer wen man kennen musste. Sie war sehr beliebt und das natürlich zu Recht. Sie war zuckersüß. Zierlich und mit frecher Stupsnase und aus meiner heutigen Sicht ein Kind mit Hyperaktivität. Damals war es nur leider noch nicht so in Mode gekommen wie momentan und ist als solches nie diagnostiziert worden. Jette lernte ich als jemanden kennen, der sehr aufgeschlossen war und auch viele Leute kannte. Zu unserem Glück, stand sie mit den Jungs ganz gut und versorgte uns von nun an regelmäßig mit Basisinfos. Ab und an im folgenden Sommer, verbrachten wir zu dritt Tage im Freibad. Aber wie es eben so ist in den Sommerferien, da jeder mit sich selbst und der Familie beschäftigt ist, flachte der Kontakt für eine Weile ab. Umso überraschter war ich dann, als sie am ersten Schultag, als neue Schülerin begrüßt wurde. Natürlich setzte Jette sich gleich zu mir und wir wurden auf Grund unseres übermäßigen Erzählflusses dann auch prompt wieder auseinander gesetzt. Am ersten Tag! War dies der Beginn einer echten tiefen Freundschaft oder kam dieser Punkt erst später? Glaube, dass Freundschaften fürs Leben durchaus so früh ihren Ursprung haben können, aber „unsere eigentliche Zeit“ kam erst sehr viel später. Doch in der Schule hatten wir einen Haufen Spaß zusammen. Sie war eine Freundin für mich geworden und ich hatte wirklich viele…glaubte ich… Sie ist aufgewachsen mit einer älteren Schwester und zwei jüngeren Brüder in einer Blockwohnung und ohne Vater. Mit mittlerweile vierzehn Jahren, war auch für sie Nummer eins Thema die Jungs. Nur das die Jette mit einer ungeheuren Trefferquote immer an die Falschen geriet. Meistens waren sie älter und heute sehe ich es als einen Versuch, die Vaterfigur zu ersetzen. Sie hatte schon Sex und ich bewunderte sie dafür. Ich hingegen hatte keinen Sex, aber stattdessen immer einen festen Freund am Hals. Heute weiß ich, dass damals sie mich darum beneidet hat. So war Eine auf das Leben der Anderen neidisch. Gerade neulich haben wir eine Liste über verflossene Liebhaber gemacht. Jaaa, auch erwachsene Frauen neigen hin und wieder zu postadoleszentem Verhalten. Sind bei ihr auf ca. 15 Männer gekommen und wir sprechen hier nur von denen, deren Namen uns noch einfielen. Natürlich hat sie nicht mit jedem geschlafen, aber es war immer irgendwie die große Liebe… Jette hatte auch die hinreißende Gabe sich völlig schräg zu kleiden. Ging mir damals aber nicht viel anders. Heute lachen wir darüber und es kommen jedes Mal ein lila Spitzenbody und ein ekelig gelber Rock zur Sprache. Aber in Ostdeutschland dauerte es eben eine Weile bis die „In-Klamotten“ des Westens sich durchgesetzt haben. Nach Beendigung der zehnten Klasse und mit Eintritt ins Azubileben entdeckt meine Jette ihre Vorliebe für lustiges Umziehen. Habe irgendwann aufgehört Einweihungsgeschenke zu kaufen… Wenn ich es mir recht überlege könnte ihre Leidenschaft darauf zurück zu führen sein, dass sie schon als Teen ständig von ihrer Mutter des Hauses verwiesen wurde um bei irgendwem daheim unter zukommen. Natürlich war ihrer im Übrigen sehr coolen MOMS nicht entgangen mit welchen Männern sie sich die Zeit vertrieb. Aber eigentlich war sie wie gesagt, nur ständig auf der Suche nach der großen Liebe. Wie wohl jeder in diesem Alter. Oh mein Gott, wie oft wir sterben wollten! Wie oft wir überhaupt fiktive Abschiedsbriefe geschrieben haben, die uns sehr zu Tränen rührten… aber die wohl „härteste“ Phase war, als wir uns regelmäßig in der großen Schulpause in die nahegelegene Wohnung ihrer Tante machten um Nuckelfläschen, die damals voll im Trend lagen, mit Alkohol zu füllen. Die ließen wir uns dann im Matheunterricht schmecken und schon fanden wir selbst Logarhythmen witzig. Kopfschmerzpillen waren auch irgendwann im Spiel, aber daran erinnere ich mich eher ungern. „Haste mal ne Boxonal?“, hieß es auf Partys und wären wir in der heutigen Zeit groß geworden, hätten wir sicher gekifft. Tja, irgendwann hatten wir bösen Streit, weil irgendwer irgendwas über den anderen gesagt hat und dann war erst mal Schluss mit lustig. War zu der Zeit 20 und hatte vor den 21. ordentlich zu feiern. Dachte da so an eine Strandparty mit ganz vielen Leuten. Die Party wurde dann natürlich auch ein Kracher, aber Jette kam nicht, obwohl ich ihr eine Einladung zukommen ließ. Sie fehlte mir und ich wollte sie nicht mehr missen. Sie war zu der Zeit schwer am Arbeiten schickte mir aber einen Brief als Reaktion auf die Einladung. Glaube, dies war dann der tatsächliche Beginn unserer Freundschaft wie sie heute ist. Mit 21 ist man auch einfach anders unterwegs wie mit 13. Ich habe dann einen Sommer später meine Heimat verlassen um nach Hessen zu gehen. Abi nachholen und Sozialarbeit studieren waren meine Ziele. Jette ist heute ein fester Bestandteil meines Lebens und an dieser Stelle danke dafür. Wir sind jeweils in das Leben des anderen fest integriert. Das war auch schon immer so, obwohl es Zeiten gab, da wir uns über ein Jahr nicht sahen. Das Beste überhaupt ist aber ihre neu entdeckte sexuelle Neigung zu Frauen. Bitteschön, von mir aus gern, aber ist es einfacher als mit Männern?! Natürlich nicht und schon gar nicht wenn man ein Mannsweib liebt, welches in ihren Zügen schon an den ein oder anderen Fehlgriff aus hetero Zeiten erinnert. Aber gäbe es li-la-Linda nicht, wäre Jette wohl gelangweilt vom eigenen Leben, getreu dem Motto, warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht. So ein Nervenzusammenbruch pro Monat muss schon drin sein!!! Sonst hätten unsere Psychologen ja auch nichts mehr bei der wöchentlichen Stammtischrunde: “Wer hat den beschränktesten Klienten?“, zu erzählen. Machen Therapeuten so was? Ich glaube schon…ich würde…grins Aber um mal kurz auf fixe Ideen sprechen zu kommen, mit Jette hatte ich einige! Komisch, dass es meistens mit Mode zu tun hatte. In einer ihren besagten Wohnungen, glaube es war die, in der sie eines Tages die furchtbare Tierpornosammlung ihres bedeutend älteren Mitbewohners fand, brachten wir vor ihrem baldigen Auszug Abende damit zu, zu nähen. Erinnere mich an dieser Stelle immer wieder gern, an eine Kreation aus braunem Satin, den sie mir gekonnt um Brust und Hüfte drapierte. Auf einem Kostümball hätte ich sicher den ersten Preis für futuristische Mode abgeräumt, aber anspruchsvolle Abendgarderobe war es nicht gerade. Trotzdem- schön war’s…!  1999 war ich im letzten Ausbildungsjahr zur Erzieherin und Jette stand kurz vor ihrer Abschlussprüfung zur Restaurantfachfrau. (Ergebnis:1.2 im Notendurchschnitt!!!) Unser Kontakt war auf Grund des infantilen Streits von vor Ewigkeiten, noch völlig abgebrochen. Zu der Zeit gehörte die Liebe eher zu einer anderen Clique und blies sich mit Begeisterung halbsynthetische Substanzen durch die Nase. Heute meint sie im Spaß ganz oft, dass sie nur deshalb einen so guten Abschluss schaffte, was natürlich Blödsinn ist! Was aber kein Blödsinn ist, ist die Tatsache, dass sie irgendwann bemerkte, nicht mehr sie selbst zu sein. Es war alles so aussichtslos aber irgendwie auch bequem. Als Mensch, der viel Halt braucht, aber keinen fand, war Jette kurz vor dem absoluten Zusammenbruch… als eines schönen Abends ein Anruf von ihrem zuständigen Arbeitsvermittler kam. Nach Beendigung der Ausbildung hatte sie kurze Zeit auf Hiddensee gearbeitet, aber es war nicht was sie wirklich wollte. Meiner lieben Freundin wurde immer klarer, dass nur ein völliger Umbruch zu Seelenfrieden und einem geregelten Leben führen konnte. Der Arbeitsvermittler gab Jette eine Telefonnummer mit der Anmerkung, dass sie schnell entscheiden müsse. Und somit nahm sie das erste Mal in ihrem Leben Kontakt mit Helgoland auf. Zu dem Zeitpunkt war ihr noch nicht klar, dass diese Insel so winzig ist, dass sie in Atlanten durch einen zusätzlichen Pfeil gekennzeichnet wird um nicht übersehen zu werden. Ihre zukünftige Chefin wollte, dass Jette am nächsten Abend schon anfängt, als Saisonkraft in einem Restaurant. Das meinte der Vermittler also mit einer „schnellen Entscheidung“. In Gedanken machte die Helgoland-Jette in Spe, sich schon eine Liste mit furchtbar wichtigen Dingen, die unbedingt mit auf die Insel müssen. Doch die Chefin in Spe nahm ihr schnell den Wind aus den Segeln und meinte: „ Sie werden erst mal nicht mehr als eine schwarzweiß Garderobe brauchen. Ein Personalzimmer steht ihnen zur Verfügung und wenn die ersten Wochen für beide Seiten gut verlaufen, dann kriegen sie ein paar Tage frei um ihr restliches Hab und Gut vom Festland zu holen. Nehmen Sie bitte morgen früh den ersten Zug nach Cuxhaven und von da den Katamaran auf die Insel. Ich erwarte sie!“ Na schönen Dank! Ich, als völlig unspontaner und durchgeplanter Typ hätte diesen Job wohl abgesagt. Aber meine mutige Freundin ergriff diese Chance, um ihr altes Leben endlich hinter sich zu lassen. Sie nahm den ersten Zug und den Katamaran mit nichts weiter als ein paar weißen Blusen und schwarzen Röcken im Gepäck. Aber sie fühlte etwas lang nicht mehr da gewesenes: Zuversicht und Hoffnung.  Es war Frühling und sie saß im Zug. Ihr Ziel wird ein neues Leben sein. Jeannette Martens sieht aus dem Fenster und starrt auf die vorüberziehenden Landschaften. In ihr regen sich ganz unterschiedliche Gefühle. Seit dem überraschenden Anruf waren nur 12 Stunden vergangen. Panik und Angst machten sich breit, waren jedoch begleitet von Vorfreude in Bezug auf Kommendes. In Cuxhaven angekommen, nahm sie das Schiff auf die Insel und sie war zunehmend aufgeregter. Noch ungefähr 2.5 Stunden, trennten sie von ihrem neuen Leben.  Die Insel erschien Jette sehr winzig und überall standen so niedliche, kleine und vor allem bunte Holzhüttchen. Helgoland hat nur 1500 Einwohner und im Vergleich zu Stralsund, war dies doch recht wenig. Noch am ersten Tag begann meine Freundin ihre Arbeit in einem kleinen Restaurant. Sie beschreibt mir die Atmosphäre dort als sehr maritim und gemütlich. Das Arbeitsklima ließ jedoch einiges zu wünschen übrig. Der gestandenen Restaurantfachfrau erschienen die ihr zugeteilten Aufgaben eher wie ein Praktikum im Kiosk. Aufräumen, Putzen und ab und zu mal einen Gast bedienen, war nicht was sie sich unter einem erfüllenden Job vorstellte. Nach oftmals mehr als vierzehn Stunden Arbeit viel sie tot müde ins Bett und vermisste dann schrecklich ihr altes Leben, die alten Freunde vom Festland und die Partys der letzten Monate. Jette kannte bislang nur den Weg vom Zimmer zur Arbeit und verlief sich ganz oft. Ich bemerke an dieser Stelle, dass es auf so einer kleinen Insel nahezu unmöglich ist sich zu verlaufen und schon eine gehörige Portion allgemeine Verwirrt u.- Unzufriedenheit vorliegen muss. Aber so war es ja auch. Absoluter Frust! Bereits nach drei Wochen trennte man sich im gegenseitigen Einverständnis. Jettes Grundstimmung war sehr depressiv gefärbt und der Traum vom neuen Leben schien geplatzt. Sie packte ihre wenigen Sachen zusammen und stieg ins einzige Taxi der Insel. Unglücklich und verheult, klagte sie dem nachfragenden Taxifahrer ihr Leid und er legte ihr nahe, dass sie bevor sie die Segel gänzlich streicht, im Restaurant „Wiesbaden“ vorsprechen solle. Gesagt, getan. Er brachte sie kurzum dorthin und sie bekam nicht nur einen neuen Job sondern sofort auch ein neues Zimmer. Am nächsten Tag schien dann wortwörtlich wieder die Sonne. Jette hatte ausgesprochen nette Kollegen und fühlte sich nach nunmehr vier Wochen, das erste Mal wohl auf der Insel. Nach Feierabend gingen sie gemeinsam noch auf ein Bier und Jette lernte Land und Leute kennen. Sie erzählt mir von unglaublich langen Spaziergängen und den wohl farbenprächtigsten Sonnenuntergängen, die sie je zuvor sah. Von Stürmen, die roh und doch unheimlich kraftvoll wirken und ungeahnte Emotionen hervorrufen. Durch diese Verbalisation ihrer Wahrnehmung, verstärkte sich bei mir der Eindruck, dass meine Freundin mitten in einer Entwicklung steckte. Nie zuvor hatte ihre Stimme diesen einzigartigen Klang. Sie hatte sich auf die Suche nach sich selbst begeben und ein sehr langer Weg sollte noch vor ihr liegen. Sie erzählte mir, wie irre es wäre, wenn tagsüber vier- bis fünftausend Tagesgäste auf die Insel strömten, die wie Ameisen über die Insel wimmelten um einzukaufen, essen zu gehen oder um nur einfach mal drüber zu schlendern um dann mit dem nächsten Schiff die Insel wieder zu verlassen. In der Zeit ihres Aufenthalts schaffen sie es dann mit einer erschreckenden Selbstverständlichkeit, die Insel völlig auf den Kopf zu stellen und so war es gerade zur Hochsaison sehr sehr anstrengend und hektisch. Um Punkt 16:30 Uhr, also mit Abfahrt der letzten Fähre, kehrt dann auf Helgoland die Familienidylle zurück und die Insulaner entspannen sich wieder, weil sie unter sich sind. Wie ein Stück heile Welt das man zurück gewinnt, beschreibt sie dieses sich täglich wiederholende Prozedere. An manchen Tagen blickte sie aber auch mit einem weinenden Auge, den Fähren hinterher. Heimweh machte sich breit…oder auch Fernweh. Ihr Inseldasein kam ihr an diesen wenigen Tagen einseitig vor, doch die schönen Tage überwogen. Tage an denen sie vom Oberland den Blick in die endlos scheinende Ferne genoss und Schiffe am Horizont in der Abendsonne verschwinden sah. Jette war nunmehr zwei Monate auf der Insel und fand zunehmend Anschluss. Besonders erwähnenswert scheint mir hierbei Sandy zu sein. Auch so jemand, den man eigentlich zu Beginn nicht mag und dann doch einen Draht zueinander findet. Kenne Sandy bis dato leider nicht persönlich, aber sie wird mir beschrieben als sehr aufgeschlossen, ehrlich und unkompliziert. Denke sie verdient zu Recht die Bezeichnung „Erste-Inselfreundin“. Es ließ natürlich nicht lange auf sich warten, dass ein Mann ins Spiel kam. Der Dirk! Er arbeite auf Montage und Jette lernte ihn durch eine Bekannte kennen. Schon nach wenigen gemeinsamen Stunden, war klar, da kommt noch was auf sie zu. So ereignete sich bereits am ersten Abend folgendes Szenario: Jette und Dirk sondern sich von den anderen ab und nehmen den ein oder anderen Drink zusammen. Das lockert ja bekanntlich Zunge, Geist und Körper. Da wird man auch gern mal infantil und bewirft sich mit Eiswürfeln bis hin zu ersten Erfrierungserscheinungen. Irgendwann bei dieser Alberei, hat er sie dann räumlich betrachtet in die Ecke gedrängt und es war klar was passieren würde. Sie gaben sich einander hin. Das war so einer dieser Momente, in denen man sich fragt, was genau gleich geschieht, obwohl man sich dessen bereits klar ist. Aber wer soll zum ersten Kuss ansetzen? Lieber abwarten und vielleicht eine Chance ungenutzt lassen oder gleich volle Initiative und einen Korb riskieren? Jette ließ sich von den explosionsartigen Gefühlen im Bauch leiten und konnte es kaum noch abwarten Dirk körperlich zu spüren. Die nun folgende Knutscharie war der Beginn einer Reihe ungeahnter Emotionsausbrüche, seitens meiner Freundin. Sie beschreibt es als nie dagewesen und gigantisch. Ein Gefühl, das abhängig macht. Von dem Moment an, verbrachten die Beiden jede freie Minute miteinander und es war nahezu selbstverständlich, dass dies auch die Nächte einschloss. Dirk holte sie täglich von der Arbeit ab und ihre bislang einsamen, ausgedehnten Inselspaziergänge machten sie von nun an gemeinsam. Meine Freundin geriet damals in Telefonaten oft ins Schwärmen und sprach von dem neuen Mann in ihrem Leben, als etwas ganz einmaliges. Ich teilte ihre Euphorie mit Vorsicht. Zu oft schon, hatte ich diese Worte aus ihrem Munde vernommen und kannte das natürlich auch aus eigenen Erfahrungen. Diesmal ist alles anders…ja, ja… . Sie beschrieb ihren Dirk als sensibel und gefühlvoll und erwähnte auch den großartigen Sex. Sensibel und gefühlvoll schien er ihr bis zu dem Punkt da seine Rückreise nach Berlin bevor stand. Bis dato hatte sie nicht mal ansatzweise darüber nachgedacht, dass sein Aufenthalt ja zeitlich begrenzt war. Nur der Dirk reiste nicht einfach zurück nach Berlin, sondern zurück zu Frau und Kind: Hauptgewinn!!! Was dann zum Schlichten wohl jeder Mann in dieser Situation gern einwirft ist, dass sie natürlich in Scheidung leben und er in zwei Wochen wieder auf der Insel sein wird. Was bleibt einem da als schwer verliebte Frau schon übrig, als sich ausschließlich irrational entscheidend, auf eine Fernbeziehung einzulassen?! Getreu dem Motto: lieber so als gar nicht. Was mir völlig klar war, war dass er natürlich nicht nach zwei Wochen wieder da war und meine Süße schrecklich litt. Sie behauptet heute, mit damals fehlender Objektivität, jede seiner Lügen und Ausreden geglaubt zu haben. Alles hinnehmen und nur nicht wieder allein sein. Jette neigt sehr zu depressiven Verstimmungen und in diesem besonderen Falle, paarten sich diese mit dem sogenannten ersten „Inselkoller“. Sie war maßlos überarbeitet, ausgepowert und verbrachte die Hälfte ihres Tages mit dem Trocknen ihrer Tränen. Ich erinnere mich an einen Abend, als ich morgens um zwei Uhr von meinem Gutshof nach Hause fuhr, nachdem ich auf einer Mammutveranstaltung im Service lief und nebenbei den Tresen machte, als meine Freundin mich anrief und wir bis ca. vier Uhr telefonierten, während ich auf einem Feldweg hielt. Aber ich konnte nicht helfen. Wie auch. Konnte nur zuhören. Hätte nicht erwartet so Gespräche im Verlauf der nächsten Jahre öfter führen zu müssen. Denke diese Nacht war der Beginn meiner freizeitpsychologischen Beratungszeit und dies soll in keinster Weise abwertend klingen, aber man erlebt ja die Menschen im Umfeld gern lieber glücklich anstatt dauerdepressiv. Oder?! Aber trotz all dem Schmerz, den er ihr zufügte, glaubte sie an das Gute im Menschen, an das Gute in Dirk und daran, dass ihre Liebe es vielleicht vermag stärker als die äußeren Umstände zu sein. Er fehlte ihr in jeglicher Hinsicht, immerhin war er die „erste Inselliebe“ und somit ein fester Halt. Sie telefonierten auch nie und im Nachhinein frage ich mich oft, wie das Ganze funktionieren konnte. Seine Frau, mit der er ja angeblich in Scheidung lebte, durfte von Jette nichts wissen, da sie noch dieselbe Wohnung teilten…schade, dass man meinen ungläubig-fragenden Gesichtsausdruck jetzt nicht sehen kann, der wohl keine Fragen offen lassen würde. Er hat ihr einfach Blödsinn erzählt und sie nahm wortlos zur Kenntnis. Wortlos aber nicht handlungsunfähig. Sie startete den Versuch ihre Depressionen auszutricksen, indem sie verdrängte und den Kummer auch gern mal hochprozentig hinunter spülte. Um dies nicht mehr tun zu müssen, war sie eigentlich auf die Insel gekommen. Ihr neues Umfeld wusste davon natürlich nichts. Nichts von all den Enttäuschungen, die in einem Kreislauf aus Alkohol und div. Drogen, die Oberhand bekamen und lange zurück lagen. Darum gab ihr Verhalten auch keinen Grund zur Sorge. Denn oberflächlich betrachtet war Jette einfach in einer „Feierphase“. Keine Party ohne Jeannette und sich ja schön viele Probleme anderer aufhalsen um nicht über die eigenen reden zu müssen. Allerdings schien ihr das Ganze doch irgendwann recht oberflächlich, weil niemand mal sie nach ihrem Wohlbefinden fragte. „Mutter Theresa der Insel“, nannte sie sich gern selbst und es lag dabei der Hauch von Zynismus in ihrer Stimme. Die erste Saison ging ihrem Ende zu und von Dirk hatte sie nichts mehr gehört. Mitte November packte sie ihre Tasche und fuhr gen Heimat. Die Saisonkräfte auf der Insel verdienen schönes Geld und arbeiten oft bis zu vierzehn Stunden. Da hat man dann auch keine großen Möglichkeiten, das Verdiente auszugeben und so nutzen viele die Möglichkeit, zwischen November und März aufs Festland zu gehen um einfach mal wieder zur Ruhe zu kommen. So auch meine Freundin Jeannette. Ich war zu dem Zeitpunkt in Vorbereitung auf die Abschlussprüfungen und es war somit mein letzter Winter an der Ostsee. Jette suchte sich eine Wohnung in unserem Heimatstädtchen. Sie hätte auch bei ihrer Mutter unterkommen können, aber sie hatte sich an die Ruhe und Überschaubarkeit ihrer Insel gewöhnt und empfand das Festland als unangenehm laut. So viele Autos und Menschen… Die Wohnung jedoch war ein Traum! Meine Freundin investierte eine Menge Geld und Liebe um es sich schön zu machen. Wir verbrachten viel Zeit miteinander und hatten ordentlich Spaß. So kreuzten sich dann unsere Geschichten und es entstanden neue. Mein Umzug nach Hessen im darauffolgenden Sommer, sollte uns das Zusammentreffen zu so lauschigen Abenden erheblich erschweren. Aber wir genossen was wir hatten und wie sollte es anderes sein, spielte recht schnell ein neuer Mann eine Rolle in Jettes Leben, wenn auch nur eine schlecht besetzte Nebenrolle. Volker. Volker wird heute gern als DER sexuelle Flop schlechthin bezeichnet. Aber er war eben da und meine Süße nicht allein. Irgendwann fand sie sich mit seiner Dummheit, Ignoranz und seinem überschwänglichen Egoismus ab, bzw. sie nahm dies gleichgültig zur Kenntnis. Der Preis den sie dafür zahlte war sehr hoch! Mitte Dezember fuhr sie für zwei Wochen zurück auf die Insel um Weihnachten und Silvester dort zu arbeiten. Grund zum Feiern hatte sie nicht, also warum nicht großzügige Trinkgelder abstauben. Es kam ihr auch ganz gelegen in Bezug auf Volker und so nutzte sie die Chance um ihm zu sagen, dass sie wohl ohne ihn besser dran war. Herzlichen Glückwunsch zu dieser ungeahnten Entschlussfreudigkeit, dachte ich mir und begrüßte daher ihre Entscheidung. Kaum auf der Insel angelangt, scharrte sie liebgewordene Menschen wie Sandy und Antje um sich und ließ ein stückweit Glücklich sein zu. Der Winter auf Helgoland muss schön sein. Sie erzählte von Windstärke 12, einem tiefgrauen Himmel und dem schon fast schwarz wirkendem Meer. Eine Vorstellung die bei mir eher zur alljährlichen „Schlechtwetterdepression“ geführt hätte. Silvester hatte sie allerdings ein ungutes, physisches Gefühl. Sie hatte ständig Rückenschmerzen und das Gefühl zu ersticken. Irgendetwas schien ihr die Luft zum Atmen zu nehmen, aber sie erklärte es mit Stress, viel Arbeit und ignorierte es. Punkt zwölf wurde dann das Feuerwerk eröffnet, welches das Schönste sein musste, das sie je gesehen hatte. Immer noch im Oberland arbeitend, hatte sie einen Panoramablick aufs Feuerwerk, welches von der Düne aus gezündet wurde. Der Anblick nahm ihr dann gänzlich die Fähigkeit zu atmen und unter Tränen wurde sie sich ihrer Einsamkeit bewusst. Hart im Nehmen und ungeschlagen im Verdrängen ging sie einfach wieder an die Arbeit. Am 2.Januar konnte sie nachts nicht schlafen, weil ihr Rücken so sehr schmerzte und sich ein Krampfen im Unterleib dazugesellte. Jette stand auf und legte sich splitternackt auf ihren Fliesenboden und empfand die Kälte für einen Moment angenehm und schmerzstillend. Am nächsten Morgen stand sie auf und füllte sich wie auf Drogen. Sie quälte sich zum Einkaufen und erstand: 1 Zwiebelbrot 2 Pfannkuchen ( Westdeutschen wohl eher als- Berliner- geläufig) 1 Streuselschnecke 1 Glas Nutella 1 Kakaomilch und O-Saft 1 Schwangerschaftstest Letzteres war ein Instinktkauf, über den sie sich vorher keine Gedanken machte, aber sie wusste nur zu genau, dass sie schwanger war. Innerhalb von zehn Minuten aß sie alles, was sie gekauft hatte und legte sich wieder schlafen. Sie wachte am Nachmittag auf und machte sich dann zum Ausgehen fein. Sie war mit ihrer damaligen Restaurantchefin verabredet. Fast schon die Tür am hinter sich zu ziehen , fiel ihr der Test wieder ein und so zwischen Schuhe anziehen und Lidstrich ziehen, pieselte sie kurz auf den Streifen. Schwanger! Kurzerhand packte sie den Test in Papier und nahm ihn mit zum Date. Ohne großartig darüber nachzudenken. Michaela, die Restaurantchefin, wartete bereits auf Jette, welche die Jacke auszog und sich schnell mal eine doppelten Espresso und einen Chivas auf Eis bestellte. Jette begrüßte dann ihre Verabredung, die sie aufgrund der zielsicheren Bestellung, fragend ansah. Als die Getränke kamen, zündete meine nun schwangere Freundin sich eine Zigarette an und legte wortlos den in Papier verpackten Teststreifen auf den Tisch. Ich muss an dieser Stelle erwähnen, das Jette die Spirale schon sehr lange trägt, weil sie auf sämtliche andere Verhütungsmittel allergisch reagiert. Michaela wusste davon und so dauerte es ewig bis sie begriff. Nach einem sieben Gänge Menü und etlichen Drinks stand dann fest, dass sie das Kind von Volker, auf keinen Fall behalten wird. Mich persönlich überraschte diese Entscheidung nicht, sondern vielmehr die Tatsache, dass sie trotz Spirale schwanger wurde. Dem Ganzen folgten dann endlose Gespräche mit Familie und Freunden, die natürlich irgendwie möglich machen wollten, dass sie das Kind behält. Aber ihre Entscheidung stand fest! Für den Eingriff kam sie aufs Festland und beschloss eines Abends, den Volker davon in Kenntnis zu setzen. Spätestens an dem Punkt, als er sie mit „Mörderin meines Kindes“ titulierte bereute sie diese fixe Idee. Alles was jetzt kam und mit dem Eingriff in Verbindung stand, gestaltete sich eher unschön. Jettes Schwester fuhr sie in die Klinik und, für mich gut nachvollziehbar und daher doppelt unverständlich, wurde sie dort wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt. Frauen, die sich gegen ein Kind entscheiden, wird oft vorgeworfen unverantwortlich mit ihrer Sexualität umzugehen und ein Abbruch dient dann gern mal als Verhütungsmethode. Diese Denkstruktur änderte sich auch nicht, als die Ärztin bemerkte, dass Jette sehr wohl verhütet hatte. Im Gegenteil, die Entfernung der Spirale, die dem eigentlichen Abbruch ja voraus gehen musste, wurde extra in Rechnung gestellt. Kein Wort des Trostes und der Anteilnahme. Das macht es wirklich nicht leichter… Der Eingriff verlief nicht unproblematisch und noch Tage später hatte Jette große Schmerzen und konnte kaum laufen. Wem die Problematik vertraut ist weiß, dass dies sehr untypisch ist. Sie blutete stark, aber als man ihr selbst nach Monaten versicherte, das wäre normal, hörte sie auf sich darüber Gedanken zu machen. Heute, also Jahre später, bezeichnet sich meine Jette gern als Großabnehmer bei ´Always´ und ´O.B.´, der zu Recht die goldene Clubkarte zugestanden hätte oder zumindest eine lobende, namentlich Erwähnung in der Jahresabschlussbilanz der Hersteller. Wir trafen uns oft, um zu reden und um die verbleibende Zeit bis März, also bis zum Saisonbeginn, gemeinsam nutzen zu können. Immer wieder versicherte sie mir, das Ganze gut verkraftet zu haben und es machte tatsächlich den Anschein. Ihre körperliche Verfassung machte mir allerdings Sorgen. Jette musste jetzt wohl schon seit Monaten ihre Periode haben und ein Ende schien nicht in Sicht. Kein Ende war auch bezüglich anderer Dinge in Sicht… Es war März und meine Jette verließ ihre kleine, wunderbare Wohnung und ging zurück auf die Insel. Der Kontakt zu Dirk war schon während des Festlandaufenthaltes wieder intensiver geworden und so verbrachten sie gleich Jettes erstes Wochenende auf der Insel gemeinsam. Das Ganze konnte schon im Vorfeld nur neue emotionale Verwicklungen bedeuten. In Telefonaten berichtete mir meine Freundin jedoch von unglaublich schönen Gefühlen und davon wie sehr sie seine Zuneigung aufrichten würde. Im Kopf hatte sie schon die Standard Zukunftsbilder von gemütlichen Abenden vorm Kamin, natürlich im eigenen Haus und seine zwei Kinder an den Wochenenden zu Besuch. Soweit so gut, aber diese Dinge blieben leider nur im Kopf. Gemeinsam darüber geredet haben sie nie. Überhaupt redeten sie nicht viel über sich. Das Ganze zog sich so durch die gesamte Saison und Jette fand einen starken Halt bei Sandy. Sie vertrauten einander und Jeannette sprach davon, wie sie durch Sandy das Wort Freundschaft neu zu definieren begann. Ich möchte sie an dieser Stelle zitieren: „ Freundschaft ist nicht, dem Gegenüber das Leben einfacher zu machen durch Lügen, die die Wahrheit ausschmücken, um niemanden zu verletzen und auch nicht, nur durch eine heile Welt zu gehen und jedes Problem zu ignorieren. Nein, Freundschaft ist, Probleme als Probleme zu sehen und einen gemeinsamen Ausweg zu finden und dies auf ehrliche, offene Art und Weise.“ Jette meint, dass Sandy es mit ihr weiß Gott nicht einfach hatte, aber es letztlich genau diese Macken und Angewohnheiten, die man womöglich zu Beginn noch verteufelt hat, eben ausmachen. Ich war froh, dass die Zwei einander hatten, doch die Medaille hatte auch eine andere Seite. Sandy liebte das überschwängliche Leben, lebte in einer recht glücklichen Beziehung und war sorgenfrei und unbeschwert. Jeden Abend ging sie aus und Jette mit ihr. Sie feierten fleißig und flirteten was das Zeug hielt, aber vor allem tranken sie. Jettes Leben schien Sandys in nichts mehr nachzustehen. Gutes Geld verdienen, Dirk an den Wochenenden sehen, in Sandy eine Ansprechpartnerin für depressive Verstimmungen haben, viele Partys, viel Alkohol. Was Dirk anging, so arbeitete meine Freundin bis in die Nacht, stieg dann zu ihm ins Bett und sie schliefen die ganze Nacht miteinander, bis er morgens wieder an die Arbeit musste. Zeit für beziehungsreflektierende Gespräche blieb da selbstverständlich nicht und so war es nur eine Frage der Zeit, bis Jette unzufrieden wurde. Die Saison war recht schnell vorbei und an extrem „versoffenen“ Abenden nahm meine Jette auch schon mal Irgendwen mit heim. Nicht des Beischlafs wegen, sondern vielmehr auf der Suche nach der Liebe und Nähe, die ihr bei Dirk verloren gegangen war. Jettes Geburtstag stand ins Haus und sie war seltsam aufgeregt. Warum weiß sie bis heute nicht, aber vielleicht weil sie auf etwas Besonderes hoffte. Ein Geschenk von Dirk, mit Liebe ausgesucht und mit einer roten Schleife verziert. Eine Aufmerksamkeit eben und wenn nicht von Dirk, dann von jemand anderem. Hauptsache jemand dachte an sie. Am Morgen des 16.10 war ihr wieder einmal mehr klar, dass ihre Geburtstage wohl bis an ihr Lebensende in mittelschweren Katastrophen enden würden. Dirk rief an und sein besonderes Geschenk war, die Beziehung zu beenden und Sandy übte sich im schwanger sein, was zur Folge hatte, dass ihr nicht nach feiern war. Zudem kam die Fähre an diesem Tag nicht, was bedeutete, dass, sollte ihr jemand eine Glückwunschkarte geschrieben haben, sie sie nicht bekommen würde. Jedenfalls nicht heute. Sie betrank sich und verbrachte den frühen Abend damit, ihrer schwangeren Freundin bei Tee und Kohlrabi Gesellschaft zu leisten. Hurra, what a day?! Später und einen Alkoholpegel höher, hielt sie es nicht mehr aus und ging von Sandy weg ins „Krebs“. Sie wollte sich völlig betäuben mit noch mehr Alkohol und lauter Musik. Das „Krebs“ ist ihres Zeichens Helgolands Diskothek und es war recht voll an diesem Abend, als plötzlich Paolo, der italienische Pizzabäcker, neben Jette stand. Er hatte weitgeöffnete Arme und eine rosarote Wildrose quer im Mund. Man muss hierbei mal einwerfen, welch komisches Bild das wohl ergeben hat. Meine 1.86 große Jette und der kleine Italiener, der scheinbar mit zwölf oder dreizehn einfach aufgehört haben musste zu wachsen. Er reichte ihr gerade mal bis zur Brust, aber trotz allem war er was sie an diesem Abend dringend brauchte. Auf seine italienische Art schien er sehr unterhaltsam. Stunden voller Spaß und mit viel Alkohol vergingen und Jette fand sich schließlich in Paolos Bett wieder. Das Ganze war soweit auch völlig in Ordnung, bis sie das Gefühl hatte, er versuchte seine fehlende Körpergröße durch ein Übermaß an Tempo auszugleichen. Der kleine Italiener erinnerte sie an den Schleudergang ihrer Waschmaschine, was ja durchaus angenehm sein kann, aber irgendwie hatte sie es sich anderes vorgestellt. Er rammelte also weiter fröhlich vor sich hin und fand sich sicher unglaublich gut. Im Nachhinein bezeichnete sie dieses, im wahrsten Sinne des Wortes, aufrüttelnde Erlebnis, als den schlechtesten Sex ihres Lebens gleich nach Volker. Irgendwann schlief er dann nach einem hervorragenden Endspurt ein und meine Süße gratulierte sich feierlich und nahezu zynisch selbst zum Geburtstag. Am nächsten Morgen, war sie sehr froh darüber, dass Paolo schnell ging und auch der Rest dieses Tages verflog rasch. Es blieb natürlich nicht aus, dass Jette dem Pseudo-rassigen Rammler am Abend über den Weg lief. Als hätte sie in der Nacht davor nicht schon genug erduldet, wagte sie einen zweiten Versuch und fand sich selbst fast schon ein wenig verzweifelt, aber alles war besser als alleine sein. Zu ihrer Überraschung war es diesmal besser. Nicht der Sex ihres Lebens aber immerhin eine enorme Steigerung zu der Vorstellung der letzten Nacht. An diese Nacht knüpften sich noch weitere und so überbrückte Jette mit dem kleinen Italiener die noch verbleibende Zeit auf der Insel, bevor sie dann zurück aufs Festland und in ihre knuffige Wohnung kam. Es war Winter und Weihnachten im Kreis der Familie stand bevor. Dieser Festlandaufenthalt und besonders Silvester, sollten meiner Freundin noch lange im Gedächtnis bleiben… Jette genoss das Fest und die Harmonie innerhalb der Familie. Sie hatte sich lange schon nach Geborgenheit und Nähe gesehnt, welche sie nun fand. Jette und ich haben uns ja damals im „Kulturhaus“ an Fasching kennen gelernt und dort feierte sie nun Silvester und schwelgte angesichts der Lokalität, sofort in der Vergangenheit. Zu viele Dinge kamen plötzlich hoch und was sich zu Beginn eher nostalgisch anfühlte, steigerte sich nun langsam und beängstigend zu einer Panikattacke. Sie entschied sich zum besseren Verdrängen für das, was für sie zu einem Allheilmittel geworden war. Sie trank. Zwei Stunden später und noch vor 0:00 Uhr, fand sie sich über einer Kloschüssel wieder und wusste nicht mal genau, wie sie dort hingekommen war. Sie kotzte wortwörtlich alles aus. Es schien kein Ende zu nehmen. Ihre Seele schrie laut auf und zog den Körper in Mitleidenschaft. Das Feuerwerk hörte sie später, während sie im Bett lag und das Gefühl hatte sterben zu müssen. In dieser Nacht, verdrängte sie zum ersten Mal ganz bewusst den Gedanken an den Freitod nicht. Sie ließ es zu und steigerte sich zunehmend in diese Wahnvorstellung. „Dank“ des Alkohols schlief sie über diesem Gedankenkarussell irgendwann ein. Am Neujahrsmorgen erwachte sie durch einen Stich in der Po-Region und nahm nur nebenbei einen Arzt wahr, der sie aufgrund ihrer Alkoholvergiftung behandelte. Aber noch etwas nahm sie wahr. Ein furchtbares Gefühl machte sich in Kopf und Körper breit. Sie war einsam. Sie war des Lebens müde geworden. Keine Lust mehr zu atmen, keine Lust aufzustehen. Wofür das alles noch, fragte sie sich und überlegte ernsthaft, auf welche Art und Weise sie möglichst schnell ihrem Leben ein Ende bereiten könne…Tabletten…mit dem Auto gegen den Baum oder auf der Insel einfach ins Wasser gehen. Während dieser völlig apathischen Phase kündigte Jette ihre Traumwohnung, verstaute ihr Hab und Gut bei ihrer Schwester und fuhr zurück auf die Insel. Noch immer gelähmt durch den Gedanken an den Tod, schien die Insel diesmal ein Licht am Ende des Tunnels zu sein. Zumindest vorerst. Meine Freundin übernahm die Leitung eines Restaurants und arbeitete Seite an Seite mit Stefan, der ihr schon in der Saison davor, ein lieber Freund geworden war. Sie sublimierte ihr Leid vollständig und stürzte sich in die Arbeit. Es erweckte ihre schlafenden Lebensgeister, soviel Verantwortung zu tragen. Schließlich tat sie jetzt endlich, was sie gelernt hatte und was sie konnte und liebte. Langsam lernte sie wieder zu lachen und zu leben und Stefan war daran nicht schuldlos. Eines Tages, beim Besteck polieren, machte er ihr eine Liebeserklärung und versicherte ihr, seine Frau und seine Tochter zu verlassen, welche auch auf der Insel lebten. Oh man, als sie mir davon erzählte, war ich satt. Schon wieder so ein Typ mit Familie. Scheinbar hatte die Sache mit Dirk nicht weh genug getan. Aber was will man einer Frau, die es so sehr nach Liebe dürstet schon groß erzählen. Zum einen Ohr rein und zum nächsten wieder raus. Sie war nicht verliebt in Stefan, sondern in den Gedanken geliebt zu werden. Natürlich ließ sie sich ganz auf ihn ein, obwohl ihr Verstand Alarm schlug. Man stelle sich meine süße Jeannette mal so vor: eine sehr modebewusste Frau mit Hang zu geschmacklichen Entgleisungen, in denen sie jedoch fabelhaft aussieht. Wie jede Frau besitzt auch sie einen Schrank voller Nichts, der zu platzen droht. Jette ist sehr eigen mit ihren Klamotten und da muss auch schon mal alles Rote links neben allem Gelben rechts hängen und sehr zentriert die ca. 1000 Paar Schuhe. Vielleicht wird jetzt klar, dass es für sie ein enormer Schritt war, für Stefan eine Schublade in ihrem Schrank frei zu machen, als er zu ihr zog, nach nur drei Wochen. Nur um nicht wieder einsam zu sein, hätte sie vermutlich alles getan, weil es so weit ging, dass seine von ihr zusammen gelegten Shorts, im selben Fach wie ihre sündhaft teuren Dessous liegen durften! Und damit nicht genug. Die Frau mutierte zur bundesdeutschen Hausfrau und nähte fehlende Hemdknöpfe an, bügelte Bundfaltenhosen und ordnete das Ganze dann in ihren Schrank ein. Entschuldigung- sie räumte seine Klamotten in den nunmehr GEMEINSAMEN Schrank ein. Ziemlich stolz und zunehmend verliebter, arrangierte sie sich sehr dekorativ und mit feiner Wäsche aus der gemeinsamen Unterwäscheschublade, auf dem Bett und wartete ein Buch lesend auf den neuen Mann in ihrem Leben. Als Stefan dann erschien, setzte er sich neben sie auf Bett und eröffnete das Gespräch mit: „Wir müssen mal reden!“ Jackpot!!! Er kam sehr schnell und direkt zur Sache und erzählte etwas von einem eigenen Zimmer und davon, dass er die Beziehung beenden will, weil er sie zu sehr mag. Bitte??? Sie war sich nicht sicher ob sie gleich oder erst nachdem er gegangen war, in Ohnmacht fallen wollte und entschiede sich dann doch für einen hysterischen Anfall, während er mit Tränen im Gesicht die schön gebügelten und Ecke auf Kante einsortierten Sachen zusammenpackte und sie verließ. Jette war regungslos und verstand die Welt nicht mehr. Morgens als er ging war doch noch alles in Ordnung. Sie war in Ordnung, doch was blieb war wieder dieses beklemmende Gefühl von Einsamkeit in ihr. Jette hatte Angst vor sich selbst und davor, wohin ihre Verzweiflung sie noch treiben würde.  Über all dies hielt sie mich via Telefon und Briefen auf dem Laufenden, doch ich war ähnlich gelähmt wie sie. Gelähmt, weil ich nicht helfen konnte. Ich konnte nur zuhören, aber ihr auch nicht wirklich geben was sie brauchte. Die Liebe und Nähe einer Partnerschaft. Wenn ich allerdings zu dem Zeitpunkt schon gewusst hätte, was noch so alles auf meine Freundin und damit indirekt auf mich zukommen würde, hätte ich alles bis dahin geschehene belächelt! Im weiteren Verlauf der Saison, folgten eine Aussprache zwischen Stefan und Jette, ein paar nette Nächte mit Dirk und sich daraus ergebende freundschaftliche Beziehungen zu beiden Männern. Was noch folgte, ist wohl ein Schlüsselerlebnis. Linda kam in Jettes Leben und veränderte alles. Linda war die kleine, süße Maus drüben vom Inselimbiss. Jette nahm sie zur Kenntnis, aber dachte nicht über sie nach. Eines Abends, als mal wieder feiern angesagt war, ging meine Freundin mit ihrer Clique ins „Krebs“. Sie hatte sich wieder ein wenig gefangen, oder erweckte es nur den Anschein und eigentlich hatte der Alkohol sie gefangen? Ich kann es nicht richtig beurteilen. Das „Krebs“ ist nur ca. 30qm groß und wenn dort zwei unterschiedliche Cliquen zusammentreffen, ist der Laden gerammelt voll. Jeder kannte jeden. Zumindest vom Sehen her. Linda war auch da und an diesem Abend nahm Jette sich Zeit für gezielte Beobachtung. Es war immer gut neue Leute kennenzulernen und Linda schien interessant. Sie wirkte leicht burschikos, war nicht besonders groß und ihr Klamottenstil war eher alternativ. Jeannette hatte erfahren, dass Linda lesbisch ist und je mehr sie trank, umso mehr gefiel ihr diese Vorstellung. Sie weiß folgendes heute noch nicht zu erklären, aber sie ging auf einmal direkt auf die fremde Frau zu, die mit dem Rücken zu ihr saß und umarmte sie von hinten. Einfach so. Das muss man sich mal bitte vorstellen. Nicht, weil es ein komisches Bild der Größenunterschiede gegeben hätte, wie damals mit dem kleinen Italiener, sondern vielmehr, weil zwei völlig fremde Frauen plötzlich anfingen sich zu küssen. Die Lesbe und die dauerdepressive Hetero-Jette. Wäre ja zu gern dabei gewesen. Es muss ein ganz zauberhaft-ausgelassener Abend gewesen sein und die zwei für einander Fremden amüsierten sich prächtig. Sie amüsierten sich so lange, bis alle anderen gegangen waren und sie sich plötzlich auf der Tanzfläche wiederfanden. Aber die Zwei tanzten nicht, sondern meine Freundin stand mit dem Rücken an einer komplett verspiegelten Wand, hatte die Hände weit und genüsslich von sich gestreckt und ihre brandneue Gespielin liebkoste ihren gesamten Körper. Jette fühlte einen Lavastrom durch sich fließen und gab sich Linda völlig hin. Sie hatte nur noch das dringende Bedürfnis mit ihr zu schlafen um sie ganz zu spüren. In kleinster Weise verschwendete sie auch nur einen Gedanken daran, dass ihr nie zuvor eine Frau Lust verschaffte. Jette wollte nur noch eine schnelle Entladung der extrem hohen, sexuellen Spannung die zwischen den beiden herrscht und nahm Linda mit heim. Nachdem sie dann zu allem Übel auch noch durchs Fenster steigen mussten, weil Jette den Schlüssel vergessen hatte, hatten die Zwei die Nacht der Nächte. Zumindest aus Sicht meiner Freundin. Es war wohl bemerkt tatsächlich ihr erster gleichgeschlechtlicher Sex und sie beschreibt ihn als grandios und überhaupt nicht befremdlich. Im Gegenteil, von Beginn an übernahm sie gern auch den aktiven Teil, obwohl dies oft anders läuft, wenn „Profi“ und „Anfänger“ aufeinandertreffen. Alles in allem war es also umwerfend und so überhaupt nicht kopflastig. Jette fühlt etwas lange nicht da Gewesenes. Glück! Am Nächsten Morgen ging dann alles sehr hektisch und weniger großartig zu. Die beiden hatten sich die gesamte verbleibende Nacht über geliebt und dann in Anbetracht des immer noch vorhandenen Alkoholpegels       verschlafen… Das meine lieben Leser, war der Anfang vom Ende. Es ist einfach unmöglich zu beschreiben, was sich zwischen den beiden noch so alles abgespielt hat. Es muss nun auch schon vier fünf Jahre her sein, aber wenn Sie bei Volker, Dirk und Co. schon dachten: “Die Arme…!“, dann würden Sie jetzt ähnlich wie ich, auch sprachlos sein. Es entwickelte sich tatsächlich eine Art Beziehung die aber phasenweise so leid und schmerzvoll war, das es alle Dimensionen sprengt. Jette mutierte zu Lindas Schatten und machte sich emotional abhängig von den Launen dieser Frau. Linda selbst, unfähig zu vertrauen und zu lieben, ist zudem auch noch ein Eremit, der nichts zum Leben braucht, schon gar nicht andere Menschen. In Millionen von Telefonaten war ich genervt und fassungslos zugleich, weil ich immer und immer wieder dieselben Ratschläge gab, sie bat die Insel zu verlassen um frei im Kopf auf dem Festland neu anzufangen. Aber stattdessen wurde es von Jahr zu Jahr schlimmer und ich fragte mich, was Linda meiner Freundin noch alles antun müsse, damit diese mal die Notbremse zog. Sie wusste genau was sie meiner Freundin bedeutete und doch trampelte Linda auf Jettes Gefühlen herum. Sie küsste andere Frauen und besaß nicht mal so viel Feingefühl es heimlich oder wenigstens nicht vor den Augen meiner Freundin zu tun Ich begann Linda zu hassen, für all diesen Schmerz den Jette ertrug und ich zu lindern versuchte. Am Telefon! Und um jetzt geschickt die Überleitung zu kriegen, knüpfe ich an, wo ich vor zig Seiten aufhörte.

Mein Helgoland

Jette ging es schlecht wie nie. Sie hatte ihren Leidenszenit erreicht und ich kam auf die wahnwitzige Idee sie gemeinsam mit meinem neuen Freund, Fabian dem Anwalt, zu überraschen. Exakt vor einem Jahr am 16.10 hatte Linda Jette verlassen. Ja, ganz recht. An deren Geburtstag, nachdem sie sich nach vier Jahren Kampf endlich dazu durchrang eine Beziehung mit Jeannette führen zu wollen, die sage und schreibe eine ganze Woche dauerte. Der Anwalt, war von meiner Idee begeistert und ich beeindruckt von seiner Spontanität. Er gefiel mir immer besser. Gesagt, getan. Fuhr Donnerstag nach Hannover und von dort fuhren wir gemeinsam am Samstagmorgen nach Cuxhaven um von dort auf die Insel zu kommen. Es war wohlgemerkt unser zweites gemeinsames Wochenende aber irgendwie hatte ich meine rosarote Brille vergessen. Mag an Max gelegen haben und daran dass ich das perfekte-Welle-Gefühl schon zu sehr verinnerlicht hatte. Fabian war toll und trug mich auf Händen. Ich genoss das sehr aber irgendwas in mir versperrte ihm die Tür zu meinem Herzen. Ich fühlte mich wohl bei ihm, keine Frage und grundsätzlich war es nicht das schlimmste mit einem erfolgreichen, gutaussehenden und sehr lieben Anwalt zusammen zu sein, wenn da nicht das kleine Wörtchen aber wäre… Seine Wohnung strahlte irgendwie was Negatives aus und vor allem war sie nicht richtig sauber. Aufgeräumt zwar aber chronisch ungeputzt. Nun gut, der Mann arbeitet 12 Stunden am Tag und am Wochenende verbrachten wir unsere Zeit zusammen. Sah darüber hinweg. Auf der Insel gestrandet, suchten wir das Restaurant wo Jette arbeitete. Dort angekommen war sie nicht da. Ihre Kollegin, die süße Antje, von der ich schon viel Gutes gehört hatte wusste, warum auch immer, wer ich war und setzte sofort alle Hebel in Bewegung um Jette zurück ins Restaurant zu holen. Sie war knapp vor unserem Ankommen in die Mittagspause gegangen. Als meine Süße dann reinkam und mich sah, brach sie sofort in Tränen aus und fiel mir in die Arme. Das tat ja so gut. Hatten uns so lange nicht gesehen und immer nur am Telefon versucht den anderen in seinem Kummer aufzufangen. Ich wusste aus einem Telefonat, dass meine Freundin aus verständlichen Gründen beschlossen hatte nie mehr wieder ihren Geburtstag zu feiern und sie so weinend im Arm zu halten, ließ mich das Leid der letzten Jahre nun hautnah nachempfinden. Jette und Fabian verstanden sich auf Anhieb, was mir gut gefiel. Immerhin kenne ich sie seit 15 Jahren und ein positives Feedback von ihr bedeutete mir sehr viel, zumal ich Zuspruch aufgrund innerer Zerrissenheit gut gebrauchen konnte. Wir trennten uns dann für wenige Stunden da sie arbeiten musste. Zurück im Hotelzimmer war ich noch nachhaltig beeindruckt von diesem emotional geladenen Wiedersehen und der Anwalt hatte nichts bessere zu tun als mich vernaschen zu wollen. War dezent angenervt, zumal mir eher nach reden oder ner Stunde Schlaf der Kopf stand. Am Abend lud meine großartige Freundin zum Essen ein und wir wollten im Anschluss an ihren Dienst im „Krebs“ mal ordentlich auf sie anstoßen. War ja so gespannt auf Helgolands „Großraumdisko“, von der ich schon tausende Male gehört hatte. Gegen halb eins in der Frühe und schon gut angetrunken zogen wir los. Das war also das „Krebs“. Tatsächlich höchstens 30qm mit winziger Tanzfläche und zuckersüß! War so unbeschreiblich glücklich an dem Abend. Hatte meine Seelenverwandte dabei und den Anwalt, der bestens gelaunt war. Schon als wir den Laden betraten, fiel mir auf, was mir besser hätte verborgen bleiben sollen. Ein Mann! Hallo?! Was ist mit mir überhaupt los, dachte ich mir, aber er sah einfach viel zu gut aus um ihn zu ignorieren. Also flirteten wir. Der Anwalt war mit trinken beschäftigt und wollte laufend mit mir tanzen. Komisch, dass ich so gar keinen Bock darauf hatte. Mag an seinem Tanzstil gelegen haben oder auch an dem tollen Mann am Tisch gegenüber. Dreister Weise kam dieser dann zu mir und flüsterte mir im Beisein des Mannes mit dem ich zwei Wochen zusammen war ins Ohr, dass er es zu tiefst bedauere, dass ich nicht allein wäre. Als ich mich sagen hörte, dass ich dies ebenfalls bedaure stand für mich fest, dass ich nicht verliebt sein konnte. Aus anderen Beziehungen weiß ich zudem, dass für Monate selbst der Klassiker Brad Pitt vergeblich um meine Hand anhalten könnte. Verliebt ist eben verliebt und da sehe ich für gewöhnlich niemand anderen als nur den Einen dem mein Herz gehört. Irgendwas lief schief… Wir tanzten, wir tranken, wir feierten die ganze Nacht und jeder zweite Blick galt dem schönen Fremden, den meine Jette leider nicht kannte, was hieß, dass auch er Urlaub machte. Zu späterer Stunde dann fing er mich ab als ich von der Toilette kam und wollte meine Nummer. Da Fabian dies Szenario genauestens im Blick hatte, verwies ich den Fremden an Jette und die wiederum wies ich an, ihm meine Nummer zu geben. Das Ganze klappte auch und so hatte ich es tatsächlich getan. Ich erschreckte mich vor mir aber auch vor der Tatsache das Mr. Perfekt aus Hannover zwar perfekt sein mochte, aber allem Anschein nach wohl nicht für mich. Als wir völlig betrunken im Bett lagen, war ich sehr froh dass wir nicht miteinander schliefen. Zuviel Durcheinander im Kopf. Zweifelte, wie so oft, an der Fähigkeit lieben zu können. Am nächsten Morgen erwartete mich ein grausiges Spiegelbild und ne durchwachsene Depression. Eine Mischung aus Kater, allgemeinem Weltschmerz und Selbstzweifeln. Waren mit Jette, die im Übrigen nicht viel besser aussah aber sich vermutlich besser fühlte, zum Frühstücken verabredet. Auf dem Weg vom Unter ins Oberland hat man auf der Insel zwei Möglichkeiten. Den Fahrstuhl oder eine nie enden wollende Treppe. Nahmen die Treppe und wie sollte es auch anders sein, wir liefen dem Fremden in die Arme. Zuckersüß lächelnd grüßte er und ich versuchte Haltung zu bewahren. Immerhin war er im Besitz meiner Telefonnummer, was Fabian nicht auch nur annähernd ahnte. Als dieser dann während des gemeinsamen Frühstücks mit Jette, auf die Toilette ging nutzten wir die wenigen Minuten für ein Brainstorming bezüglich der letzten Nacht. Meine Zweifel an dieser Beziehung blieben ihr nicht verborgen zumal sie mir nahezu auf der Stirn standen. Aber Jette beruhigte mich mit den Worten dass ja nichts passiert sei und ich auf evtl. Anrufe vom Fremden ja nicht reagieren müsse. Aber es half nichts, meine Stimmung war im Keller und ich war sehr froh dies auf den Kater schieben zu können. Jeannette schien es emotional etwas besser zu gehen. Wir redeten nicht viel über Linda sondern versuchten unsere wenigen gemeinsamen Stunden mal nicht mit Problemdebatten zu füllen. Fuhren schon am selben Tag zurück aufs Festland und noch während der Überfahrt kam die erste SMS von Alex, dem Ornithologen. Ich kann heute nichts mehr über den Inhalt dessen was wir schrieben sagen, aber ich sehe mich noch immer in Fabians Armen liegen während ich fröhlich mit Alex am Texten war. Warum passiert mir das? War doch wirklich bemüht mich auf den Anwalt einlassen zu können und dann so was. Es hat nichts bedeutet aber war für mich ein sicheres Zeichen dafür, dass ich nicht verliebt war. Dabei war Fabian ein wirklich toller Mann der mich mit Liebe überschüttete. Das alles quälte mich so sehr dass ich dem Anwalt auf der Rückfahrt von Cuxhaven nach Hannover mal etwas über mich erzählte, was er ganz sicher nicht hätte hören wollen, mir aber doch sehr auf der Seele brannte. Erzählte ihm, dass er grundsätzlich alles verkörpere was ich immer gesucht habe und doch unter bestimmten Beziehungsmustern leide. Ich sagte ihm, dass ich schon oft untreu war. Nicht aus Langeweile, sondern immer dann wenn mir in Beziehungen etwas fehlte. Klingt abgedroschen, aber ist nun mal so. Ich sprach davon, dass ich hoffe bei ihm angekommen zu sein und dass ich gesagtes unbedingt loswerden musste damit er für sich entscheiden kann, ob er sich auf so eine Frau auch wirklich einlassen will. Habe riskiert, dass er beendet was wir hatten noch bevor es richtig begann. Aber das tat er nicht. Er sah in mir etwas was ihn vervollständigt. Von dem Moment an beschloss ich mich nun richtig öffnen zu wollen und dem Ganzen wirklich eine Chance zu geben. Ich fühlte mich besser und er sich so richtig schlecht. Möchte an dieser Stelle erwähnen, dass mir durchaus bewusst ist, was ich ihm für eine Last auferlegte, aber es ging nicht anders. Wäre sonst erstickt. Von Max und Alex jedoch kein Wort. Zurück in Hannover und Wochen später machten wir dann Nägel mit Köpfen. Meinerseits auch um dem Anwalt zu zeigen dass es mir wirklich ernst ist. Was ich dabei fühlte verdrängte ich einfach. Ich kündigte meine Wohnung, bewarb mich auf einen Studienplatz in Hannover und hatte vor zu Fabian zu ziehen. Auch wenn ich mir etwas vormachen konnte, meiner Schwester Inga konnte ich das nicht. Sie mochte ihn nicht. Von der ersten Sekunde an nicht. Warum konnte sie nicht verbalisieren. Der Anwalt und ich sahen uns nicht mehr jedes Wochenende, weil ich mir das nicht leisten konnte und er sich komischer Weise auch nicht. Meine Schwester stempelte ihn als Blender ab und ich nahm ihn, wie es sich für eine gute Freundin gehört, natürlich in Schutz. Er hatte Kredite aus missglückter Selbstständigkeit abzubezahlen was sich nicht so richtig damit deckte, dass er schon um die halbe Welt gereist war. Aber egal, ich musste weg aus Wetzlar. So sehr ich es auch liebte, aber ich wollte immer studieren was mir bis dato nicht gelang und Fabian war meine perfekte Welle, die mich in was völlig Neues spült. So sah ich ihn und ihn so zu sehen, war nun auch für meine Schwester in Ordnung. Konnte auch nicht länger mit Max in einer Stadt leben. So nah und doch so fern. Er war wieder zunehmend mein erster und letzter Gedanke geworden und ich konnte nichts dagegen tun. Von Alex las ich ab und an eine Sms oder eine e-Mail, aber alles sehr oberflächlich und stark sexualisiert. Um ein Treffen drückte ich mich immerhin hatte er auch eine Beziehung. Das erste Mal richtig schlucken musste ich, als ich Fabian bat etwas von meinen geistigen Ergüssen zu lesen. Er stellte sich immer als sehr literaturinteressiert dar und mir als Schreiberling kam da jemand Kompetentes zum Einschätzen dessen was ich da so schreibe sehr gelegen. Aber er las es nicht. Vielmehr nicht wirklich und er bezeichnete es lediglich als chronologische Aufzählung meiner Exbeziehungen. Das traf mich mitten ins Herz. Wollte keine inhaltlichen Debatten sondern vielmehr eine stilistische Diskussion. Immerhin sind die Dinge über die ich zu schreiben pflege sehr persönlich und natürlich geht es auch um Menschen die mir mal sehr am Herzen lagen bzw. liegen. Die Liebe ist doch ein großer Bestandteil im Leben von uns allen und gesammelte Erfahrungen haben uns geformt und zu dem gemacht was wir heute sind. Meine Texte sind also ICH und er war daran nicht interessiert. Er war an mir und meiner Geschichte nicht interessiert. Fabian war eifersüchtig auf das Leben das ich vor ihm hatte und er strafte mich dafür mit Liebesentzug. Ich musste alle Fotos auf denen andere Männer waren aus meiner Wohnung verschwinden lassen. Ich muss dazu sagen, dass es oftmals auch einfach nur Freunde waren oder Bekannte und natürlich auch Frauen. Aber es war Vergangenheit und die musste weg! Ich hingegen hörte mir brav die Anekdoten seiner gescheiterten Beziehungen an und es machte mir auch nichts aus zu wissen, dass er mit wirklich vielen Frauen geschlafen hatte. Dass ich nicht eifersüchtig war, zeigte mir wieder einmal mehr, dass diese Beziehung nicht gesund war. Er machte es mir allerdings aufgrund seiner eigenartigen Ansprüche auch sehr schwer ihn zu lieben. Um nur ein Beispiel zu nennen: Der Anwalt hatte einen Bekannten mit dem er vor unserer Zeit jedes Wochenende im Steintorviertel feierte. Wir trafen uns nur einmal und da hat der Gute mir wohl zu tief in den Ausschnitt geschaut, was für Fabian Anlass genug war, den Kontakt zu diesem Freund abzubrechen. Im Nachhinein betrachtet finde ich das doch sehr grenzwertig. Die beiden haben sich ohne Witz nie wieder gesehen! Ähnliches erwartete er dann auch von mir. Aber da meine Freunde mein Heiligstes sind, konnte ich diesem Wunsch nicht nachkommen.

Zurück im Poco

Es war zwischen Weihnachten und Jahreswechsel, als wir zusammen ins „Poco“ fuhren. Mein Max-Laden. Da ich Fabian Max bislang als guten Freund verkauft habe, war dieser zur Abwechslung mal nicht eifersüchtig. Wir fuhren mit Sebastian, meinem besten Freund dorthin. Basti war auch geduldet und auf diesen ließ ich auch nichts kommen. Der Anwalt mochte ihn sogar. Ich hatte an dem Abend also Gelegenheit um mal wieder ausführlich mit Max zu reden während Basti und Fabian sich unterhielten. Als ich nach meinem Max-Gespräch zurück zu den Jungs kam, war die Stimmung eisig. Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich liebte das „Poco“ so sehr und war seit ich Fabian kannte nicht mehr dort. Habe mich so sehr darauf gefreut aber es ging eben nicht ohne Grundsatzdiskussionen. Wollte wissen was los ist und Fabian erwiderte, dass wir zu Hause darüber reden sollten. Kam mir vor wie ein Schulmädchen dem der Mund verboten wird. Aber plötzlich wollte er es doch gleich klären und so gingen wir raus. Ich bauchfrei, draußen Winter! Tja und sein Problem war, dass mein süß-naiver bester Freund ihm erzählt hatte, dass wir mal geknutscht haben. Wohlgemerkt vor 5 Jahren! Ich musste mir anhören, dass es wohl keinen Mann in meinem Leben gäbe mit dem ich nicht schon mal was gehabt hätte. Und das vom eigenen Freund zu hören ist hart. Der Sebastian war am Boden zerstört als er merkte was genau er da ausgelöst hatte, aber ich beruhigte ihn. Es war nur ein Kuss und wir waren wie gesagt noch Kinder…quasi. Ist ja auch egal. Also ich meine das geht Fabian auch nichts an und wichtig ist doch, was jetzt und hier passiert. Auch Max blieb diese Szene nicht verborgen und es war nur peinlich. Egal was ich sagte, es kam bei Fabian nicht an. Das Ende vom Lied war, dass mein nächster Morgen mit einer Blasenentzündung und einem mauligen Freund begann der abreisen wollte. Feierten Weihnachten mit meinen Eltern bei meiner Schwester in Frankfurt und um ihr nicht recht zu geben und um den Schein zu wahren tat ich nun alles damit er nicht zurück nach Hannover fährt. Habe in dem Moment meine Seele verkauft. Habe mich verkauft. Er ist geblieben. Der Rest des Jahres und wir sprechen hier von exakt drei Tagen verlief ruhig. Das neue Jahr begann in meinem Sinne. Ich bekam die Zulassung zum Studium und ein Stein fiel mir vom Herzen. Mir war nun klar dass es kein Zurück mehr gab und dass ich zukünftig in Hannover leben werde. Trotz Erleichterung blutete mir das Herz. Wollte ich das wirklich? Studieren wollte ich, soviel war sicher. Max, unsere Stadt und unsere Geschichte einfach zurücklassen? Menschen, ohne die zu leben ich mir nicht vorstellen konnte, zurücklassen? Aber welche Wahl hatte ich schon groß… Es verging wenig Zeit in der Fabian und ich nicht stritten, aber ich bewahrte Haltung. Als ich meine Seele verkauft hatte, begann eine Abhängigkeit. Eine Abhängigkeit von jemandem der so instabil und chronisch pleite war. Hatte bis zum Studienbeginn kein Einkommen, aber der Anwalt behauptete ganz großspurig dass wir das schon schaffen würden. Und so sprang ich ins kalte Wasser. Ich plante meinen Umzug für Mitte Februar. Die Zeit bis dahin war ein emotionaler Drahtseilakt. Max wollte mich sehen und ich ließ es nicht zu, meinte, dass es alles nur noch schlimmer machen würde. Er war einfach überall. In jeder Straße, in jedem Lied das im Radio lief und in jedem Herzschlag. Ich war so zerrissen und so traurig, weil zwei Menschen die sich lieben, sich für ein Leben mit einem anderen Menschen entschieden haben. Wie in dem Lied mit den zwei Königskindern, die nicht zu einander finden konnten und doch wollten… Sollte ich also tatsächlich mit dieser Last auf meinen Schultern ein neues Leben beginnen?  Einen Tag vor meinem Umzug ging es einfach nicht mehr anders. Ich musste Max sehen. Hatten kleine Geschenke für einander und wollten wie Erwachsene Abschied nehmen. Davon wie es mit Fabian war wusste er nichts. Kaum jemand wusste davon. Nur Menschen die mich nicht davon abhalten würden es trotzdem durchzuziehen. Und dann trafen wir uns… Es war die Hölle. Wir sahen uns einfach nur an und hielten uns an den Händen. Es schien ihm egal zu sein ob uns jemand sehen könnte und so kam es dann dass wir uns auf offener Straße küssten und einen filmreifen Abschied aufs Parkett legten. Als ich Tränen in mir aufsteigen spürte sagte ich leb wohl, drehte mich um und ging. Mein Herz habe ich bei ihm gelassen, zumal ich mir sicher war es nie wieder gebrauchen zu können. Am nächsten Morgen kam der Anwalt und nahm mich mit. Ich habe auf dem Weg nach Hannover 320km nur geheult. Fabian, im Auto vor mir, weiß dies bis heute nicht und er hat mich auch nie gefragt. Es war ihm egal wie ich mich fühle, Hauptsache ich war nun bei ihm. Das war so ein schlimmer Schmerz, dass mir bis heute die Worte fehlen um dies zu beschreiben. Ließ mein Leben zurück…  Das Studium begann erst Mitte April und so hatte ich genug Zeit um mich einzugewöhnen. Verbrachte diese Zeit mit putzen, kochen, einkaufen und depressiv verstimmt sein. Der vielbeschäftigte Anwalt kam immer erst spät nach Hause und war dann damit beschäftigt mir von seinen Gerichtssaaltriumphen zu erzählen. Ich ertrug geduldig. Machte vieles von dem auch sehr gern, aber etwas Anerkennung wäre schön gewesen. Aber ganz im Gegenteil, es war für ihn selbstverständlich geworden. Ich gehörte nun zur Einrichtung. Abgemacht war, dass ich mir sobald ich BAföG beziehe, eine eigene Wohnung suchte. Aber davon wollte er nichts mehr hören, wo doch seiner Meinung nach alles so wunderbar funktionierte. Wann immer es mir schlecht ging, weil ich so verloren und allein in dieser hässlichen Großstadt war, schrieb ich meinem Max. Das war mein Balsam, mein Über-Lebenselixier. Wir schrieben uns Liebesbriefe, schickten uns Musik und schufen uns unsere eigene Welt. Und so funktionierte es tatsächlich ganz gut bis zu dem Zeitpunkt da ich zwischen den Zeilen etwas las. Ich konnte es nicht benennen, aber irgendwas war anders. Max schrieb anders. Nicht weniger lieb aber dezent verhalten. Ich fragte ihn ob alles in Ordnung wäre und dass ich so ein komisches Gefühl habe. An diesem Tag antwortete er nicht darauf, bis ich mitten in der Nacht eine Nachricht kommen hörte. Ich lag allerdings im Bett und mein Handy im Wohnzimmer. Stand nicht mehr auf, sondern las sie am nächsten Morgen. Meine Welt lag in Scherben. Es traf mich wie ein Blitz und ich konnte nicht mehr atmen vor Schmerz. Jeder einzelne Buchstabe dieser Nachricht brannte sich tief in Hirn und Herz. Seine Freundin erwartete ein Kind! Das Kind das ich gern bekommen hätte. Ich musste tief Luft holen um die bevorstehende Ohnmacht die langsam an meinen Beinen hochkroch zu unterbinden. Fabian legte in seiner Sonntagmorgenlaune David Gray auf, eine CD die mir Max zuvor geschickt und ich höre mich noch immer brüllen, er solle sie ausmachen. Ich musste mich sammeln, aber wie sollte ich? Wenn es noch Hoffnung auf ein Leben mit Max gab, dann war soeben auch diese, letzte Hoffnung gestorben. Ich kann einer Frau den Mann nehmen, so er will, aber nicht einem Kind seinen Vater. Heute, im Nachhinein, frage ich mich woher ich die Kraft nahm, dies zu überleben. Die große Liebe meines Lebens schien mir vor der Nase wegzufahren wie ein Bus, dessen Tür man noch berührt, der aber nicht mehr öffnet. Was war mir jetzt noch geblieben? Eine Beziehung die nicht funktionierte in einer Stadt die ich hasste… Ich musste nun alles daran setzen zu überleben. Ich zwang mich dazu den Anwalt zu lieben. Fabian und ich unternahmen viel und hatten vor allem viel Sex. Das heißt er hatte Sex, ich war nur dabei. Allerdings waren wir nie und wirklich zu keinem Zeitpunkt dieser Beziehung ein typisches verliebtes Paar. Er nahm mich nie einfach mal in den Arm und er streichelte nie mein Gesicht, dabei liebe ich das über alles. Haben zwar oft darüber gesprochen, aber die nachhaltige Wirkung war nie von langer Dauer. Am Ende eines jeden Streits war er das Opfer und ich an allem Schuld. Ihm von meiner Untreue erzählt zu haben war immer wieder der Ursprung allen Übels. Ich konnte es nicht mehr hören, es stand mir bis ganz oben. Immer wieder habe ich ihn gebeten die Beziehung zu beenden, wenn er nicht endlich damit abschließen könne. Das wiederum wollte er nie. Also, die Beziehung beenden meine ich. Und ich konnte nicht. Wo sollte ich hin? Das Studium hatte ja noch nicht mal begonnen. Ich redete mir ein, dass mit Studienbeginn alles entspannter werden wird und ich nur meine Unzufriedenheit auf diese Beziehung projiziere. Meine Schwester widerlegte diese, meine Theorie immer wieder mit Bestimmtheit. Und so begann mein Studium und ich wurde zusehends gelöster. Ich lernte absolut tolle Menschen kennen und hatte nun wieder mehr vom Leben als für den Anwalt zu putzen oder depressiv aus dem Fenster auf den Kantplatz zu schauen. Ich saugte alles Neue begierig in mich auf und fand die Stadt auch nur noch halb so schlimm. Meist gut gelaunt kam ich nach Hause um mich sofort an den Schreibtisch zu setzen. Brauchte so dringend geistigen Input und den bekam ich auch. Bereits nach drei Wochen machte ich meinen ersten Schein in einem Blockseminar und war so unsagbar stolz auf mich. Wer nicht stolz war, war Fabian. Er nahm es gerade mal zur Kenntnis als er mich am Samstagabend von der Uni abholte. Sehr beschäftigt wirkend blätterte er in der Akte eines Mandanten und verzog nicht eine Miene, als ich vor Glück fast platzend ins Auto stieg. Ich ignorierte und verstand es als Teil eines Planes in dem als nächstes sicher ein Überraschungscandlelightdinner vorgesehen war. Stattdessen fuhren wir in den Supermarkt, weil Mr. Oberwichtig es nicht geschafft hatte zwischen morgens acht Uhr und abends sechs Uhr einzukaufen. So langsam aber sicher wuchs mir ein riesiger Kloß im Hals heran. Da also der Kühlschrank wohl noch immer gähnend leer sein musste, zerplatzte der kleine Traum vom Candlelightdinner. Daheim angekommen sah ich mich nah am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Nichts, aber auch gar nichts hatte er gemacht. Nicht aufgeräumt, nicht geputzt, nicht gespült…nichts eben. Jetzt noch Haltung zu bewahren fiel mir sehr schwer. Nebenbei bekam ich zig SMSen von Menschen, die nach meinem bestandenen oder nicht bestandenen Leistungsnachweis fragten. Jeder auf dieser Welt interessierte sich mehr für mich als der Mann, der behauptete mich zu lieben. Wo war er hin der „Buchmessenzauber“? Dieser Mann war ein Stimmungsfaschist und heute denke ich, dass es einfach nur Missgunst war. Mein Max überschüttete mich natürlich mit Glückwünschen, fast so als hätte ich mein Diplom bekommen. Aber er war da. Wenn auch nur auf meinem Handydisplay, war er mir doch näher als der Mann der nachts neben mir einschlief. Ich hatte trotz Verkündung der bevorstehenden Vaterfreuden mal wieder nicht den Absprung geschafft. Max hatte einen lebenslangen Mietvertrag mit meinem Herzen geschlossen und machte keine Anstalten diesen von selbst zu kündigen. Wir brauchten einander und unsere kleine Welt. Die Situation zwischen ihm und seiner Freundin war noch immer gespannt, denn eigentlich haben sie darüber nachgedacht sich zu trennen, bis dann der Zwerg ins Spiel kam. Anfang des fünften Monats erst bemerkt, gab es diesbezüglich auch keine Entscheidungen zu treffen. Nach nun fast zehn Jahren Beziehung und einer bevorstehenden Geburt bleibt man eben zusammen. Der Frühling neigte sich langsam dem Ende und der Sommer kam in ganz kleinen Schritten. Es war kein typischer Frühling. Meine Hormone schlugen keine Purzelbäume, dabei waren Fabian und ich doch gerade mal ein halbes Jahr zusammen. Ganz im Gegenteil, statt besser wurde es immer schlimmer. Fast jeden Abend wenn der Anwalt nach Hause kam, wirbelte er mit einem neuen Schreiben vom Finanzamt herum. Andere Männer hätten ihre Frauen wohl mit lieben Worten oder zumindest einem Kuss begrüßt. Mein Freund hingegen begrüßte mich mit den Worten: „ Haben heute erst den 5. und für den Rest des Monats nur noch hundert Euro zum Leben.“ Na, da war der Abend gehalten und mein letzter Funke guter Laune im Keim erstickt. Das Finanzamt wollte ca. 15.000 Euro Nachzahlung und zudem noch die üblichen Vorauszahlungen, wenn man selbständig ist. Da stellt sich einem schon die Frage, wo das Geld nur hin ist, denn eine Nachzahlung bedeutet ja, zu irgendeinem Zeitpunkt mal dementsprechend verdient zu haben. Aber mein Anwalt leistete sich außer einer Wohnung in Toplage und einem 11 Jahre alten Auto nicht viel. Die zahlreichen Fotos in seinem Badezimmer sprachen allerdings eine andere Sprache. Gab es einen Ort an dem er noch nicht gewesen war? Inga waren bei einem Besuch besagte Fotos ohnehin sauer aufgestoßen. Sie fand es sehr grenzwertig, dass ein Mann nur Bilder mit sich selbst als Motiv zu hängen hatte. Da war also wohl das Geld geblieben und er reiste natürlich nie allein, was den Rückschluss zulässt, dass Fabian auch mit seinen Exfreundinnen im Ausland war. Vermutlich hat er dabei ordentlich auf dicke Hose gemacht. Tja, und ich, die weder mit in New York noch mit in Italien war bekam nun die Sparmaßnahmen zu spüren. Ich konnte es nicht mehr hören! Finanzamt hier, Schulden dort. Meist fragte er mich dann, ob ich meine Familie anpumpen könne, dazu wäre Familie schließlich da. Ungefähr zur selben Zeit kauften seine Eltern ein Haus, welches sie bar bezahlten. Das Geld resultierte aus dem Verkauf einer Eigentumswohnung in der Nähe von Nürnberg. Paradox, oder?! Aber gut, auch um mein eigenes Hungergefühl zu stillen und um mir gelegentlich einen Kaffee an der Uni kaufen zu können, bat ich meine Eltern um Hilfe. Unterm Strich müssen es mehrere hundert Euro gewesen sein. Aber es bzw. er war ein Fass ohne Boden. Ich habe ihm auch nie vorgehalten, dass meine Eltern uns finanzieren. Ich habe gekauft und bezahlt was nötig war ohne es groß breit zu treten. Nebenbei habe ich dem Anwalt noch ordentlich Zucker in den Hintern geblasen, von wegen alles wird besser und er sei doch auf dem besten Wege ein erfolgreicher Jurist zu werden. Innerlich blutete mir das Herz, weil meine Eltern wegen mir auf einen Urlaub verzichteten. Noch jetzt, beim Schreiben schießen mir bei dem Gedanken die Tränen in die Augen. Aber meine Familie ist eben großartig und entgegen seiner Eltern, hätten meine im Zuge eines Hauskaufes gern auf goldene Wasserhähne verzichtet um meine Schulden beim Finanzamt zu bezahlen. Das Sahnehäubchen aber ist gewesen, als ich mir vorwerfen lassen musste, auf seine Kosten zu leben und mir den ganzen Tag auf dem Sofa den „Arsch platt zu liegen“. Warum ich mir denn keinen Job suchen würde, fragte er mich. Abgemacht war, dass ich im ersten Semester nicht jobbe um einen guten Start zu haben. Aber abgesprochen war so einiges… Außerdem sperrte sich in mir alles bei dem Gedanken, dass das Geld das ich verdienen würde komplett in den Haushalt geflossen wäre. In einer Beziehung das normalste der Welt, aber ich gab die Hälfte zur Miete und kaufte ein. Was Fabian tat war neue Anzüge kaufen und sich die Zähne bleichen lassen. Ging also aus Prinzip nicht arbeiten! Und so plätscherte diese Beziehung vor sich hin und war mal besser als schlecht und mal nur schlecht.

Susanne

Ich habe Ende Juni Geburtstag und meine zauberhaften Eltern schenkten uns Karten für das Brauereihoffest in Stralsund, was allerdings schon Anfang Juni war. Ich freute mich sehr darauf. Es spielten tolle Bands und ich bequatschte meine zweite Herzensfreundin Suse, die in Hamburg lebt, sich auch Karten zu besorgen. Wollte dass sie und der Anwalt sich mal kennen lernen. Was ich noch will ist, dass Sie meine Suse näher kennen lernen und so hole ich erneut ganz weit aus um Ihnen diese Seele von Mensch näher zu bringen. Noch während der Ausbildung und in etwa zu der Zeit als mit Jette Funkstille herrschte, bekamen wir „eine Neue“ in die Klasse. Die Susanne! Po lange Haare zu der Zeit und seit Ewigkeiten mit einem Bassisten einer regional bekannten Band zusammen. Glaube, ich mochte sie nicht so wirklich und sie war eher jemand, den ich zur Kenntnis nahm aber mich nicht weiter mit ihm befasste. Suse, mittlerweile meine Kalis, freundete sich schnell mit Sandra an. Die war so der extrovertierte Typ, der mit Gott und der Welt gut auskam und immer die besten Noten schrieb. Ich mochte sie und mag sie noch heute. So kam zwangsläufig der nähere Kontakt zu Kalis zu stande. Und plötzlich interessierte sie mich. Kannte auch nicht viele Mädels, die mit 22 schon ein Haus bauen und mit einem Mann so richtig zusammen leben. Sehr solide, sehr bodenständig. Ich glaube sie hatte mich auch gern. Zumindest duldete sie mich, Sandra und eine weitere Bekannte jeden Donnerstag zum „Weiberabend“. Kalis ist wie in allem, auch in der Küche sehr begnadet. Sie kann quasi alles so viel besser als ich und mag mich trotzdem leiden. Wir kreierten „Pasta a la Susanna“ und es war jedes Malköstlich. Ich liebte diese Abende. Irgendwann waren wir ein gutes Team. Everybodys Darling Sandra, war immer viel beschäftigt und so zogen wir zu zweit los. Das war unser Anfang! Allerdings blieben uns nur noch wenige Monate, bis ich nach Hessen zog und sie nach Hamburg. Noch heute bereitet mir die Erinnerung daran große Schmerzen. Ich habe zum ersten Mal mein komplettes Umfeld einfach zurück gelassen um völlig neu anzufangen. Und ich ließ Kalis zurück, in einer Phase, in der sie eine Freundin sehr gebraucht hätte. Ihrem Lebensabschnittsidioten fiel irgendwann ein, dass er sie nicht mehr liebt. Natürlich war eine Andere im Spiel, was allerdings nicht lange hielt. Sie war so unglaublich am Ende. Sie nahm zwanzig Kilo ab und wenn sie vor dem Spiegel einen Apfel aß, sah sie wie ihr Gesicht von Bissen zu Bissen dicker wurde. Glaube mit Recht von einer Essstörung sprechen zu können. Aber paradoxer Weise tat es ihrem Selbstbewusstsein sehr gut und sie sah wirklich umwerfend aus. Eine ganz neue Suse trat mir bei unseren Treffen entgegen. Wir hatten den Spaß unseres Lebens und waren viel und gut feiern. Wir kreierten unsere eigene Sprache und litten beide zu der Zeit an einer Krankheit. Vielmehr an einer Allergie. Allergisch auf Pärchen! Und so lästerten wir damals nur zu gern selbstverständlich über uns bekannte Paare, wo bliebe sonst auch der Spaß dabei?! Besondere Angriffsfläche boten uns hierbei Grillabende im Sommer. Wie so oft, wenn ich zu solch Veranstaltungen eine Einladung bekam, war Susanne mein Date. Die Arme opfert sich auch immer tapfer und vor allem gibt sie mir Rückendeckung. Also, hübsch zurechtgemacht und mit dem Schlimmsten rechnend folgten wir beispielsweise der Einladung von Frank und Mary zum BBQ. Als wir klingeln, kommt natürlich nicht nur einer zur Tür, sondern beide. Er hat den Arm um ihre Schultern gelegt und beide grinsen als gäbe es kein Morgen mehr“: Schön, dass ihr Zeit hattet, die anderen sind schon alle da.“ Bereits dieser eine Satz verursacht bei Suse ein deutliches Zähneknirschen und auch ich spüre die ersten Symptome unserer schlimmsten Allergie. Wir folgen dem Pärchen durch den Flur, als Susanne mich am Arm packt und mit schön quitschiger Stimme leise unsere Gastgeberin imitiert: „Schön, dass ihr Zeit hattet… .“ Ich lache laut in mich hinein und bewahre Haltung. Natürlich haben zwei Singlefrauen Zeit, da sie ja nicht Hausfrauen und Mütter sind und um neun Uhr abends leider alle Schuhgeschäfte geschlossen haben. Dies, so vermuten wir, ist die eigentliche Aussage, die unsere Freundin treffen wollte. Ich schaue Susanne an und muss nun doch sichtlich grinsen. Im Garten erwartete uns dann ein Haufen siamesischer Zwillinge. Kopf an Kopf, Hand in Hand…so formierten sie sich und sahen dabei alle soo glücklich aus. Es erschien mir wie ein Virus, denn teilweise sah man sie sogar gemeinsam und natürlich auch hierbei Hand in Hand, zum Klo schlendern. Dabei war immer dieses furchtbare Glitzern in den Augen, dass der Welt zeigte: Wir gehören zusammen. Die einzigen Männer, die an dem Abend ohne Frauen dort waren, waren Bodo und Detlef, ihres Zeichens ein schwules und sehr reizendes Pärchen. Bingo, Jackpot…volle Packung! Geredet wurde ausschließlich über Eigentumswohnungen, Arbeit, Gesundheit und vollgemachte Windeln. Hatte mir erhofft, nach zwei Gläsern Wein im Kreise Gleichgesinnter mal offen aus dem Nähkästchen plaudern zu können. Eine wahnwitzige Nacht lag hinter mir, aber außer meine beste Freundin schien das niemanden zu interessieren. Auch gut! Mir schnürte meine Pärchenallergie so langsam die Luft ab, aber tapfer schluckte ich noch die letzten Bissen meiner von Mary hübsch dekorierten und auf dem Teller festlich arrangierten Grillwurst hinunter und dankte still dem lieben Gott für Suses außergewöhnliches schauspielerisches Talent. Furchtbares und selbstverständlich ganz akutes Kopfweh! Und so entkamen wir, mehr oder weniger unversehrt, dieser morbiden Gesellschaft von Langweilern. Noch schnell für den reizenden Abend bedankt und dann schnell weg. Tatsächlich wurde dieser Abend auch noch reizend, später dann, in der Cocktailbar unseres Vertrauens, wo Singles noch als vollwertige Menschen galten und schmucke Kellner genau wussten, was uns glücklich macht. La dolce Vita! Sicher, wir hätten das auch gleich tun können, aber ist so ein aufgefrischtes Feindbild nicht auch was Feines? Da weiß man urplötzlich wieder wofür es sich zu kämpfen lohnt. Für alles Unheil dieser Welt, machten wir dann lautstark die Pärchen dieser Welt verantwortlich und begossen diesen, unseren Leitspruch des Abends, mit dem ein oder andern Cocktail und von Kopfschmerzen keine Spur mehr. Das ist also meine Suse wie sie leibt und lebt. Das sind Wir!  Nachdem der Ex-Lebensabschnittstrottel ihr Herz nun also erneut erobern konnte und ich mittlerweile mein Dasein als Wahlhessin friste, suchte meine Kalis sich eine neue Freundin. Weiß nicht ob die Kuh jemals meinen Stellenwert hatte, aber will es mal nicht hoffen. In ihr fand Suse jemanden zum Reden und jemanden der sie ins Fitness Studio begleitete. Kalis schilderte offen ihre Probleme mit dem Bassisten und die Kuh hörte schön zu. Was Suse nicht wissen konnte war, dass der Wiederkäuer ein Auge auf den Lebensabschnittstrottel geworfen hatte und Suse ihr nützliche Infos lieferte. Muh-Kuh wusste jetzt wie sie ihn kriegen konnte und sie bekam ihn. Trottel und Kuh haben geheiratet, sich leider vermehrt und wohnen zusammen im Kalis-Haus. Unglaublich aber wahr! Soviel zum Thema neue Freundin und aufgewärmte Beziehungen. Es war schlimm für mich, dass ich nicht bei ihr sein konnte, einfach nur um da zu sein. Wirklich helfen konnte ich ihr ja auch nicht. Plötzlich und für alle unerwartet, trat ein neuer Mann in ihr Leben und sie blühte wieder auf. Nur leider kannte ich ihn aus meiner Dorazeit und hätte mir wohl schon jemand anderen an ihrer Seite gewünscht z.B. den Radiomoderator der ihre Seele berührt hatte, aber verheiratet war und zwei Kinder hatte. Glaube, dies ist der Mann in ihrem Leben, den sie immer irgendwie im Herzen tragen wird. Bei mir heißt der Anwärter auf diesen Platz Max. Denke im Leben einer jeden Frau gibt es so einen Mann. Der neue tatsächliche Mann im Leben meiner Freundin war eine Katastrophe. Sie sind im Taumel ihrer Gefühle recht schnell zusammengezogen und es ließ nicht lange auf sich warten, dass meine Kalis Nachwuchs erwartete. Sehr zu seinem Verdruss. Es müssen sich laut ihrer Beschreibungen wahrhaft filmreife Szenen abgespielt haben. Für Suse stand von Beginn an fest, dieses Kind zu bekommen, obwohl sie sich der Tatsache bewusst war, dass es mit dem Vater ihres Kindes nicht mehr lange gut gehen würde. Sie war wie immer sehr tapfer und bodenständig. Lange war der Gedanke ihn endlich zu verlassen nur eine Fiktion, aber sie tat letztlich was sie tun musste und lebt heute mit ihrem zauberhaften Sohn allein in Hamburg. In meinem Leben ist Susanne zu einem weiteren festen Halt geworden. Sie sagt immer ganz direkt was sie denkt und ist oft erschütternd ehrlich. Wir lachen viel zusammen und verstehen uns oft ohne Worte. Wir hören nicht täglich von einander, aber unsere Beziehung ist zu tiefgreifend, als dass es etwas ausmachen würde. Sie ist meine beste Freundin und ich liebe sie aus tiefstem Herzen. Wenn man es genau nimmt, so unterscheiden sich freundschaftliche Beziehungen doch wirklich wenig im Vergleich zu partnerschaftlichen. Nur der Sex fehlt, ansonsten aber nicht besonders viel. Jette und Suse haben so einige Männer kommen und gehen sehen und wir haben sie alle überlebt. Mit großen und weniger großen Wunden haben sie uns zurückgelassen…aber im Schoße einer guten Freundin ist alles halb so schlimm. Vor wem lässt man mal so richtig die sprichwörtliche Hosen runter? Mit wem kann man lästern, heulen, feiern, hassen, lieben, über sinnloses diskutieren, einfach mal nur im Jogginganzug rumliegen und maßlos einer Schachtel Pralinen frönen? Das geht nur mit einer Freundin!!! Vor Männern kann man so was nicht tun…für Männer muss man immer perfekt sein und funktionieren. Aber das Wort „muss“ ist falsch. Wir WOLLEN so was vor Männern nicht tun. Warum nicht? Ich denke Frauen erlegen sich gern den Zwang auf, perfekt sein zu müssen. So perfekt wie beim ersten offiziellen Date, welches gründlichster Vorbereitung bedarf. Er mag hohe Schuhe, also hohe Schuhe. Er mag enge Jeans, also enge Jeans. Er mag die Haare zum Zopf gebunden, also tun wir ihm den Gefallen und binden sie zum Zopf. Nur vergessen wir dabei, dass dieses Level beibehalten werden will. Der Mann denkt: “Wow, sie ist perfekt. Genauso wie ich es mag!“ und schon beginnt der Teufelskreis… Stoppelige Beine sind also ab sofort tabu, der besten Freundin allerdings ziemlich egal. Sie stoßen nach einem kühlen Blonden für gewöhnlich gern kräftig auf? Super Sache, aber bitte nur vor der Freundin. Vor einem Mann könnte derart maskulines Verhalten unversehens zu akuten Störungen der bislang intakten Libido führen. Verspricht also die freundschaftliche Beziehung zu jemandem die größere Freiheit, weil sie frei von den eben genannten Zwängen ist? Das mit den Gefühlen ist auch so eine Sache…ich kann behaupten, dass ich meine Freundinnen liebe. Dies mag nun eine andere Form der Liebe sein als wie zu einem Mann, aber zumindest sind es doch die gleichen Symptome. Man streitet, also hat man Freundinnenkummer. Man verbringt einen äußerst amüsanten Mädelsabend und man ist glücklich. Man geht zusammen shoppen und niemand schaut maulig und genervt auf die Uhr. Man liebt und man leidet zusammen, lediglich miteinander schlafen tut man nicht, bei einander schon! Wo also liegt der genaue Unterschied? Etwa nur bei der Penetration? Selbst so etwas wie Trennung gibt es. Auch Freunde leben sich auseinander und gehen getrennte Wege und dies ist ebenso schmerzvoll wie von einem Mann verlassen zu werden oder einen Mann zu verlassen. Eifersucht ist ebenso präsent. Oh ja, wenn man die beste Freundin als solches bezeichnet möchte man auch von ihr so bezeichnet werden und geht sie mal alleine aus und hat Spaß, so hat das schon einen komischen Beigeschmack. Warum nicht mit mir? Ist sie böse? Bin ich nicht mehr die Nummer eins? Fragen, die in partnerschaftlichen Beziehungen auch erscheinen. Und so komme ich nicht umhin mich erneut zu fragen, wo liegt der Unterschied? Einen emotionalen kann ich nicht finden! Auch sind Männer ja oft tatsächliche Lebensabschnittsgefährten und wie das Wort schon vermuten lässt, nur temporär begrenzt „verfügbar“. Hier mal zwei Jahre, da mal sechs Monate…sie kommen und gehen und wer bleibt sind die Freundinnen, die jeden Aspekt in einem kennen, die immer wissen wie man sich fühlt und die meist bestehenden Handlungsbedarf sofort erkennen. Und das wichtigste: man spricht auf derselben Ebene miteinander. Versuchen sie mal einem Mann zu erklären, warum sie sich minderwertig fühlen, wenn er einer weitaus attraktiveren Frau als man selbst es ist, ungeniert nachgeiert. Er wird es rechtfertigen mit der Evolution und damit das es alle tun. Kurz und knapp und sehr pragmatisch. Eine andere Frau versteht sie aber sehr wohl und sehr gut. Selbst nach Stunden im Bad, auf der Sonnenbank, im Nagelstudio, im Schuhladen, im Unterwäschefachgeschäft ihres Vertauens…es wird sie immer geben, diese Frauen die selbst im Müllsack einfach unwiderstehlich sind. Mit ihren kleinen, festen Pos und ihren Betonbrüsten laufen sie nichtsahnend durch die Stadt und machen die Männer verrückt. Und obwohl man als Frau eigentlich den „Ich finde mich heute toll-Tag“ hat, möchte man sofort im Erdboden verschwinden und fühlt sich mäuschengrau beim Anblick der Göttinnen von knapp zwanzig. Diesen Schmerz versteht nur eine Freundin! Soviel steht mal fest. Was auch feststeht, ist die Tatsache dass Freundschaften ähnlich den Liebesbeziehungen gepflegt werden wollen. Kleine Aufmerksamkeiten, nette Komplimente bis hin zum Feiern des Jahrestages. Aber vielleicht ist es auch vergebens nach Unterschieden zu suchen. Ich kann nur hoffen, dass jede Frau auf dieser Welt so Freundinnen hat wie ich und dies zu schätzen weiß. Es ist ein ganz besonderes Geschenk und so sollte es behandelt werden. Diese Art von Liebe, Verständnis, Respekt und Treue erfährt man nur sehr selten von Männern. Susanne hatte zur Zeit des Brauereihoffestes einen neuen Freund und ich war sehr begeistert von ihm. Sie war in der Zeit des „Alleinerziehens“ ausschließlich Mutter und nicht mehr Frau. Stefan, erweckte all ihre Lebensgeister wieder. Ich war sehr glücklich darüber meine Freundin so zufrieden, ausgeglichen und verliebt zu sehen, wie schon Jahre nicht mehr. Die zwei frischverliebten begleiteten uns also zum Konzert und es war ein toller Abend. Im Anschluss daran gingen wir noch alle zusammen in die Diskothek. War seit Jahren in Stralsund nicht mehr ausgegangen und sehr beeindruckt von dem was mich erwartete. Kalis und ich verbrachten fast den gesamten Abend auf der Tanzfläche und waren wieder 15. Die Männer saßen derweil im Empore und unterhielten sich. Gegen zwei oder drei Uhr fuhren wir heim. Bis hier hin alles nicht sonderbar oder ungewöhnlich, was sich aber noch ändern sollte. Wir zurück in Hannover und Suse zurück in Hamburg machten wir wie so oft ein Telefondate aus. Kamen ja bislang nicht dazu den Abend auszuwerten und dabei musste ich meiner Freundin doch ganz unbedingt und zum wiederholten Male sagen, wie total nett ich ihren Stefan fand. Gesagt, getan. Was sie mir dann jedoch über Fabian erzählte war weniger erfreulich. Sie zögerte irgendwie, aber nach beharrlichem Bohren meinerseits rückte sie endlich mit der Sprache raus. Sie fragte mich ob der Grund für unsere Probleme vielleicht darin lag, dass der Anwalt mich betrog. Bitte?! Hatte meine Kalis immer über alles auf dem Laufenden gehalten, aber um andere Frauen ging es ja nie. Mhh… Bis sie dann endlich zum Punkt kam verging eine Weile. Stefan hatte ihr erzählt, dass Fabian in der Zeit da die beiden auf dem Empore saßen, ganz offensiv mit einem Mäuschen zu Gange war. Der Anwalt versuchte dann noch Stefan da mit reinzuziehen, getreu dem Motto: „ Man Alter, ist die scharf oder was?!“ Stefan erwiderte allerdings damit, dass Fabian das doch bitte lassen solle. Der großartige Freundinnen-Freund Stefan. Mehr wollte er aber auch nicht darüber erzählen. Das unsichtbar solidarische Band zwischen Männern… Mir allerdings reichte diese Info schon völlig aus. Ganz ehrlich, es war nicht Eifersucht was in mir kochte, sondern fast schon eine Art Hassgefühl. Immerhin waren wir bei meinen Eltern zu Besuch und ich traf meine beste Freundin. Da war das Letzte worüber ich mir Gedanken machen wollte, die Treue meines Freundes. Aber plötzlich war ich mittendrin und zu tiefst gekränkt…hatte ich ihm doch wenige Stunden zuvor einen Monolog darüber gehalten, wie klein ich mich fühle, wenn er in meinem Beisein anderen Frauen hinterher sieht. Mir war klar, dass da kein ernsthaftes Vorhaben dahinter steckte, aber so langsam fingen seine Selbstdarstellungsauftritte an mich tierisch zu nerven. Er musste mich an seiner Seite klein sehen, um sich selbst größer zu fühlen. Bei Max heulte ich mich gehörig darüber aus, dabei war er wohl nicht grad Experte in Sachen treu sein. Der Anwalt hatte mich zwar nicht betrogen, aber sich selbst, was leider auf meine Kosten ging. Ich schaute mich im Internet nach Wohnungen um und hatte keine Ahnung wie ich das finanzieren sollte. Aber eines stand fest, ich musste hier weg. Meiner Jette erzählte ich als erste von meinem „Plan“.

Mandat entzogen

Zu der Zeit war die Insel zu einem schwarzen Loch geworden. Immer mehr wurde meine Freundin in ihren Bann gezogen und der Strudel zog sie abwärts. Jahrelang in Personalzimmern wohnend, hatte Jette nun ihre eigene Inselwohnung angemietet. Sie fühlte sich nicht mehr wohl und erhoffte sich von den eigenen vier Wänden so etwas wie das Gefühl, ein Zuhause zu haben. Groß war die Enttäuschung, als besagtes Gefühl sich nicht einstellen wollte. Selbst nach Monaten nicht. Kontakt zu Linda bestand noch, aber sie sahen sich nur noch selten. Jette meinte, sie braucht einzig das Gefühl, mit ihr am selben Ort zu sein. Ihrer Existenz zu wissen reichte aus. Das wiederum war auch der Grund, warum sie meinem wiederholten Bitten, die Insel zu verlassen, einfach nicht nachkommen konnte. Rational betrachtet wusste sie, dass nur der Schritt von der Insel, ein Schritt in die richtige Richtung sein konnte. Mittlerweile arbeitete sie für einen Franzosen und weinte oft wenn wir telefonierten. Jette war dort sehr unglücklich. Den alten Job, der einst Grund war die Insel doch nicht zu verlassen, hatte sie gekündigt. Die Chefetage trug ihre privaten Fehden auf den Rücken der Angestellten aus, was ein gutes Zusammenarbeiten unmöglich machte. Aber der neue Job stellte die Realität zu „vom Regen in die Traufe“ dar. Eine Beziehung hatte sie auch nicht. Mit der Frau welcher ihr Herz gehörte, schien es unmöglich zusammenzuleben und alles was mal nebenbei lief, lief eben nur nebenbei und war außer einer knappen Erwähnung am Telefon keiner weiteren Worte würdig. Jeannette lebte einfach so vor sich hin. Sie hatte sich verändert. Es schlugen zwei Herzen in ihrer Brust. Es reichte ihr nicht mehr nur das Geschirr fremder Leute abzuräumen. Sie kam an dem Punkt da sie nur zu genau spürte, dass sie sich bewegen muss, sonst würde der ewige Stillstand drohen. Alle Leute die ihr lieb und teuer geworden waren, hatten die Insel bereits verlassen und nur zu bleiben für den Fall, dass Linda doch noch Lust auf eine Beziehung bekommt, schien ihr dann etwas zu paranoid. Tja und als ich meine wunderschöne Freundin dann daran teilhaben ließ, dass ich ausziehen will führte das Schicksal zusammen, was zusammen gehört. Es war also beschlossene Sache. Zwei großartige Frauen werden zusammen ziehen. Was nun anstand war, es Fabian gut zu verkaufen. Im Juni heiratete meine Schwester ihren ganz fabelhaften Griechen. Weil sie hochschwanger war, plante ich ein paar Tage vorher nach Frankfurt zu fahren, um zu helfen. War schon an den gesamten anderen Vorbereitungen aktiv beteiligt gewesen und freute mich aufs Finale. Fabian wollte nicht mit. Ihm war Ingas Antipathie nicht entgangen und er wollte nicht auf einem Fest feiern auf dem er nur geduldet aber nicht erwünscht war. Konnte mit dieser Ansage gut leben, was mir natürlich später noch zum Vorwurf gemacht wurde. Da ich drei Tage nach der Hochzeit Geburtstag hatte und noch in Frankfurt bleiben wollte, fragte ich den Anwalt ob er dann am Wochenende einfach nachkommen will um mit meiner Familie und mir Geburtstagstorte zu essen. Wäre ja nur für zwei Tage und er käme schließlich wegen mir und nicht wegen meiner Schwester, meinte ich zu ihm und er war einverstanden. Allerdings hatte er es sich innerhalb kürzester Zeit doch anderes überlegt und erzählte mir irgendwas davon, kein Geld zu haben um nach Frankfurt zu kommen. Die eigentliche Intension seiner Aussage wurde mir schnell klar und so hob ich alles Geld vom Konto ab, was mir für den Monat noch zur Verfügung gestanden hätte und gab es Fabian, damit er zu meinem Geburtstag kommen konnte. Ohne großartige Dankbarkeit nahm er es und das Thema war vom Tisch. Es gab in mir immer wieder Momente, in denen ich hoffte, dass doch noch alles gut werden würde und unsere Beziehung einfach nur unter ungünstigen Rahmenbedingungen zu leiden hatte. Ich fuhr also nun in die Rhein-Main Metropole und es sah ganz danach aus als würde ich nun herrenlos auf der griechischen Hochzeit sein und da auch der Olli-Schönling nicht konnte, fragte ich einfach Max. Wie schon im Jahr zuvor auf ein Würstchen vom Grill, lud ich ihn nun auf ein Stück Hochzeitslamm vom Spieß ein. Mir war klar, dass er nicht kommen würde. Wie sollte er das auch erklären, aber irgendwas in mir hat doch sehr gehofft, ihn zu sehen. Nur für ein Zigarettenlänge. Nur ein Mal in den Arm genommen werden und „Witterung“ aufnehmen… Max kam nicht. Stattdessen kam Fabian am Samstag, einen Tag vor meinem Geburtstag. So im Nachhochzeitstress, war es recht entspannt zwischen ihm und meiner Schwester. Er interessierte sie auch nicht wirklich und wenn man ignoriert muss man sich nicht ärgern. Wirklich ärgerlich war dann jedoch, als Fabian mir am Sonntag bei Torte essen seitlich die Hand auf den Bauch legte, nachdem ich das zweite Stück nehmen wollte. Ich zuckte entsetzt und für alle vernehmbar auf und scheute mich nicht, laut zu erzählen was eben passiert war und auch scheute ich mich nicht vor dem zweiten Stück Marzipantorte! Ich war im Kreise der Menschen die ich sehr liebe und schließlich hatte ich Geburtstag und alles andere als Figurprobleme. Genaugenommen war des Anwalts einziges Problem , dass eine Frau mit Größe 36 diese auch halten muss, weil sonst selbst sie, neben einem Mann der Größe S trägt fett aussehen würde. Ich war innerlich durch die letzten Monate so verhornt, dass ich mir seine Aktion nicht mal mehr zu Herzen nahm. Ich genoss den Tag mit meiner Familie. Zurück in der niedersächsischen Landeshauptstadt war die Situation sehr angespannt. Mein Praktikum in Frankfurt stand vor der Tür und ebenso die Geburt meiner Nichte. Als ich damals erfuhr, dass meine Schwester im August ihr Baby bekommt, stand sofort fest, zu dieser Zeit ein Praktikum in Frankfurt zu machen, anstatt in Hannover. Nun war es soweit. Fabian und ich stritten viel und letztlich waren herum liegende Höschen und Handtücher der Auslöser dafür. Soweit war es nun also schon gekommen! Ich allerdings witterte die Chance meines Lebens. Jetzt einen Auszug vorzuschlagen kann nur zu Erfolg führen und wer weiß, vielleicht bekommt uns eine räumliche Trennung ja ganz gut. Dachte ich…und irgendwie merkte der Anwalt, dass wir kaum eine andere Wahl haben. Er meinte, so was habe etwas von Trennung auf Raten und, dass Ausziehen schon so was wie Schluss machen ist. Aber er willigte ein. Die folgenden Tage waren die Hölle. Fand mich wieder bei Zuckerbrot und Peitsche. Ich sagte ihm, er solle sich doch mitteilen und dass wenn er Ängste habe, er sie mir erzählen müsse, weil ich sie ihm nur dann nehmen kann. Aber er wollte nicht reden. Mein persönliches Schlüsselerlebnis war dann, als wir im Cafe saßen, etwa zwei Tage vor meiner Abreise. Wir sprachen ewig nicht miteinander bis ich die Situation nur noch peinlich fand und ihn ansprach. Er wirkte sehr unglücklich und verletzt und ich erklärte ihm zum hundertsten Mal, dass ich ihn nicht verlassen werde, sondern nur ausziehe um dieser Beziehung eine Chance zu geben. Sich verabreden, sich für den Anderen schön machen, aufgeregt sein und frei von alltäglichen Zwängen, pries ich ihm an, aber es half nichts. Er erbat sich Zeit um mit dem Gedanken klar zukommen. Und dann ging’s los…anstatt mir die Wahrheit zu sagen, nämlich dass er Angst davor hat, dass ich Dinge tue von denen er nichts weiß bzw. dass ich überhaupt Dinge ohne ihn tue, erzählte er mir davon, wie erfolgreich seine Kanzlei mal sein werde, wie viel er dann verdiene, wo wir dann Urlaub machen werden und dass er in vier Jahren einen Jaguar fahren wird. Hallo?! Erde an Fabian!!! Ich konnte nicht glauben was ich da hörte und vor allem was ich dort vor mir kauern sah. Ein blutendes Ego! Er war so schwach in diesem Moment dass ich den Respekt vor ihm verlor. Hatte er wirklich geglaubt, dass ein Jaguar mich davon abhalten würde zu gehen? Gibt es Frauen, die bei so was ernsthaft ins Grübeln kommen und weich werden? Na ich hoffe mal nicht! Und wieder wollten wir unterschiedliche Dinge. Ich wollte Achtung, Interesse, Liebe, Ehrlichkeit und Vertrauen. Fabian wollte neue Mandaten, Statussymbole, eine Mitgliedschaft im Tennisclub und mich als modisches Accessoire. Ich freute mich jetzt noch viel mehr auf Frankfurt. Auf meine Freunde, schöne Abende, ein gehaltvolles Praktikum, eine gesunde Nichte und auf meinen Max! Am Tag meiner Abreise in der letzten Juliwoche, eskalierte das Ganze dann völlig. Ich war gut gelaunt, auf Frankfurt geeicht und ein wenig in der Hoffnung, dass bei meiner Rückkehr nach sechs Wochen alles sehr viel besser laufen wird was meine Beziehung anging. Stellte mir vor, mit Fabian zusammen Wohnungen zu besichtigen und meinen geplanten Auszug für ihn so angenehm wie möglich zu gestalten. Aber er war noch immer und wie schon in den Tagen zuvor, sehr distanziert. Lagen gemeinsam auf dem Sofa und mein Zug sollte in fünf Stunden fahren. Mir war nach kuscheln und Nähe zu mute. Seit ich den Auszug das erste Mal erwähnte, hatte er nicht mehr mit mir schlafen wollen. Er war anteilnahmslos und ich hatte Lust auf Sex! Es war eine leichte Übung ihn ins Bett zu kriegen, aber ich bereue noch immer zu tiefst, es so drauf angelegt zu haben. Ich fühlte mich so billig und benutzt. Kein Küssen, kein Streicheln, keine Zärtlichkeit und keine Liebe. Ich habe seit diesem Tag eine ungefähre Vorstellung, wie Huren sich fühlen müssen. Ich fühlte mich wie eine. Nach Beendigung dieser zehn Minuten Fas stand ich ohne ein Wort auf, hatte Schmerzen und ging duschen. Auch er sagte kein Wort. Anstatt mich nach dem Duschen um Liebe bettelnd zu ihm zu legen, zog ich mich an, packte meine restlichen Sachen zusammen und fuhr wortlos und mit Gepäck für sechs Wochen dabei, zum Bahnhof. So sehr wie in diesem Moment hatte mich noch nie ein Mann gekränkt. Ich hatte noch drei Stunden bis mein Zug fuhr, aber nicht mal fünf Euro einstecken um die Zeit mit einem Kaffee totzuschlagen. Ich konnte keine meiner mir sehr lieb gewordenen „Hannover-Freundinnen“ erreichen, um zu reden und um etwas Geld für Zigaretten zu leihen. Tanja, Alina und Dani hatte ich nicht nur lieb gewonnen, es schien mir vielmehr wie das größte Glück auf Erden sie kennen gelernt zu haben. Alina, mit ihrem blonden Wuschelkopf, die so speziell in ihrer Art ist, dass man sie einfach lieben muss. Ich mag ihren Humor und ich mag vor allem, dass sie große Werte hat und ganz klare Vorstellungen davon, was oder wen sie mag oder was und wen eben auch nicht. Dann aber auch mit allen Konsequenzen. Wenn sie mir dann Einblick in ihre kleine zauberhafte Welt gewährt, dann ist das für mich wie eine Auszeichnung. Tanja ist unser Küken, weil sie erst Anfang zwanzig ist, aber im Köpfchen oft reifer als ich. Sie ist ein Energiebündel und mit ihr ist die Welt immer etwas bunter. Dani hingegen ist schon etwas älter und somit ruhiger. Dani ist ein sehr spiritueller Mensch und einfach eine Seele. Mit ihr lässt es sich bei einem heißen Tee ganz wunderbar über menschliche Abgründe diskutieren. Alles in allem ein wohlduftendes Freundschaftspottporie. Im Einzelnen schon ein Hochgenuss, aber zusammen die perfekte Mischung. Ich war also am Boden wie nie zuvor und das wegen einem Mann, das war das eigentlich schlimme an der Sache. Und so hockte ich stundenlang auf meinem Gleis, sah Leute kommen und gehen und für den Bruchteil einer Sekunde, erwartete ich Fabians Gesicht zu sehen. Er kannte doch meine Geschichte und es muss ihm doch klar gewesen sein, was grad passiert war. Aber er kam nicht. In Frankfurt angekommen, konnte ich meiner fabelhaften Schwester nicht lange etwas vormachen und so erzählte ich ihr alles. Es bestätigte sie in ihrer Meinung und mich eigentlich auch. In diesem Moment habe ich diese Beziehung aufgegeben. Endgültig! Eine Woche lang meldete der Anwalt sich nicht und irgendwann, mitten in der Nacht kam dann eine SMS und ich tippte folgendes in meinen Laptop: „Wurden Sie schon mal verlassen, weil Sie beschlossen haben lieber in einer eigenen Wohnung leben zu wollen? Ich schon, vor ca. zehn Minuten. Eigentlich sollte meinerseits dieser Entschluss ein Versuch sein, zu retten was noch zu retten ist. Nach nur neun Monaten sollte man wahrlich noch nicht über umherliegende Unterhosen und den hochgeklappten Klodeckel streiten! Tage lang im Bett liegen sollte man und auf rosa Wolken laufen noch dazu. Aber ein verfrühtes Zusammenziehen kann der Romantik auch mal ganz schnell den Hahn abdrehen. Ja und nun stellen Sie sich sein Gesicht mal vor bei der Offenbarung ausziehen zu wollen. Freude habe ich nicht erwartet, aber zumindest Verständnis und Anerkennung für mein Bemühen diese Beziehung retten zu wollen. Stattdessen empfing ich die Leiden Christi. Nach einer Woche Funkstille dann die Entscheidungsshow per sms. Er bräuchte klare Verhältnisse und ich soll doch bitte gleich ausziehen, also so schnell wie möglich. Was er eigentlich braucht ist aber eine Frau die nach so einer Ansage um Liebe und Vergebung bettelt. Aber so läuft das nicht. Nicht bei mir. Männer werden immer weniger gebraucht. Alles was sie können, können wir auch. Alle öden Klischees völlig haltlos, denn außer im Papsttum gibt es keinen Bereich mehr, der ausschließlich Männern vorbehalten ist. Das allerdings liegt daran, dass uns speziell diese Aufgabe einfach zu wider ist, oder können Sie sich vorstellen als Frau allen anderen Frauen dieser Welt, das Verhüten und das Unterbrechen von ungewollten Schwangerschaften zu verbieten. Das wäre paradox. Die einzige noch existierende Männerdomäne wollen wir also gar nicht bewandern. Auch wir forschen gegen Aids und Krebs, auch wir reparieren Autos und Fernseher. Wir erziehen Kinder, leiten Firmen, sind Staatsoberhäupter und sorgen unentwegt für das Wohlergehen des eigentlich schwachen Geschlechts. Männer haben ihre Daseinsberechtigung verloren und das wissen sie auch. Darum dürfen wir auch nicht ausziehen um allein viel glücklicher zu sein. Na wo kommen wir denn da hin?! Es ist zu traurig, aber es ist wahr und da muss man als wissende Frau einfach drüber stehen. Nur weil wir Frauen es wollen ist die Welt noch im Gleichgewicht. Ohne Männer wäre es ja auch langweilig, keine Frage und viel zu viel Zickenalarm, also einigen wir uns doch darauf, dass sie zu unserer Unterhaltung allemal gut sind. …“ Tja, jeder verarbeitet so eine Trennung eben anders. Getrennt hatte ich mich emotional bereits vor Monaten und so blieb mir nichts anderes als auf seine „Schluss-mach-SMS“ mit dem einzig Richtigen zu antworten. „Alles klar!“

Weiter ohne Ballast

Am ersten August sollte mein Praktikum beginnen. Es blieben also nur noch ein paar Tage und die nutzte ich um Leute zu treffen. Ganz oben auf der Liste natürlich der Basti, mein Kleiner, Tine und Simone. Die ersten drei konnte ich für einen gemeinsamen „Poco“ Abend schnell begeistern, aber die süße Mone steckte knietief in ihrer Diplomarbeit und sah nur noch Buchstaben. Mone ist meine persönliche Ally McBeal! Genau wie Tine habe ich auch sie während des Abis kennen gelernt. Ich muss lächeln wenn ich an sie denke, weil Mone einfach so zauberhaft ist. Sie ist klein, zierlich und hat ein Puppengesicht, was sich hier als Kompliment darstellen soll. Sie ist immer durch den Wind, will die Welt retten und schwelgt ständig zwischen Euphorie und Weltschmerz. Darum Mone McBeal. Sie hat dann wenig später als Tine ihr Studium aufgenommen und setzte gerade zum Endspurt an, während ich gerade mal im ersten Drittel war. Also gingen wir zu viert. Das heißt Tine und ich trafen die Jungs dort. Blieb die Nacht in der Dom- u. Goethestadt, weil es meiner Schwester einfach lieber war, mich nach dem Treffen im Bett liegend zu wissen, anstatt auf der Autobahn nach Frankfurt. Hatte Max nicht erzähl, dass ich da sein würde. Was ein Spaß! Frühstens in einer Woche rechnete er überhaupt mit mir. Ich war ja so unbeschreiblich aufgeregt, sprühte alle zwanzig Minuten mein Parfüm nach, weil er diesen Duft so liebte. Es war einer dieser Abende, die ich sehr schätze. Mit Freunden feiern, in einer Stadt die man im Herzen trägt und vermisst und nebenbei mal wieder der großen Liebe in die Augen schauen. Tine und ich fuhren auf den Parkplatz vom „Poco“ und mir blieb fast das Herz stehen, als ich sein Auto stehen sah. Einzig dieser Wagen samt einprägsamen Kennzeichen, hatte überhaupt erst möglich gemacht, dass wir nun hatten was wir hatten. Wir parkten direkt neben ihm und ich redete nur noch Blödsinn, was auch meiner amüsierten Freundin nicht entging. Sie forderte mich zum tief Luft holen auf und wir gingen rein. War ja solange nicht mehr da gewesen. Das letzte Mal wohl Weihnachten mit dem Anwalt . Wir standen am Eingang, unsere Jungs wollten in einer Stunde kommen und so stand ich für einen Moment einfach nur da und genoss. Das immer gleiche Publikum, die immer gleiche Musik und die Atmosphäre, die mir gefehlt hatte. Das „Poco“ ist klein und rauchig, wenn man dort mal im Blaumann auftaucht wird es niemand pikiert zur Kenntnis nehmen. Meist tummeln sich dort Leute von Anfang Dreißig bis Mitte Fünfzig. Das macht die Musikauswahl sehr speziell und doch einmalig. Es ist dunkel, der Tresen immer klebrig und voll, aber die Drinks sind spitze und preiswert. Zu Fasching z.B. ist dort 82 Stunden durchgehend geöffnet. Da geht einiges! Max konnte ich nicht sehen und so gingen wir erst mal zur Theke und bestellten wie immer Wodka-Lemon. Ich war so aufgeregt wie beim ersten Mal, als ich allein da war nur um Max zu treffen. Mittlerweile waren auch Daniel, der beste Ex-Freund den Frau sich wünschen kann und Sebastian da und wir amüsierten uns prächtig. Tine musste zur Toilette und fragte, ob ich sie begleite. Und so schoben wir uns Hand in Hand durch die Massen und plötzlich stand er vor mir. Er sah mich nicht, weil er vertieft in ein Gespräch mit einer Bekannten war. Mir stockte der Atem. Konnte gerade noch rechtzeitig meiner Freundin zu verstehen geben, dass wir uns auf ihn zu bewegten. Ich ging an ihm vorbei und drehte mich dann um. Wir blickten uns tief in die Augen und ich ging weiter. Warum hatte ich nichts gesagt, ihn nicht begrüßt? Wochen vorher hatte ich Max gebeten, nicht mehr so oft zu schreiben und nun war ich kaum in der Stadt und stand vor ihm. Blöd irgendwie, aber ich wollte es eben. Ich wollte meinen Liebsten sehen! Auf dem Rückweg von der Toilette stand er dann nicht mehr dort und ich konnte ihn auch sonst nirgends sehen. Also bestellte ich erst mal eine neue Runde Wodka und steckte mir genüsslich eine Zigarette an. Vertieft in ein Gespräch mit Daniel, sah ich Max aus dem Augenwinkel näher kommen. Er sagte nichts, mischte sich nichts ins Gespräch, sondern stand einfach nur da und sah mich an. Tine machte mich dann mit einem Stubser in die Seite auf ihn aufmerksam. Dann wendete ich mich ihm zu und schweigend standen wir da, bis er mich in den Arm nahm um mich zu begrüßen. Ich stellte Tine und Max vor. Basti und Daniel kannten ihn bereits. In alter und liebgewordener Tradition verbrachten wir dann den ganzen Abend miteinander und es war wie immer ganz zauberhaft. Wir berührten uns oft verstohlen und zufällig aussehend. Ich hatte also nach all der Zeit und all dem Kummer nichts dazu gelernt. Mir war schon klar, dass unser Feuer damit wieder zu lodern begann. Als ich an dem Abend bzw. morgens dann bei Tine ins Gästebett schwebte, warf ich noch einen Blick aufs Handy, welches ich bei ihr gelassen hatte und sah was ich sehen wollte. Post von Max, kaum eine Stunde nachdem wir uns verabschiedet hatten. Er beschrieb darin den Moment als ich an ihm vorbei gelaufen war, auf dem Weg zum WC, als Traum. Mich dort zu sehen musste ihn völlig umgehauen haben. Max überschüttete mich mit Komplimenten und hoffte, mich in der Zeit meines Praktikums wiederzusehen. Ich schlief sehr glücklich ein. Am ersten Tag meines Praktikums mailte Max mir morgens, dass er mir einen tollen Tag wünsche und den hatte ich dann auch. Fühlte mich inmitten meiner neuen „Kollegen“ sofort wohl und sah das Ganze als Herausforderung. Ich las viel, fragte viel und arbeitete schon bald sehr selbstständig. Nach der Arbeit fuhr ich immer so schnell es ging zu meiner schwangeren Schwester. In nunmehr drei Wochen sollte ich Tante werden und konnte es kaum noch erwarten. Überschattet war das alles nur von dem Druck den Fabian mir machte. Jette rief mich irgendwann mal an und meinte sie hätte mit ihm gesprochen. Er vertrat sie anwaltlich in einer Sache und ab und an hörten sie voneinander. Bei mir meldete er sich ja nicht mehr. War entsetzt als sie mir den Inhalt des Gesprächs schilderte. Fabian hatte mich bei einer meiner besten und ältesten Freundinnen schlecht gemacht. Sich zu trennen war nur ein Hilferuf und ich habe nicht darauf reagiert, meinte er. In den Zug hätte ich mich seiner Meinung nach setzen sollen um sofort bei ihm auf der Matte zu stehen und um Vergebung und Liebe zu betteln. Dabei hatte er sich doch von mir getrennt, weil er klare Verhältnisse wollte, was in getrennten Wohnungen ihm nach wohl nicht ginge. Was sollte ich da noch wieder ins Lot bringen, mal davon abgesehen, dass ich das ohnehin nicht wollte?! Sehr wütend über sein Kindergartengetue, rief ich ihn an und stellte ihn zur Rede. Auch ich bekam dann die Geschichte vom Hilfeschrei erzählt, dass ich ihn auf der Hochzeit nicht dabei haben wollte, mir keinen Job suchte um seine finanzielle Lage zu verbessern und dass ich mein Praktikum auch hätte in seiner Nähe machen können… Was bitte wollte der Mann von mir? Kopfschüttelnd und augendrehend ertrug ich brav seine Vorwürfe. Meine Schwester, die froh war, mal nicht über schmerzende Brüste und Nächte ohne Schlaf sinnieren zu müssen, konnte das Ende des Gesprächs kaum noch erwarten. Sie saß vor mir und kommentierte meine Aussage mit den passenden Gesten. Nachdem ich Fabian lange und geduldig zugehört hatte, holte ich tief Luft und legte los! Ich ließ alles raus, was mir je Kummer bereitet hatte. Das tat gut. Ich hatte keine Lust die Böse im Spiel zu sein und so widerlegte ich all seine sorgfältig aufgestellten Thesen. Ich war ihm nicht nur verbal überlegen, sondern auch emotional nicht mehr halb so intensiv involviert wie er, was mich klar zum Sieger nach Punkten werden ließ. Nichts anderes war es mehr. War es nie. Ein Machtkampf zwischen zwei Alphatieren. Komischerweise endete das Gespräch nicht im Streit sondern mit vielen Zugeständnissen seinerseits. Hatte ihn gefragt, ob er schon mal darüber nachgedacht habe, warum er mit 34 noch nie eine Beziehung hatte welche länger als anderthalb Jahre dauerte. Aua zwar, aber wer austeilt muss auch einstecken können. Zu meinem Erstaunen nahm der Anwalt sich das wohl zu Herzen und wir vereinbarten voneinander zu hören, wann immer uns danach ist und das wir, wenn ich zurück in der Kanzlerstadt bin, einfach mal schauen was uns noch geblieben ist. Kaum zehn Minuten nach diesem Gespräch kam eine SMS. Von Fabian natürlich. Er beschrieb mich als Mutter seiner Kinder und erkannte Teilschuld an. Ich antwortete nicht. In der folgenden Woche schickte er mir rote Rosen und ein Buch welchem ein Foto von ihm beilag. Meine Schwester lachte sich tot über diese eher peinliche Geste und stellte die Rosen mürrisch ins Wasser. Die können ja nichts dafür, meinte sie, aber trotzdem konnten wir uns beide nicht daran erfreuen. Es war zu spät für so was. Nicht mal zu meinem Geburtstag hatte ich Blumen bekommen stattdessen die mahnende Hand auf den Bauch. Ich habe ohnehin während wir zusammen waren nie etwas bekommen. Also nicht falsch verstehen, aber ich selbst habe Fabian immer mal eine Kleinigkeit mitgebracht und schon auch mal große, teure Sachen. Einfach so, ohne Anlass. Von ihm nichts dergleichen und wie authentisch sind dann bitteschön rote Rosen? Zudem gehen ich davon aus, dass sie ihn ein Vermögen gekostet haben müssen und so hallte beim Betrachten des Straußes noch immer der Vorwurf seine finanzielle Notlage ignoriert zu haben in mir nach. Ehrlich, wenn schon Blumen, dann ein bunter Strauß oder eine Sonnenblume, aber nicht so eine aufgesetzte Liebeserklärung via Fleurop. Hätte er mich gekannt oder sich je die Mühe gemacht mich zu kennen, dann hätte er das gewusst. Vielleicht lag es aber auch am Absender. Rosen von Max wären ein Traum gewesen. Bekam zwar keine Blumen von Max, aber dafür etwas viel Wertvolleres. Einen großartigen Sommer! Hatte das Objekt meiner Begierde seit dem Pocoabend nicht gesehen. Es war tolles Wetter und es war Stadtfest in Gießen. Meine Schwangere war gut versorgt und so gönnte ich mir den Luxus mit meiner Chefin aus alten Zeiten, zum Stadtfest zu gehen. Schön war’s! Wir schlenderten die Lahn entlang und feierten wie großartig wir uns fanden. Plötzlich sahen und hörten wir aus der Ferne Menschen und Musik. Irgendwas war da los und wir nicht dabei! Wir bahnten uns entschlossen unseren Weg dorthin und als wir ankamen waren wir im Himmel. Egal wohin ich sah: Männer in engen Höschen! Es war Drachenbootrennen und angetreten wurde Firmenweise. Sprich die Feuerwehr vs. Die Johanniter und die wiederum gegen die Jungs von der Zeitung usw. Was?! Die Jungs von der Zeitung? Welche Zeitung und wo waren sie? Aber die reizenden Einflüsse ließen mich mein Gedankenkarussell schnell stoppen. Es war einfach zu schön, all die definierten, verschwitzten Körper zu betrachten. Viel Bier und weitere Wettkämpfe später, traf mich dann der Blitz. Mein Max stand direkt und furchtbar süß grinsend vor mir. Meine Begrüßung war verhalten, weil seine „Bootsbesatzung“ uns im Blick hatte. Und wieder ein Zufall und wieder ein so wunderbarer. Wir redeten lange und hatten Spaß, als meine Freundin meinte, sie müsse heim zu Mann und Kind. Hatte die Wahl mit ihr zu fahren oder Max zu bitten mich später bei ihr, wo mein Auto stand, abzusetzen. Noch bevor ich zu ende überlegen konnte, sprachen Max und meine Freundin sich ab und es war beschlossene Sache, dass ich bleibe. Uns war klar, dass wir hier nicht länger bleiben wollten. Wir wollten allein sein, uns berühren und küssen. Mein Lieblingsdrachenbootfahrer machte sich auf in die Umkleiden und danach wollten wir raus zum See fahren. Stand ca. zwanzig Sekunden alleine, bis Ralf der Polizist sich zu mir stellte. Wir plauderten kurz, er drückte mir seine Nummer auf Auge und dann kam Max. Er beobachtete aus der Distanz was da vor sich ging, mischte sich aber nicht ein. Ralf war nett und sehr attraktiv, aber ich war auf Max geeicht. Unter anderen Umständen wäre ich ganz sicher mit ihm ausgegangen. Auf dem Weg zum Auto wurde mir erst mal klar, dass ich mich gleich und zum aller ersten Mal in seinen Wagen setzen würde. Mag nichts Besonderes sein, aber damit fing alles an und hatte mich seit dem so oft gefragt, ob ich es wohl je von innen sehen würde. Max nahm beim Laufen meine Hand und ich war im Himmel! Alle die uns sahen, dachten bestimmt welch schönes Paar wir waren und für den kurzen Moment dachte ich ähnlich. Es war so normal. Nichts heimliches oder verstecktes. Welch perfekter Moment! Später dann am See, war alles wie in einem Rosamunde Pilcher Film. Die Sonne ging langsam und in wunderbaren Farben unter und wir waren uns nah wie nie. Er hielt mich fest im Arm und wir mussten nicht viel reden um zu spüren, was zwischen uns war. Über ein Jahr war vergangen seit wir uns in der Altstadt über den Weg liefen und so unglaublich viel war in dieser Zeit passiert. Seine Freundin erwartete ähnlich wie meine Schwester in Kürze ihr Baby, doch zwischen mir und Max war alles wie eh und je. Wir sprachen zum ersten Mal über unsere Gefühle und konnten uns dabei in die Augen sehen. Er sah noch immer so gut aus wie damals, er roch noch immer so und fühlte sich auch so an. Ich erlebte uns pur und rein, so außerhalb des „Pocos“. Keine anderen Menschen, keine laute Musik- nur wir und die im See versinkende Sonne. Stunden später fuhr er mich zu meinem Auto. Ich nahm mir, ohne seinen Widerstand, ein hellblaues Shirt aus seiner Tasche mit der Begründung abends darin schlafen zu wollen. Auf der Autobahn fuhr ich dann gedankenverloren in Richtung Frankfurt und hörte dabei die CD, welche Max mir beim Abschied gegeben hatte. Mir war sehr wohl klar, dass so was nie wieder passieren würde. Gab genug Dinge die dagegen sprachen, aber ich nahm mir fest vor nicht wehmütig zu werden, sondern nur zu genießen was da eben geschehen war. Schlief an dem Abend wahnsinnig verliebt in seinem Shirt ein. Die Zeit des Praktikums war sehr emotionsgeladen. So glücklich mich Max auch machte, so wütend und ratlos machte mich der Anwalt. Dazu die ständige Sorge um meine Schwester und darüber ob auch alles gut gehen würde. Sie hatte nun einen festen Termin zum Kaiserschnitt, da sie ja eine „Risikoschwangere“ war. 17.August, gleich morgens. Nachdem ich Fabian wirklich nett für Blumen und Geschenke dankte, aber auch anfügte dem nicht vorbehaltlos gegenüber zu stehen, war mal wieder Funkstille. Stattdessen erhielt ich einen doch sehr förmlichen Brief mit der Bitte meine Sachen bis Ende September aus der Wohnung zu räumen bzw. aus dem Keller wohin er sie geräumt hatte. War fassungslos. Wollte nicht, dass er mein Zeug zusammen packt. Viel zu persönliche Dinge waren dabei. Aber es war zu spät. Anbei war der Kellerschlüssel und die letzte Telefonrechnung. Fabian wollte also, dass ich mir von Frankfurt aus eine neue Bleibe in Hannover suche und er wollte Geld, für das eine von mir geführte Telefonat im letzten Monat. Ich heulte und fluchte erst mal ordentlich und parallel dazu, suchte ich im Internet nach Wohnungen. Schaute ja nach einer WG geeigneten, was das Suchen erschwerte. Schnell wurde mir klar, dass ich bis Ende September nie was finde. Jette kommt ohnehin erst im Oktober. Hatte nichts zu verlieren und teilte meinem Anwalt ebenso förmlich wie er zuvor mir mit, dass ich frühestens im Oktober ausziehen kann und werde. Keine Reaktion darauf kam einem „OK“ gleich. Ich stand unter Dauerstrom! Max, Fabian, Schwester; Praktikum, Wohnung suchen, Aus-u. Umzug organisieren und in weiter Ferne ein Lichtblick…Helgoland! Geplant war, nachdem ich eine Wohnung habe, auf die Insel zu fahren, Jettes Geburtstag feiern, Jette einpacken und gemeinsam von der Insel verabschieden. Der Gedanke daran, einfach mal nur die Seele baumeln zu lassen, gab mir Kraft für alles Weitere. Was mir zudem noch Kraft gab, waren tolle Freunde die einfach immer da waren und mich unterstützten wenn ich es brauchte. Danke an dieser Stelle an alle, die sich angesprochen fühlen…Dani, Alina, Tanja, Mone… Jette und Kalis muss ich wohl nicht extra erwähnen. Max und ich trafen uns sooft es ging, wenn auch meist nur kurz. Morgens vor der Arbeit an einer Raststätte, nach der Arbeit wieder oder verabredeten uns in freier Natur. Ich fühlte mich jedes Mal etwas mehr befangen. Meine Schwester hatte in der Zwischenzeit das wohl schönste Baby der Welt bekommen und ich sah wie es meinen Schwager veränderte. Max würde nun auch bald Vater werden und dann werde ich vergessen sein. Ich hatte so Angst davor, dabei hatte ich im Vorfeld genug Zeit gehabt um mich mit dem Gedanken anzufreunden. Es schnürte mir die Luft zum Atmen ab aber war unabwendbar. Den Kampf gegen seine Freundin hatte ich nie wirklich verloren, den Kampf gegen sein Kind jedoch kann ich nur verlieren und wollte ihn auch gar nicht erst antreten. Ich schrieb ihm eine E-Mail: „Es ist schon mitten in der Nacht und ich kann mal wieder nicht schlafen…vielleicht habe ich aber auch nur Angst davor die Augen zu schließen, weil ich dann dein Gesicht sehe und von dir träume…so wie auch schon in den vergangenen Nächten. Ich stehe am Rande des Wahnsinns und tue alles um dem Spuk ein Ende zu bereiten, aber das käme dem Versuch gleich, etwas dagegen tun zu wollen, dass es wieder Winter wird. Ich denke ununterbrochen an all die Dinge die dein Leben zukünftig vervollständigen werden, meines aber um etwas Bedeutendes ärmer machen. Ich stelle mir eure neue Wohnung vor und ihren dicken Bauch, den du liebevoll streichelst. Euer erstes Weihnachten steht ins Haus und es wird etwas ganz Besonderes sein. Du hast alles was so ziemlich jeder Mensch auf dieser Welt will… Wenn du eurem Kind das erste Mal in die Augen siehst, wirst du mich vergessen und das ist vermutlich auch gut so. Es fällt mir so schwer…ich warte jede Sekunde auf eine Nachricht von dir und weiß doch, dass es nichts mehr ändern würde. Wir führen zwei komplett unterschiedliche Leben und nur temporär bestimmte meines das deine und andersrum. Ich weiß nicht wieso ich nicht von dir lassen kann, dabei möchte ich es so sehr und da schließt sich der Kreis zu einem unserer ersten Lieder…“durch die Nacht“… Ich weiß, dass du sie liebst und das nicht nur als Mutter deines Kindes, ich weiß dass du ohne sie nicht leben kannst und willst und dass du sie heiraten wirst…ich weiß das alles aber anscheinend tut es mir noch nicht weh genug, denn du verschwindest einfach nicht…so sehr ich es auch versuche. Und nun liege ich hier, mitten in der Nacht…nur noch Cookie ist wach und spielt mir unsere Musik ins Ohr, während ich dir schreibe. Da geht nun wohl eine der schönsten Liebesgeschichten der Welt zu Ende, weil sie eigentlich nie beginnen durfte. Oh Gott es zieht sich durch jede Faser meines Herzens und wird so wohl nie wieder passieren…gut so, weil dann warst du mit Gewissheit meine große Liebe und die soll es schließlich nur einmal geben. Dumm nur, dass du deine schon lange vor mir gefunden hast. Aber so ist das Leben…alles, nur nicht fair.“ Dies war mal wieder ein weiterer Versuch damit abzuschließen aber wie schon die 385 vorausgegangenen scheiterte auch dieser. Allerdings war ich diesmal zumindest so konsequent ihn nicht mehr treffen zu wollen. In der letzten Woche meines Praktikums fuhr ich mit meinen Eltern, die es sich als frischgebackene Großeltern natürlich nicht nehmen ließen nach dem freudigen Ereignis erst mal für drei Wochen nach Frankfurt zu kommen, nach Wetzlar. Wollten die jungen Eltern mal alleine lassen und derweil etwas shoppen. Max mailte mir so zwischen Eis essen und Strampler kaufen, wie entsetzt er wäre über die bereits vorhandenen Weihnachtsauslagen in den Geschäften. Konnte das nur erwidern und so dauerte es nicht lange bis Max fragte, wo ich denn gerade am Einkaufen wäre. Kaum zwanzig Minuten später stand er vor mir. Etwas verwundert, ließen meine Eltern uns allein und ich war sprachlos. Er wusste, dass ich nicht alleine war und nahm dies trotzdem in Kauf, nur um mich kurz zu sehen. Aus kurz wurde dann eine halbe Stunde und es war sehr verhalten zwischen uns. Wie immer wenn wir nicht allein waren. Auf dem Heimweg musste ich meiner Mutter dann Rede und Antwort stehen darüber, wer dieser gutaussehende junge Mann grad war. Gedanklich war ich jedoch eher dabei, mir zu überlegen warum Max sich nie an unsere Absprachen hält. Wollten nur noch telefonisch Kontakt haben uns aber nicht mehr sehen. Meine Abreise und die Geburt seines Kindes standen bevor. Wollten es uns nicht schwerer machen als es ohnehin schon war. Aber auch bei ihm schrie das Herz einfach lauter als der Verstand. Ich war zu schwach. Zu schwach um endgültig mit ihm und unserer Geschichte zu brechen. Kaum zurück in Frankfurt schrieb ich Max eine E-Mail und es sollte die letzte sein: „Habe mich nun also doch entschlossen, dir zu schreiben… Als du vorhin so plötzlich vor mir standest, wäre mir bald das Herz stehen geblieben. Nicht, weil ich mich nicht gefreut habe, sondern weil ich alles erwartet hatte, nur nicht dich zu sehen. Ich glaube mir ist manchmal nicht klar, wie wichtig ich dir sein muss, weil du all das auf dich nimmst, mich immer wieder sehen willst, mir wunderschöne Dinge schreibst, Deine Beziehung für das Wenige das wir haben, hinterfragst und weil du einfach immer ganz wunderbar und aufmerksam bist. Du merkst dir all diese kleinen Dinge die uns ausmachen und hast einen       „Mandy-Ordner“. Das alles in der Summe, ergibt gaaaanz viel Gefühl und doch stelle ich es so oft in Frage…blöd eigentlich. Ach Liebster, du machst es mir ja so schwer. Wollte schon so oft einfach aufhören an dich zu denken oder dich zu lieben, aber es will mir nicht gelingen, vor allem dann nicht, wenn du mir „zufällig“ in die Arme läufst oder liebe Zeilen an mich richtest. Denke oft ich muss mein Leben jetzt ohne dich leben und ich kann es auch schaffen…aber nur wenn du mir dabei hilfst…mich gehen lässt und die Farben nicht ständig auffrischst. Auf der anderen Seite stelle ich aber fest, dass du mein Leben BIST und mein Plan unmöglich funktionieren kann. Nun also meine Bitte an dich und ich finde, dies bist du mir einfach schuldig: Lass mich gehen und gib mir die Chance damit fertig zu werden, weit weg von dir und unserer Stadt, unserer Zeit, weit weg von uns eben. Du bist ohnehin immer da und allein schaffe ich es eben nicht…zu groß der Wunsch doch von dir zu lesen oder dich zu sehen, was auch immer mein Verstand anderes behauptet. Wenn du dir also sicher bist, dass es für uns beide kein gemeinsames Leben geben wird, dann lass mich bitte bitte gehen. Es tut mir leid, dass du dies entscheiden musst, aber wann immer ich entschieden habe ohne uns leben zu wollen um überhaupt wieder leben zu können, hast du mich neu verzaubert. Tu das nicht mehr, mein Herz. Das ist ein Hinhalten auf unbestimmte Zeit und somit nicht richtig. Bin wohl selbst zu schwach zum konsequent sein, also sei du es bitte. Vielleicht hilft es, wenn wir uns vorerst eine andere Ebene suchen. Freunde sein wird wohl niemals gehen, aber irgendwas zwischen alles oder nichts, muss es doch für uns geben. Kann dich nicht haben, aber auf dich verzichten kann ich auch nicht…fällt dir was ein?! Aber ich vermute ohnehin, dass, wenn Dein Baby erst mal da ist, Deine Welt eine andere sein wird. Bleibt zu hoffen, dass du und Deine Freundin irgendwann wieder mehr als Eltern sein könnt. Aber wer weiß, vielleicht seid ihr das ja jetzt schon. Keine Ahnung wie es momentan zwischen euch ist und ich mag es mir auch gar nicht erst vorstellen, weil es mir gewiss nicht gefällt. Und so komme ich mal wieder nicht umhin mich zu fragen, welche Art von Prüfung dies alles hier für uns sein soll und warum fühlt es sich so unglaublich gut an, wenn es doch scheinbar falsch ist, weil es nicht sein darf?! Auf jeden Fall aber bist du unumstritten die große Liebe für mich und dies entscheidet nur mein Herz. Das ist was ganz Besonderes, weil mein Herz noch nie die alleinige Entscheidungsgewalt hatte…aber bei dir ist eben alles etwas anders. Du bist eine wahre Bereicherung und allein Deiner Existenz zu wissen, macht mein Leben lohnenswert.“ Max reagierte nicht darauf. Selbst Tage später nicht und mir war nur zu klar, was geschehen sein musste. Am 12.September mailte er mir dann, Vater eines gesunden Jungen geworden zu sein. Er war Tag und Nacht in der Klinik und ich war Tag und Nacht am Ende. Die Wochen die hinter uns lagen, waren so intensiv und gehaltvoll. Verbrachten so viel Zeit wie nie zuvor miteinander und im Nachhinein betrachtet war es wohl der Abschied den ich mir gewünscht habe. Und trotz all der schönen Erinnerungen, stand mir das Wasser bis zum Hals. Mein Herz blutete, ich hatte Druck vom Anwalt was das Ausziehen und Umziehen betraf, noch immer keine Wohnung gefunden und auch keinen Job. War gedanklich oft davor der Bequemlichkeit halber vor Fabian zu Kreuze zu kriechen, aber Gott sei Dank dauerten diese seltsamen Anwandlungen nie allzu lang. Ich hatte den Boden unter den Füssen verloren was bei den Perspektiven Arbeits- u. obdachlos wohl auch kein Wunder war. Die Zeit zerrann mir zwischen den Fingern…aber im Kreise meiner Familie und beim Anblick meiner zauberhaften Nichte schien alles nur noch halb so schlimm zu sein. Die Wohnungssuche lief schleppend. Nicht, dass es nicht genug Wohnungen gegeben hätte, aber ich konnte ja schlecht wegen jedem Besichtigungstermin nach Hannover fahren oder erwarten, dass mir jemand eine Wohnung reservierte. Also zäumte ich das Pferd von hinten auf und schaltete in der HAZ eine Anzeige. Formulierte klar meine bzw. unsere Wünsche und bestimmte nun selbst die Besichtigungstermine. Ich hatte eine enorme Resonanz und packte mir das Wochenende der vorgezogenen Wahlen voll mit Terminen. Es war nun also Mitte September und mein Praktikum vorbei. Meine Planung sah wie folgt aus: Mit der Hälfte meines „Sechswochengepäcks“ und mit dem Auto meiner Schwester fuhr ich nach Hannover. Ich nahm das unglaublich liebe Angebot von Dani an, während der Wohnungssuche in ihrer WG unter kommen zu können. Wo sollte ich auch hin? Zum Anwalt ganz sicher nicht. Hatte ca. zehn Besichtigungstermine und hoffte so sehr, dass schnell das Passende dabei ist. Zudem wollte ich auf keinen Fall versäumen dem Kanzler erneut meine Stimme zu geben und dann wollte ich so rasch wie möglich zurück nach Frankfurt um meinen tatsächlichen Umzug zu organisieren. Anfang Oktober im eigenen Bett schlafen war mein Plan und alles soweit vorzubereiten, dass ich Mitte Oktober meine neue Mitbewohnerin von der Insel holen konnte. Mir blieben ganze drei Wochen für all das. In Hannover angekommen ließ ich keine Zeit unsinnig verstreichen. Noch bevor ich meine Sachen zu der wunderbaren Dani nebst Mitbewohner Chris brachte, schaute ich quasi schon von der Autobahn aus die ersten Wohnungen an. Das war freitags und am Samstag fand ich sie dann. Unsere Wohnung! Hatte schon fast nicht mehr daran geglaubt und war nervlich nur noch wenig belastbar. Ich musste alles ablaufen, weil ich in der großen fremden Stadt kaum eine Ahnung hatte, welche Bahn mich wohin bringt und während der Beziehung mit Fabian habe ich nicht viel von Hannover gesehen. Hatten ja nie Geld für große Unternehmungen und selbst wenn, dann waren wir mit dem Auto unterwegs und als Beifahrer interessierte mich auch nicht sonderlich wie man wo hin kommt. Aber nun hatte ich es geschafft.

Limmern in Linden

Im wunderbar bunten und individuellen Stadtteil Linden-Nord fand ich eine Wohnung, die frisch renoviert nur darauf wartet von zwei Mädels bezogen zu werden. Am Wahlsonntag fuhr ich dann nach Kleefeld. Dort hatte ich bislang gewohnt, war noch gemeldet und somit war es mein Wahlbezirk. Meine Bahn fuhr direkt am Kantplatz vorbei und ich konnte mir einen Blick auf die Wohnung vom Anwalt nicht verkneifen. Hatte ich mich jetzt verguckt, oder stand Fabian am Fenster? Hatte er bei jeder vorbeifahrenden Bahn geschaut ob ich darin saß? Zugetraut hätte ich es ihm… Leicht beschwingt und in der Hoffnung, dass es vielleicht doch keinen Regierungswechsel geben würde verließ ich das Wahllokal und schlenderte zurück zu Bahn. Als ich die Straße überqueren musste hupte mich ein Auto an. In Gedanken vertieft, schaute ich auf und traute meinen Augen nicht. Wie ein Gott thronte der Anwalt in seinem neuen, schicken und viel zu teuren Dienstwagen. Den wollte er schon im Frühjahr unbedingt haben, mit der sehr schlüssigen Begründung, dass ja nicht ginge, dass all seine Azubinen ein besseres Auto fahren als er. Im August wurde der Wagen dann werksneu geliefert und nun durfte ich ihn sehen! Er hupte mich zwar an, aber verzog keine Miene und erhob nicht mal die Hand zum Gruße. Mit einem breiten Grinsen über diese peinliche Aktion, nickte ich ihm zu und ging einfach weiter. Schließlich war er es, der den Kontakt abgebrochen hatte, nachdem ich mich nicht gebührend über seine Rosen gefreut hatte und auch sonst recht wenig auf ihn reagierte. Also doch, dachte ich mir. Er hatte tatsächlich Ausschau nach mir gehalten um mich im Wahllokal abzufangen und um seinen Wagen zu präsentieren. Rief sehr vergnügt auf der Stelle meine Schwester an um davon zu berichten. In liebgewordener Tradition holte ich mir am Kantplatz noch einen Kaffee zum Mitnehmen und wollte gerade in meine Bahn steigen, als ich Fabian auf der gegenüberliegenden Straßenseite sah. Leider war er schneller als die Bahn und winkte mich zu sich rüber. Und dann stand er vor mir. Schlecht sah er aus, aber das beeindruckte mich herzlich wenig. Noch bevor er eröffnen konnte, erzählte ich von der Wohnung und dass ich in Kürze den Umzug machen werde. Natürlich kam ich um eine erneute Beziehungsdebatte nicht herum und ehe ich mich versah, saß ich im schicken Dienstwagen. Er wollte zum Maschsee fahren um zu reden. Das war so ziemlich das Letzte worauf ich Lust hatte und außerdem war ich mit Dani und Tanja verabredet, was mehr Spaß versprach. Aber Augen zu und durch. Tja und eigentlich hätte es völlig gereicht eine Tonaufnahme aus vergangenen Zeiten abzuspielen, denn wie eh und je ging es um dieselben Sachen. Da stand auf der einen Seite, dass ich die Mutter seiner Kinder sein sollte und zu immerhin 95% dem entspreche, was er von einer Frau erwarte aber natürlich an allem Schuld bin. Hätte ich damals nicht aus dem Nähkästchen geplaudert dann hätte er mich bis an Ende aller Tage auf Händen getragen. Bitte? Erwiderte darauf nur, dass gerade die 5% die uns fehlen, die elementarsten wären und dass unsere Beziehung nichts weiter als ein Machtkampf gewesen wäre. Ich habe ihm alles was sich innerlich bereits gesetzt hatte, noch mal frisch zubereitet und kein Blatt mehr vor den Mund genommen. Er hat mich klein gemacht um sich selbst groß zu fühlen. Aber er hat alles weit von sich gewiesen, denn es wäre nur Reaktion auf mein Verhalten gewesen. Im Gegensatz zu den Debatten die wir sonst so führten, schaffte er es diesmal nicht, sich in die Opferrolle zu spielen. Er war für mich durchsichtig wie meine teuren Organza Gardinen, die im Übrigen immer noch vor seinen Fenster hängen… Tja und als ich dann Sex ins Spiel brachte, war es nur noch lächerlich. Noch nie hätte er eine so fordernde Frau erlebt, wobei ich an dieser Stelle erwähnen möchte, dass ich lediglich einen Orgasmus so ab und zu beanspruchte. Ich wollte nicht gefesselt und gepeitscht werden, sondern nur so einmal von sechsmal Sex, auch fertig werden. Es gibt Männer, für die ist Sex erst richtig schön, wenn die Frau vor Erschöpfung nach dem dritten Orgasmus um Pause bettelt. Ich hingegen wollte nur einen mal ab und an und muss mir dann sagen lassen ich wäre zu fordernd. Ich verlor Respekt und alles was an Achtung noch geblieben war. Was ein kranker, gestörter Typ! Empfand ab dato nur noch Mitleid, weil auch ein dicker Wagen, gehobenes Anwaltsgequatsche und eine Robe keinen besseren Menschen schaffen. Dann fuhr er mich in die List, wo ich mit den Mädels verabredet war. Das war das letzte Mal, dass wir uns sahen.   Zurück in Frankfurt, war ich dann gelöst und befreit. Hatte den Schlüssel für unsere Puppenstube einstecken, mit Fabian alles noch nötige geklärt und viel Zeit mit meinen neuen Hannoverfreundinnen verbracht. Jetzt lagen noch ein paar entspannte Tage vor mir und am 1.10 sollte dann der Umzug stattfinden. Zurück in Frankfurt ist auch immer ein wenig zurück zu Max. Dieser meldete sich wenig und wenn erzählte er von seinem Sohn. Wie stolz er war! Schluckte den Schmerz runter und tat was ich am besten kann. Prioritäten verlagern. Nahm wieder vermehrt Kontakt zum schönen Ornithologen auf. Ich erzählte ihm von meiner Trennung und von meiner neuen WG-Wohnung. Zur Abwechslung mal interessiert und wenig sexualisiert ergaben sich nette E-Mail Intermezzi. Dann lud ich ihn auf einen Kaffee in die Expocity ein und grenzte dabei den Zeitraum aus, in welchem ich auf der Insel sein würde. Und wie sollte es auch anders sein, er schrieb mir, zur selben Zeit beruflich dort auch zu sein. Konnte mein Glück kaum fassen. Es war zu paradox, dass wir uns und exakt 365 Tage nach unserem letzten „Treffen“ nun am selben Ort wiedersehen würden. Ich freute mich nun also auf unverbindliches Amüsement mit einem Matchoarsch. Das hatte ich mir nach all dem aber auch wirklich verdient. Girls just want to have fun…oder wie war das ?! Aber erst die Arbeit und dann das Vergnügen. Der Umzug! Meine Wetzlar-Jungs Daniel und Sebastian wollten mir helfen, wobei Basti kurzfristig absagte auf Grund eines Bundeswehrmanövers, an dem er teilnehmen musste. Sebastian war so was wie mein bester Freund geworden. Kennen gelernt habe ich ihn als er 17 war und in den Jahren die dann vergingen konnte man ihm dabei zusehen wie er erwachsen wurde. Er ist so der Typ Mann, der mit dem Rucksack durch Thailand reist auf der Suche nach sich selbst und immer neuen Abenteuern. Im Zuge dieser Selbstverwirklichung hatte er dann aber verpasst den Wehrdienst zu verweigern und so kroch er im Oktober dann irgendwo durch den Schlamm und an seiner Stelle half mein wunderbarer Schwager mir beim Umzug. Es war ein harter Tag. Es regnete und ich zog immerhin ins 4. Obergeschoss. Fabian hatte mein Zeug im Keller gelagert und ich wusste nicht genau was mich dort an Menge erwarten würde. Ausgehend von ca. 5 Kartons waren es dann doch elf sowie ein Herd, ein Tisch und ein Bett. Da wir nur Daniels Kombi zur Verfügung hatten fuhren wir ca. 17345 Mal von A nach B und immer quer durch die Stadt. Aber zu keiner Zeit kam schlechte Stimmung auf und meine fleißigen Helfer und ich haben es dann irgendwie geschafft. Die Zwei sind dann auch noch am selben Tag wieder zurück nach Frankfurt, weil ich kaum für mich selbst ein eigenes Bett hatte und meine Schwester samt Baby wollten auch nicht lange auf Mann und Vater verzichten. Gegen Mitternacht bin ich dann halbtot auf meine Matratze gefallen, während die Jungs noch auf der Autobahn waren. Werde sie nie vergessen, meine erste Nacht in Freiheit! War so stolz auf mich, es wirklich mit allen Konsequenzen durchgezogen zu haben. Das Auspacken der Kartons am folgenden Wochenende versetzte mir jedoch ab und an einen Hieb in die Seite… Fabian hatte mir alles was ich ihm jemals geschenkt hatte zurückgegeben. Wusste nicht genau ob ich mich freuen oder heulen sollte. Ich meine, Geschenke gibt man ja nun wirklich nicht zurück zumal sie ja von Herzen kamen. Aber er wollte mich eben komplett aus der Wohnung haben und da gehörte alles was an mich erinnerte dazu. Konnte mir dann allerdings in den darauffolgenden Tagen einen zynischen Brief nicht verkneifen in welchem ich ganz klar Stellung bezog. Nannte die „Geschenkerückrufaktion“ albern, denn nichts anderes war es gewesen und forderte ihn zu gleich auf, wenn dann doch bitte alles zurückzugeben. Dem folgte eine klare Aufzählung der Dinge die noch fehlten. Wollte sie natürlich nicht wieder haben sondern ihm unmissverständlich zeigen wie kindisch ich ihn fand. Er war eben nicht der Typ für eine saubere Trennung. Ich beschäftigte mich viel in der Wohnung und als ich an den Punkt kam da es nichts mehr zu tun gab, brach ich völlig zusammen. Das Jahr hatte mich so viel Kraft gekostet und nun saß ich in meiner tollen WG-Wohnung und so leer wie diese war fühlte ich mich. Jette fehlte mir! Helgoland und Alex sehen rückte immer näher, aber wie sollte ich die Zeit bis dahin überstehen? Ich ging viel aus aber sobald ich abends zurück war, fühlte sich alles wieder leer an. Morgens war es besonders schlimm. Suchte nach Gründen um überhaupt aus dem Bett zu kommen aber fand selten einen. Kurz entschlossen packte ich meine Sachen und fuhr zu meinen Eltern an die Ostsee. Dort würde ich zur Ruhe kommen und von dort zurück nur schnell meine Koffer umpacken und zu Jette auf die Insel zu fahren. Ich fand den Halt den ich zu verlieren schien bei meiner Familie wieder und schöpfte neue Kraft. Nun war es also soweit. Ich kam an einem Donnerstag aus Stralsund zurück und wusste es wird die letzte einsame Nacht in der neuen Wohnung sein. Der nächste Morgen begann wie ich es mir erhofft hatte. Ich war voller Wiedersehensfreude auf meine Freundin und die kleine Insel. Sie holte mich gegen Mittag vom Schiff ab und meine kleine komische Welt schien wieder in Ordnung zu sein. Wir redeten ohne Pause und ich war nahezu euphorisch bei dem Gedanken daran am Abend den Ornithologen zu sehen. Wie schon im Jahr zuvor verabschiedete meine Jette mich für ein paar Stunden, weil sie noch arbeiten musste und ich legte mich zum Vorschlafen ins Bett. Diesmal nur ohne den nervigen Anwalt der zwingend Sex wollte. Gegen acht Uhr war ich hübsch zurecht gemacht bei Jette im „Fährhaus“ zum Essen eingeladen und von dort aus zogen wir weiter in die „Moccastuben“ um uns mit dem ein oder anderen Drink auf den Abend einzustellen. Freute mich sehr die süße Antje wiederzusehen, der das Restaurant gehörte und die ich bereits letztes Jahr schon in mein Herz geschlossen hatte. Gegen elf Uhr wurde ich dann etwas ungeduldig. Alex und ich hatten uns für das „Krebs“ verabredet und ich wollte ihn endlich sehen! Jedoch wurde es zwölf bis wir loszogen. In der Diskothek angekommen war ich etwas enttäuscht, weil kaum etwas los war und ich auch mein „Date“ nirgends sehen konnte. Aber ich war einfach zu gut drauf um mich lange am enttäuscht sein aufzuhalten und so tat ich was ich am besten kann- feiern! Wir tranken und tanzten, wir lachten und tranken noch mehr und all der Schutt der letzten Monate schien sich in Wohlgefallen aufzulösen. Ich denke das nennt man glücklich sein… Auf dem Weg zur Bar stand er dann vor mir. Alex! Er sah noch besser aus als ich ihn in Erinnerung hatte und wir begrüßten uns stürmisch wie Freunde die einander ewig nicht gesehen haben. Lange aber heimlich betrachtete ich ihn. Einen Mann wie ihn nennt man wohl am treffendsten schön. Mittlerweile Doktor der Biologie der auf die vierzig zu ging und sich kleidete wie ein Mittzwanziger. Aber es war nicht auf Wirkung gequält wie bei Fabian, dem immer einer abging wenn er jünger geschätzt wurde. Es hatte Stil. Er hatte Stil. Wir verbrachten den Abend gemeinsam und optisch als Paar. Volles Programm mit Händchen halten, knutschen und tiefen Blicken. Es war ein perfekter Abend, der langsam zum Morgen wurde. Alex brachte mich in meine Bleibe, die einer lieben Freundin von Jette gehörte und die sie mir wunderbarer weise zum Schlafen anbot. Wie selbstverständlich kam er mit rauf. Dr. Alex Hoffmann ließ sich aufs Bett fallen, weil es die einzige Sitzgelegenheit war und weil einfach mal kurz liegen nach 120 Martinis auch ganz gut tat. Ich legte Musik auf und wir redeten lange während wir uns im Arm hielten. Er überschüttete mich mit Komplimenten und auch diese waren nicht auf Wirkung gequält, was ich daran merkte, dass ich rot wurde. Er streichelte mit einer nie erlebten Sanftheit mein Gesicht und bemerkte immer wieder wie schön ich doch wäre. Dabei war ich einfach nur ich. Ich, wie ich nach so einer Nacht eben aussehe mit verwischter Wimperntusche und zerzausten Haaren und zudem völlig frei von Zwängen, weil ich nichts erwartet hatte. Alex sagte immer wieder wie unglaublich wohl er sich gerade fühlt und dass er mit allem gerechnet hätte, nur nicht damit. Nur nicht damit? Womit? Damit, dass ich eine Venus bin und er nie wieder gehen will, meinte er. Dann sprach er von seiner fünfzehnjährigen Beziehung und davon, dass er eigentlich zurzeit sehr zufrieden sei…und dann komm ich daher. Alarmstufe Rot und jetzt ganz ruhig weiteratmen und Haltung bewahren. Das alles hatte ich vor nicht allzu langer Zeit bereits von Max gehört. Ich erzählte dem Doc davon und den Rest der Nacht verbrachten wir nicht damit uns unverbindlich zu lieben, so wie es ja anfänglich gedacht war, sondern wir hielten uns einfach nur stundenlang im Arm und sagten abwechselnd: „Scheiße!“ Ich betrachtete jedes seiner silbergrauen Härchen. Er hatte so unbeschreiblich schönes, volles, welliges, griffiges Haar… Alex roch zudem zum wahnsinnig werden gut. Verdammt noch mal, was habe ich verbrochen, dass mir der Himmel immer Männer schickt die nicht zu haben sind?! Als er dann morgens gegen acht Uhr ging war ich mir nicht recht sicher darüber was ich fühlte. Ich war einerseits glücklich weil ich Teil eines Traums sein konnte und andererseits sah ich mich schon bei Tempo als Großabnehmer. Mein Verstand sagte mir die Finger und das Herz davon zu lassen, aber mein Körper verzerrte sich nach ihm. Er fühlte sich an wie das letzte Puzzleteil welches die Lücke schließt. Da ich ohnehin nicht mehr schlafen konnte stand ich auf und schwebte über die Insel. Meine Glückshormone schlugen Purzelbäume und ich hatte Lust jedem auf dieser Welt von meiner Nacht zu erzählen, die ohne Übertreibung den Status: einzigartig verdient hatte. Mit Jette brauchte ich an diesem Tag nicht zu rechnen. Der letzte Wodka musste schlecht gewesen sein und so verbrachte sie den Tag in Lindas Keller um sterben zu wollen. Ich hingegen schrieb Karten, schlenderte über die Insel, machte Fotos und war glücklich. Die Insel erstrahlte in einem ganz besonderen Glanze und ich konnte plötzlich verstehen was Jette hier all die Jahre hielt. Zudem war der Himmel blau und die Sonne schien mir ins Gesicht während ich gedankenverloren am Strand hockte. Ich dachte jede Sekunde an Alex und unsere Nacht. Jede! Vor all dem Glück blieb meine Objektivität total auf der Strecke und ich redete mir glaubhaft ein, ich könnte damit umgehen. Aber was ich zu keiner Zeit in Frage stellte war die fehlende Bereitschaft wieder den Staus einer Geliebten zu erlangen. Immerhin. Ich ging an diesem Abend todmüde und allein recht früh zu Bett. Jette hatte am nächsten Tag Geburtstag und ich wollte fit sein. Alex sah ich nicht und das war in Ordnung, schließlich war er nicht wie ich zum Urlaub machen, sondern zum Arbeiten auf der Insel. Ich sinnierte im Bett liegend lang über die Intensität der vergangenen Nacht. Ich konnte selbst nicht glauben was ich da dachte und erschreckte mich vor mir selbst, denn diese Nacht hatte die anderthalb Jahre mit Max in den Schatten gestellt. Wenn Sie bis hierhin aufmerksam meinen Seelenkampf gelesen haben müssten Sie verstehen wofür mir zum Beschreiben die Worte fehlten. Ich schlitterte unaufhaltsam in eine neue unglücklich Liebe. Sich dies einzugestehen war hart aber wenn ich auch bis dato nicht wusste wie ich damit umgehen würde, so nahm ich mir doch fest vor alles was passiert war auf der Insel zu lassen. Ich war endlich an einem Punkt da Max noch immer präsent war, aber mir der Gedanke an ihn nicht mehr die Luft zum Atmen nahm und dann so was… Jede meiner Freundinnen denen ich telefonisch oder wie auch immer davon berichtete mahnte mich zur Vorsicht, aber ich konnte nicht anders. Der nächste Morgen war vom Gefühl her ein anderer. Es ging mir weniger gut. Ich machte mich fertig und auf den Weg ins „Fährhaus“ um dort meine Jette zu treffen. Stattdessen traf ich Alex und mein Herz wurde groß. Er hatte Zeit und wir aßen zusammen. Er aß, ich kriegte nichts runter. Wir hielten uns an den Händen und tauschten wieder tiefe Blicke. Er himmelte mich an und ich genoss und erwiderte. Wir plauderten nett und verloren kein Wort darüber wie es jetzt weiter gehen sollte. Als Jette dann zu uns stieß saßen wir noch eine Weile zu dritt bevor Dr. Hoffmann sich verabschiedete. Wollten uns abends treffen. Es war sein letzter Abend auf der Insel. Am nächsten Tag würde er abreisen und zurückkehren zu seiner Freundin. Nachdem er gegangen war werteten Jette und ich den „Krebs“- Abend aus und auch was mit mir und Alex passiert war. Es gab noch viel zu organisieren was unsere Abreise betraf. Immerhin war meine Freundin an dem Punkt da sie tatsächlich mit mir gemeinsam diese Insel verlassen wollte um in ein neues Leben zu starten. Es schien mir noch so unwirklich und ich konnte mir nicht vorstellen wie es in ihr aussehen musste. Wichtig war ihr, die noch verbleibenden Tage mit Linda zu verbringen und dies gestand ich ihr natürlich zu. So verbrachte Jette den Rest ihres Geburtstages mit ihrem zweiten Ich in trauter Zweisamkeit. Ich hingegen fühlte mich körperlich angeschlagen. Zuviel gefeiert, zuviel getrunken in den letzten Tagen. Ich sagte die Verabredung mit Alex ab, bat ihn lediglich kurz vorbeizukommen. Ich hatte ihm die CD gebrannt, die wir in unserer Nacht immer wieder gehört hatten, weil sie ihm so unglaublich gut gefiel. Der Mann hatte einen großartigen Musikgeschmack und ich habe außer Max niemanden so über Musik reden hören. Er kannte alles was ich liebe. Alex kam um halb zehn am Abend und ich ging davon aus, dass er nicht lange bleiben würde. Aber er blieb und die liebgewonnene Vertrautheit machte sich wieder breit. Er erzählte mir davon, dass er im Laufe seiner Beziehung schon drei Mal „fremdverliebt“ war, sich aber in letzter Konsequenz nie trennte und seine Freundin immer über alles im Bilde war. Wie sehr musste sie diesen Mann lieben um das ertragen zu können. Ich verstand sie… Nach fünfzehn Jahren trennt man sich eben nicht so einfach, meinte er und in meinem Kopf dröhnte alles wieder was einst Max mir sagte. Mein letztes Puzzleteil küsste mich so zärtlich und liebevoll wie kein Mann zuvor. So küsst man kein Abenteuer, dachte ich mir und erwischte mich dabei Hoffnungen wachsen zulassen. Wir redeten nicht. Wieder lagen wir einfach nur zusammengeknäult da und spürten uns. Er streichelte wortlos jeden Millimeter meiner Haut während unsere CD lief… Als es hell wurde ging er und ich bat ihn sich nach seiner Abreise nicht mehr zu melden, weil ich es anders nicht schaffe. Nahezu mitleidig nahm er mich in den Arm und sagte, dass er nicht will, dass es mir schlecht ginge. Ich tat mit all meiner mir noch gebliebenen Kraft ganz taff und stark und versichert schon ein großes Mädchen zu sein um welches er sich keine Sorgen machen müsse. Dann ging er und ließ mich zurück. Gebrochen, einsam und leer. Ich war zu schwach zum Weinen und in meinem Kopf herrschte Stille. Am nächsten Morgen lief all mein Handeln automatisch. In meinem Kopf war noch immer nichts außer der schmerzenden Gewissheit, dass er in wenigen Stunden die Insel verlässt. Jetzt zu sterben hätte ich nicht als schlimm empfunden. Ich fühlte mich wie fünfzehn. Ich hatte Liebeskummer. Ein Gefühl, welches mir sehr neu war, zumal ich zum Abschiednehmen immer mehr Zeit hatte. Bei Max anderthalb Jahre, bei Fabian neun Monate. Ich war völlig überfordert mit dem was in mir vorging und das Schlimmste war, dass Jette Lindatag hatte, was hieß dass ich mit meinem Kummer mutterseelenallein war. Ich konnte nicht denken, nur schwer atmen und wozu auch?! Er war weg und hatte mein Herz mitgenommen. Die folgenden Tage waren unbeschreiblich. Plötzlich sah ich die Insel mit ganz neuen Augen. Die Sonne war weg und es regnete. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich war so hilflos und mir selbst ausgeliefert. Dr. Alex Hoffmann fuhr am Montag und nur der Gedanke daran am Mittwoch endlich diese Insel verlassen zu können hauchte mir neuen Lebensmut ein. Ich wollte nur noch weg! So wie damals bei Max, nur dass die Insel viel kleiner ist und es quasi kein Entrinnen gibt. Man ist ihr und seinem Kummer ausgeliefert. Ich lief an dem Tag da Alex fuhr stundenlang wahllos umher und heulte alles raus. Ich ging sogar und nur um mein Leiden noch unerträglicher zu machen in eine Parfümerie und besprühte mich von Kopf bis Fuß mit seinem Duft. Mehr war mir also nicht geblieben… Wenn man auf der Insel glücklich ist, ist sie ein Paradies. Ist man jedoch unglücklich so kommt sie der Hölle gleich. Was bei mir nur wenige Tage dauerte, dauerte bei Jette viele Jahre und ich fragte sie, woher sie die Kraft zum Weiterleben nahm. Sie sagte: „ Linda war der Grund warum ich zeitweise nicht mehr am Leben hing und doch war Linda der einzige Grund zum weiterleben.“ Ich verstand. Endlich war es Mittwoch. Unser Schiff sollte um halb fünf am Nachmittag ablegen. Wir hatten alles soweit organisiert und eine große Abschiedsrunde gestartet. Jette war so traurig und niemand ihrer Leute wünschte ihr alles Gute, sondern alle weinten und hofften sie würde zurückkommen. Ich war sehr bemüht sie in ihrem Schmerz aufzufangen, sie immer wieder darin zu bestätigen, dass sie das Richtige tun würde, aber mir fehlte doch selbst so sehr die Kraft an einen Neustart zu glauben, jetzt da ich so etwas Kostbares verloren hatte. Aber wir meisterten es gemeinsam. Wir standen auf dem Schiff und sahen in weinende Gesichter die uns begleitet hatten. Wir hielten uns gegenseitig im Arm und ich bin nicht sicher wem von uns beiden es schlechter ging. Linda kam nicht mit zum Schiff und ich konnte diese Entscheidung nur begrüßen. In Zweisamkeit hatten sie Abschied genommen und das war gut so. Das Schiff legte ab und wir bestellten Sekt. Pünktlich um halb fünf mailte Alex, dass er uns eine gute Überfahrt wünschte. Antwortete nicht darauf. In Cuxhaven angekommen holte Jette schnell den reservierten Leihwagen ab. Stand derweil beim Gepäck, das an Menge dem einer Reisegruppe entsprach. Jette war gut drauf und schon auf dem Schiff voll Vorfreude auf unsere neue Wohnung. Ich ließ mich einfach davon anstecken bis Alex erneut schrieb. Er fragte warum ich seine erste Nachricht unbeantwortet ließ und erzählte mir seit Stunden unsere Musik zu hören. Er betonte erneut wie wohl er sich bei mir fühlte und wie unbeschreiblich schön die wenigen Tage waren. So sehr mich auch glücklich machte dies zu lesen, so traurig machte es mich auch. Nicht umsonst hatte ich ihn darum gebeten sich nicht mehr zu melden. Wir vermissten einander so sehr, dass es körperlich wehtat, was ich aber nicht in dieser Deutlichkeit formulierte, weil ich ja das künstlich erschaffene Bild von mir als starkem Mädchen aufrecht erhalten musste. Die folgenden Tage in Hannover boten gute Ablenkung. Jette liebte unser neues Zuhause bzw. machte sie eines daraus. Die Leere der Wohnung, die mich vor der Abreise zu meinen Eltern so bedrückte, war wie weggeblasen. Ich fühlte mich nun wohl und der Schmerz war nur noch abends, wenn ich allein im Bett lag spürbar. Dann allerdings in seiner gesamten Vielfalt. Da ist man nun kurz davor 30 zu werden und im Grunde ist es noch immer wie einst mit 13. Unglaublich taff fühlt man sich, quasi über den Dingen stehend. Man hat reichlich Erfahrungen gesammelt, sich entwickelt, man weiß was man will und doch reichen zwei wundervolle Nächte mit einem Fremden und die Welt steht Kopf. Und das mir, wo ich doch die eine Katastrophe gerade am Überstehen bin. Aber ein Unglück kommt selten allein und ich mittendrin. Als ob es nicht schon schlimm genug wäre einen Mann zu lieben der nicht zu haben ist…nein das reicht mir nicht. Zum perfekten Unglück gehören eben zwei vergebene Männer. Wie nahe Liebe und Leid doch bei einander liegen habe ich jetzt am eigenen Leibe gespürt und es fühlt sich nicht gut an. Dabei hätte ich es besser wissen müssen. Glaube doch immer noch mich gut zu kennen, nur gebe ich mir selbst tolle Ratschläge dann versäume ich mit Regelmäßigkeit den Punkt an dem ich sie mir zu Herzen nehmen sollte. Warum haben wir, oder vielleicht auch nur ich, es einfach nicht im Griff auf die Alarmglocken zu hören die schon nahezu das Trommelfell zum Zerreißen bringen. Ich überschätze mich gern und am Ende bleibt ein gebrochenes Herz. Immer wieder!!! Nach erneuter Aufforderung meinerseits, mir nicht mehr zu schreiben, kam mein Ornithologe dann nach. Ich denke er hatte jetzt verstanden, dass das große Mädchen sehr klein und traurig war. Er schickte mir zum Abschied ca. dreißig CDs, allerdings ohne ein geschriebenes Wort dabei. Dann hörten wir nichts mehr voneinander. Die Wochen vergingen und Jette und ich therapierten uns gegenseitig. Es war alles ganz wunderbar. Wir hatte Unmengen Spaß und meine Hannover-Freundinnen nahmen Jette bedingungslos an, was mir natürlich vorher schon klar war, da sie einfach großartig ist, was ja auch anderen nicht entgeht. Ich nahm mein Studium wieder auf und wenn ich nach einem langen Tag heim kam, dann hatte meine Lieblingsmitbewohnerin mir ein Bad eingelassen, Essen gemacht, Kerzen brannten und gute Musik lief. Himmlisch! Zumindest bis ich abends ins Bett ging. Dann holten sie mich oft ein, die Geister der Vergangenheit. Dachte noch oft an Alex, im Bett liegend, seine CDs hörend und auf sein Bild schauend. Aber zum Ende einer jeden „Selbstmitleidsorgie“ wurde mir klar wozu es gut war. Max hatte eine andere Stellung in meinem Leben eingenommen. Noch immer wichtig, aber nicht mehr existenziell. Ein Dankeschön an dieser Stelle an Dr. Alex Hoffmann. Danke dafür, zu wissen dass es noch großartige Männer gibt, die meinen mir oft selbst als überspitzt erscheinenden Erwartungen gerecht werden können.

Die Oshoehe

Anfang November kam dann Jettes Schwester zu Besuch. Nur übers Wochenende zwar, aber immerhin hatten wir somit die Chance gemeinsam auszugehen. Ich war mittlerweile an einen Punkt gelangt, da ich das Gefühl hatte es muss jetzt auch mal ohne Männer gehen. Geheilt vom Virus Mann quasi. Denn im Grunde genommen sind Männer nichts weiter als eine „Krankheit“. Ich setze diese Behauptung natürlich ganz bewusst in Anführungszeichen, man(n) will ja niemandem zu nahe treten. Aber bleiben wir mal weiter bei den Tatsachen. Wir Frauen wissen sehr wohl, dass Männer uns eigentlich nicht gut tun, aber wir wissen ja auch, dass im Winter ohne Söckchen zu laufen meist in einer   Blasenentzündung gipfelt und doch tun wir es. Hat man sich Virus Mann allerdings erst mal eingefangen, ist das Elend kaum noch abzuwenden. Sie sind so sonderbar speziell, dass nicht mal ein handelsübliches Antibiotikum anschlägt. Sie nisten sich in jede unserer Zellen ein und bekämpfen uns von innen heraus. Doch immer wieder lassen wir sie in unser Leben und riskieren damit, erneut zu erkranken. Die Symptome einer Nichtverträglichkeit kommen zudem noch sehr schleichend und werden oft mit Symptomen anderer Erkrankungen verwechselt. Kribbeln im Bauch könnte auch eine Magengrippe sein, erhöhter Pulsschlag in seiner Nähe könnte auch am übermäßigen Kaffeegenuss liegen und plötzlich alles rosarot zu sehen, wird wohl am letzten verpassten Augenarzttermin liegen. Es ist also nicht so einfach, Virus Mann zu diagnostizieren. Leidet man nun aber zweifelsfrei daran, so sollte man auf der Hut sein, um nicht chronisch zu erkranken, denn dies käme einem vorzeitigen aber endgültigen Todesurteil gleich. Es könnten sich im Wartezimmer leicht folgende Dialoge ergeben: „ Ach Liebes, du hier? Fühlst du dich nicht gut?“ „Ich weiß nicht so genau…hatte den Virus Mann im letzten Jahr schon dreimal und fühl mich schon wieder etwas angeschlagen… .“ Sie werden an dieser Stelle bemerken, dass sie von mitleidigen Blicken getroffen werden und dass man leicht von ihnen wegrückt. Na ist doch auch klar! Wer will sich schon anstecken? „Liebes, du das hört sich nicht gut an…ich befürchte es ist was Chronisches. Mach dir keine großen Hoffnungen mehr. Wie konnte das nur passieren?“ …hören sie jemanden nahezu rufen, von der anderen Seite des Wartezimmers, weit weg von der Möglichkeit, sich zu infizieren. Dabei weiß doch jeder, dass der Virus sich nur von Mann zu Frau überträgt. Aber sie verstehen das natürlich…wer will schon mit jemandem Stuhl an Stuhl sitzen, der immer wieder im selben Dilemma steckt?! Nach der dritten Blasenentzündung ihrer ständig viel zu leicht bekleideten Freundin, hören sie vermutlich auch auf, sie zu maßregeln und überlassen sie ihrem Schicksal. Nun gut, ein mitleidiges Lächeln gehört dann anstandshalber schon noch dazu. Nun komme ich aber leider nicht umhin, mich zu fragen, wie wir Frauen den Kampf gegen den Virus Mann gewinnen. Wie werden wir resistent; und noch viel wichtiger erscheint mir die Frage, ob wir es überhaupt wollen?! Aber wie bei jedem anderen Virus auch wird es sicher Abspaltungen und Mutationen geben, von denen einige mehr und andere weniger gefährlich sind. Es bleibt mir also nur die Hoffnung, im Falle eines Falles an einen guten Arzt zu geraten und an eine Mutation des Virus Mann, die weniger gefährlich ist, nicht abhängig macht oder gar chronisch wird und vielleicht mit viel Glück nicht unbedingt tödlich endet. Es war wie gesagt ein hartes Jahr und mein Bedarf an Liebeskummer war gedeckt. Da darf man schon mal zynisch werden. Von Max hatte ich mich emotional soweit es eben ging entfernt und es tat nicht mehr weh an ihn zu denken. Wir zogen also los und ich hatte nicht vor auf Männerschau zu gehen, sondern ich wollte einfach einen netten Abend und einen netten Flirt vielleicht. Nach stundenlangem vorm Spiegel stehen und nach einer ausgedehnten Modenschau in unserer Küche waren wir endlich bereit zum losgehen. Bestens gelaunt landeten wir nach einigen Cocktails in einem Laden den man unter 3,8 Promille nie betreten sollte. das Osho.Aber wohl ein angemessener Kompromiss für drei Frauen mit doch recht unterschiedlichem Musikgeschmack. Schon nach kurzer Zeit tanzten wir auf der noch leeren Tanzfläche und benoteten vorbeilaufende Männer und auch Frauen. Werde mich noch daran gewöhnen müssen, dass Jette ja nach Frauen schaut. Uns gegenüber standen an einem Tisch ca. acht junge Männer die in ähnlicher Weise wie wir am Feiern waren. Mir fiel ein gutaussehender Junge auf, der allerdings stark von meinem üblichen Beuteschema abwich. Junge deswegen, weil er nicht älter als zwanzig sein konnte und zudem war er blond. Nicht, dass mir das grundsätzlich nicht gefällt, aber statistisch gesehen waren die meisten meiner Männer dunkelhaarig. Ich war in Knutschlaune und betrunken genug um zum Flirten anzusetzen. Hier mal ein Blick, da mal ein Blick und ehe ich mich versah stand er neben mir. Er fragte was ich trinken möchte und holte uns dann etwas. Wir kamen gleich ins Gespräch und er erzählte mir aus Mainz zu sein. Er war mit seinen Jungs zu einer Segelflugschau nach Hannover gekommen, weil sie alle selbst auch fliegen. Der blauäugige Blonde hieß Sven und war vierundzwanzig. Lag ich also gar nicht so arg daneben. Es war alles so zwanglos und angenehm. Wir plauderten und lachten vor allem viel. Ich weiß heute nicht mehr wie wir darauf gekommen sind, aber er erzählte, keine Freundin zu haben. Mir grundsätzlich ja egal gewesen, aber immer gut zu wissen. Ich ließ ihn wissen, das schöne Hessen erst im Februar verlassen zu haben und natürlich fragte er wieso. Ich erzählte dann kurz die Geschichte von Fabian und dem Studienplatz. Sven selbst studierte BWL, was auch sonst und wird 2006 in England seinen Bachelor machen. Weiß gar nicht wieso ich so ein schlechtes Bild von Mittzwanzigern habe, denn Sven belehrte mich eines Besseren. Sehr reif und pragmatisch vermittelte er mir seine Zukunftsvorstellungen und ich war heimlich beeindruckt. Wir stellten uns dann zu seinen Freunden an den Tisch und er stellte mich jedem Einzelnen vor. War überrascht von dieser ungewöhnlichen Geste. Es war ein wirklich netter Haufen und sie hatten viel Spaß. Als erstes wurde mir der Karsten vorgestellt und wir lagen humormäßig sofort auf einer Wellenlänge. Er erzählte mir Winzer zu sein auf dem Weingut seiner Eltern. Karsten war mir auf Anhieb der Sympathischste von all den Verrückten. Optisch das ganze Gegenteil von Sven. Dunkelhaarig, kräftig, ein Hemdträger und bestimmt zehn Jahre älter. Letztlich war er dann aber doch jünger als ich glaubte. Jünger als ich selbst sogar. Bin wirklich schlecht im Alter schätzen. Von weitem sehr jugendlich wirkend, war ich sehr froh ganz zauberhafte Fältchen in Svens wirklich schönem Gesicht zu entdecken. Ich fühlte mich sehr wohl und umso mehr wir redeten, umso mehr Gemeinsamkeiten entdeckten wir. Warum auch immer sprachen wir schon recht bald darüber wie wir unser gemeinsames Haus einrichten, wie unsere Kinder heißen werden und dass wir eigentlich auf der Stelle heiraten müssen. Ach was war das ein Spaß! Ich habe mich ausgesprochen gut amüsiert. Bis dahin hatte er jegliche Berührung oder sonstige dumme Diskoanmachen gänzlich unterlassen, was ihm auf meiner Werteskala nur noch mehr Punkte brachte. Plötzlich meinte er mich gern küssen zu wollen. Mhh… Was jetzt?! Dabei war es doch was ich für den Abend gesucht hatte. Ich ließ es zu und es war ganz wunderbar. Sven der Segelflieger war ein toller Küsser! Von da an ließ er mich nicht mehr aus den Fingern. Mir gefiel das. Er hatte nicht viel getrunken und ich fragte mich ernsthaft warum seine Wahl gerade auf mich gefallen war und nicht auf eine der overstylten mini JLO´s um uns herum. Wie als hätte er meine Gedanken gelesen meinte er, welch tolle Ausstrahlung ich hätte und das seine „Diskomäuschenabschleppzeiten“ lang vorbei wären. Sven meinte wirklich viel gefeiert und alles gehabt zu haben bis ihm das schlagartig alles zu oberflächlich wurde. Jetzt nicht mehr nur heimlich beeindruckt sagte ich ihm, dass er mir vom Reifegrad her älter als vierundzwanzig vorkommt. Was ich jedoch nicht sagte, sondern nur dachte war, dass er entweder ein absoluter Traummann sein musste oder ein Oberarsch sondergleichen, welches genau weiß was Frauen hören wollen bzw. was genau Eindruck hinterlässt. Schob diese Gedanken in die hinterste Ecke meines Gehirns. Er hielt mich fest im Arm und ständig küssten wir uns, weil es wirklich ein Highlight war diesen Mann zu küssen. Ja, jetzt nicht mehr Junge, jetzt Mann. Er hatte meine schönsten Klischees tatsächlich haltlos gemacht. Seine Freunde waren auch nur wunderbar. Kein Tatschen und Fummeln, kein sexualisiertes Gequatsche. Sie waren durch die Reihe fabelhaft und zudem ständig um unser leibliches Wohl besorgt. Jette und Anna standen natürlich auch bei uns und es war einfach ein gelungener Abend. Sven stupste mich in die Seite um mich darauf aufmerksam zu machen, dass eine Durchsage vom DJ gemacht wurde. Ich glaubte nicht was ich dort hörte. Da hatte er doch tatsächlich einen Freund beauftragt, dem DJ zu sagen er möge unsere Hochzeit verkünden. Kein Spaß! Ich hörte unsere Namen und ich sah die Reaktion der Leute, die wildfremd den Fake ja nicht ahnen konnten. Der Laden tobte und er nahm mich in den Arm um auch noch dem Letzten begreiflich zu machen, das genau von uns beiden die Rede war. Seine Freunde gratulierten anständig und ich bekam eine Rose von meinem nun Ehemann! Chris, der Freund der den DJ zur Durchsage nötigte war nun offizieller Trauzeuge und ich konnte das alles nicht glauben. Meine Freundin war hoch amüsiert. Mein Mann legte sich zum Hochzeitskusse mein Gesicht in seine Hände und dann schmolz ich einfach nur noch dahin. Also das ist für mich das Absolute. Ein Mann der beim Küssen mein Gesicht hält und im Anschluss daran noch WOW sagt, weil er es ähnlich umwerfend findet wie ich selbst. Dann sah er mir tief in die Augen und meinte sich verliebt zu haben. Na das war die Spitze vom Eisberg. War ich noch bei Bewusstsein oder schon in Ohnmacht gefallen?! Keine Ahnung, wollte doch einfach nur knutschen und mit einem Lächeln einschlafen. Das war zuviel für mich und so machte ich mir auch nicht die Mühe mir Gedanken über all das zu machen. Sven erzählte mir, seine Mutter habe einen Blumenladen in Mainz und er würde mir nun täglich Rosen schicken sowie einen Umzugswagen der meine Sachen zurück nach Frankfurt fährt. Er plante schon wie wir es regeln wenn er in England ist und dass wir uns dann abwechselnd besuchen. Ich hörte nur zu und nickte ungläubig aber amüsiert. Was lief da nur für ein Film ab?! Und ich mal wieder mittendrin. Aber es tat mir gut. Sind dann später noch auf einen Absacker ins „Zaza“ und machten die ganze Nacht lang Hochzeitsfotos. Er fragte mich dann nach meiner Telefonnummer und ich war mir nicht sicher ob ich das wirklich wollte. Wieder tagelang auf Nachrichten warten die ohnehin nie kommen würden, aber die Neugier auf die Fotos war größer. Gegen sechs Uhr morgens waren wir dann alle so erledigt, dass wir beschlossen den Abend zu beenden. Eng umschlungen am Taxi stehend sagte er, dass es der Wahnsinn wäre neben mir aufzuwachen, aber mein Angebot mitzukommen lehnte er mit einem zuckersüßen Lächeln und über mein Gesicht streichelnd ab. Jetzt hatte er gewonnen! Daheim angekommen zauberten die Mädels und ich uns ein deftiges Frühstück und ich fiel todmüde aber lächelnd in mein Bett. So wie ich es wollte. Mit einem Lächeln einschlafen. Der nächste Tag begann spät und gediegen. Ich erwartete nicht dass Sven sich melden würde, aber er tat es. Er sprach mich mit Frau Loos an, denn so hieß ich ja nun nach unserer Hochzeit. Ich freute mich sehr von ihm zu hören und bedankte mich für den ganz zauberhaften Abend. Von da an hörten wir jeden Tag voneinander und ich spürte eine Art Verliebtsein in mir aufsteigen. Wir telefonierten viel und lange miteinander und ich vermisste ihn. Sven war anders als die Männer vor ihm. Nicht besser, nicht schlechter- anders eben. Er war sehr ausgeglichen und ruhte sehr in sich. Nach jedem Telefonat legte ich kopfschüttelnd auf und sprach laut vor mich her: „Du bist im Leben nicht erst vierundzwanzig.“ Ich war wirklich beeindruckt weil er so viel erwachsener als ich wirkte. Wir sinnierten viel über das Leben und er sprach oft von seinen Großeltern und davon, dass sie Höhen und Tiefen gemeistert haben, weil die Liebe immer da war. Sven war also ein Mann der noch an die große Liebe glaubte und das sagte er auch so. In mir kamen Ängste zum Vorschein. Er, aus gutem Hause mit entsprechendem Background, zielstrebig, anspruchsvoll, Privatschule, Abschluss machen in England und dabei so unglaublich gelassen. Unsere Lebenskonzepte passten nicht zueinander. Ich, mit Chaos im Kopf, immer zu schnell zu viel wollend und alles andere als gelassen. Als ich ihn an meinen Bedenken teilhaben ließ meinte er: „ Es ist egal wie unterschiedlich unsere Lebenskonzepte sind. Wichtig ist, was zwischen uns ist!“ Oh mein Gott! Er hatte Recht. Kam mir so klein und dumm vor, aber bemerkte wie auch in mir die Gelassenheit Einzug hielt. Ich hatte von diesem Mann etwas gelernt. Etwas fürs Leben! Das wirkt jetzt dramatischer als es ist, aber wenn man bzw. Frau dafür offen ist, aus allem das Beste raus zu holen, dann ist eine Erfahrung das mindeste was drin sein muss. Zwei oder drei Wochen vergingen und Sven meldete sich kaum noch. Ich, die Gelassenheit in Person, nahm dies zur Kenntnis als mangelndes Interesse und es war wirklich in Ordnung. Verknallt sein gut und schön aber alles was darüber hinausgegangen wäre, hätte nur wieder in einer Katastrophe geendet. Allerdings wollte ich einen sauberen Abschluss finden und so formulierte ich die wohl schönste, erwachsenste und stilvollste Abschieds-SMS aller Zeiten. Habe ja in Bezug auf den Mediengestalter und den Ornithologen ausreichend praktische Erfahrungen sammeln können, wenn es um glänzende Abgänge geht. Ich wünschte dem Segelflieger alles Glück dieser Welt, einen brillanten Abschluss in England und ich bedankte mich noch einmal für diesen ganz außergewöhnlich netten Abend inklusive der Hand voll Telefonate, welche diesem folgten. Ich glaube, ich schrieb diese Nachricht mitten in der Nacht und umso überraschter war ich dann als prompt eine Antwort kam. Sven schrieb: „ He…du hast mich geweckt, was wunderschön ist, aber was ich da lese finde ich überhaupt nicht schön. Lass uns telefonieren. Bitte!“ Ich muss zugeben, dass ich etwas genervt war, weil scheinbar kein Mann dieser Welt es ernst nimmt, wenn ich mich mit großen Worten aus seinem Leben stehlen will. Aber ich hörte mir an was er zu sagen hatte. Es war unser letztes Telefonat. Er äußerte Bedenken und erklärte mir die Funkstille damit, dass er die Zeit einfach brauchte um sich zu überlegen wie es weitergehen soll. Wir tauschten quasi die Rollen. Ich, noch immer gelassen, betonte erneut, dass ich nie mehr wollte als das wir uns erneut treffen um zu sehen, ob wir uns auch ohne Martinis im Kopf etwas zu sagen haben. Er hingegen und schon fast einen Hauch zu pragmatisch, biss sich an seinem Auslandssemester fest und daran, dass er mir dann nicht geben kann was ich brauche so sehr er dies auch wollen würde. O-Ton Dr. Alex Hoffmann. Ich kann es nicht mehr hören! Alle wollen sie mir ja ach so viel geben weil ich ja ach so wunderbar bin, aber keiner tut es. Ich würgte leise vor mich hin. Allerdings hätte Sven sich auch gar nicht mehr melden brauchen und so fand ich seine Bitte sich erklären zu dürfen dann doch ganz nett. Vielleicht brauchte er es für sein Ego, keine Ahnung, meinen glänzenden Abschied jedenfalls ergänzte dieses Telefonat wie ein Schuss Amaretto einen heißen Glühwein. Es war der Abschied den ich gewollt habe. Und so schienen kurz vor Weihnachten und pünktlich zum Jahreswechsel alle Kapitel beendet, alle Baustellen fertig gestellt und alle Hintertürchen geschlossen. Was Max und Alex anging hätte ich dies sofort unterschrieben, aber dieses segelfliegende Jüngelchen wollte mir nicht so recht aus dem Kopf gehen. Erklärte es mir aber damit, dass ich kurzes Leiden wohl schon verlernt hatte. Mein gesamter Biorhythmus war auf langes Leiden konditioniert. Vielleicht gefiel mir aber auch, dass er mir nichts versprochen hatte, mir nichts vormachte, mich nicht hinhielt oder – das gerade dies alles zum Himmel stank… . Wenn es so richtig gefunkt hätte und diese Behauptung hielt er ja sehr bemüht aufrecht, dann wären sechs Monate England kein Problem gewesen. Denkt Frau, aber Mann denkt eben anders. Doch es konnte mir ja auch egal sein. Hatten ohnehin keinen Kontakt mehr. Nur nachts mit Mr. Blunt im Ohr dachte ich noch ab und zu an den schönen, blonden, pragmatischen Sven. Dank des „fucking-timeing“ extra DNA-Strangs bei Männern, flammte meine Segelflugromanze Mitte Dezember neu aber wenn auch kurz, wieder auf. Da saß ich nichtsahnend und durchaus gut gelaunt in meiner herrlichen WG-Küche und mir stockte fast der Atem als ich nach Eintreffen einer SMS seinen Namen auf dem Display las. Sven fragte wann ich in Frankfurt sein würde und dass er mich dann unbedingt sehen müsse um zu reden. Was?! Ich lachte erst mal schallend auf, weil es so typisch mein Leben war. Da wird nicht mal eben was sang und klanglos zu den Akten gelegt. Nahm mir allerdings vor nach einer kurzen Antwort, welche lediglich den Zeitraum meines Aufenthalts beinhaltete, nichts mehr von mir hören zu lassen. Nun war es an ihm. Während der gesamten Segelfliegerära, hielt ich Kontakt zu Svens Freund Karsten, der mir nach dem „Hochzeits-Abend“ in lieber Erinnerung geblieben war. Wir schrieben uns E-Mails, er schickte mir Fotos von unserem Abend und es war witzig und unverbindlich. Als ich dann in Frankfurt war um mit meiner Familie Weihnachten zu feiern, ergab es sich, dass der liebe Weinhändler eines Abends vorbei kam und wir was trinken gingen. Sven hatte bis dato nichts mehr von sich hören lassen. Ich nahm mir fest vor mit Karsten nicht über ihn zu sprechen. Ich wollte nicht dass er denkt ich nutze ihn lediglich als Infoquelle. Wir lachten viel und Karsten stellte sich als sehr unterhaltsam heraus. Plötzlich und für alle unerwartet, plauderte der Gute dann jedoch aus dem Nähkästchen. Ohne dass ich danach gefragt habe, erzählte er mir von Svens Familiensituation, von der Art welcher ihre Freundschaft war und von Claudia! Sie war nun seit ca. drei Jahren Svens feste Freundin. Aber als wäre dies nicht schon genug, fielen noch zig andere Frauennamen, die zeitweise vom Segelflieger beglückt werden. Natürlich ohne Claudias Wissen. Ich nahm einen kräftigen Schluck von meinem Martini und begann laut zu lachen. Ich lachte heraus, was andere an dieser Stelle vielleicht rausgeheult hätten. Ich war mir selbst so peinlich, weil es wohl nichts Schlimmeres in der persönlichen Männerchronologie gibt als so einen! Tausende Fragen beantworteten sich auf der Stelle von selbst und er begann mir ähnlich wie Fabian sehr leid zu tun. Ich meine, Sie haben ihn ja leider nicht gesehen, aber so ein Mann hat Affären die ausschließlich dem Ego schmeicheln sollen, einfach nicht nötig! Zudem gehe ich davon aus, dass seine Freundin fabelhaft aussehen muss. Letztlich war es der Schock den ich noch gebraucht habe um das Jahr tatsächlich ohne offene Kapitel abschließen zu können. …und so schließt sich Ende 2005 der Kreislauf, denn ja, wir Frauen sind so verzweifelt, dass wir jeder noch so zufälligen Begegnung mit einem Fremden sofort die große Liebe andichten. Supermarktflirt, Inselromanze und Diskobekanntschaft, aber ich scheine aus Schaden nicht klug zu werden. Jedoch stirbt tatsächlich die Hoffnung zu Letzt und seit ich kürzlich Goethes Worte las, dass unsere Träume unser Schicksal sind, formulierte ich im Kopf mal nicht den Text für irgendwelche Hochzeitseinladungen, sondern einen guten Vorsatz für 2006. Es soll beginnen wie 2005 endete: ohne Männer. Einen Versuch ist es wert! In diesem Sinne…es lebe der ganz normale Wahnsinn. Was wäre das Leben auch ohne?! Tja, ich weiß nicht ob ihnen auch, aber mir war eigentlich schon klar, dass ich auch ein Skript nicht beenden kann, einfach weil nichts in den letzten Jahren einfach zu beenden war. Und so komme ich in Anbetracht der jetzigen Umstände nicht umhin zu erzählen, dass 2006 zwar ruhig begann aber im eigentlichen Wahnsinn gipfelte. Im Januar verlagerte ich meine Schwerpunkte einfach mal wieder anders. Keine Termine frei für Liebeskummer und im Studium mal ordentlich Gas geben war angesagt. Leider führte mich eben dieses Studium im Rahmen eines erneuten Praktikums zurück nach Wetzlar. Wollte an Ingas Schule mal in den Bereich der Sozialpädagogik schnuppern. Wetzlar impliziert natürlich Max und ich wusste von Beginn an, dass es ganz klar keine gute Idee ist, zumal ich emotional genesen war. Was ich mir zu dem Zeitpunkt niemals eingestanden hätte, war die Tatsache, dass mir ein fester Partner in meinem Leben sehr fehlt und es sehr bequem war dieses Begehren immer wieder auf Max zu münzen. Hatte weiterhin alle Freiräume der Welt, und wusste doch genau dass es da irgendwo jemanden gibt der wollen würde wenn er nur könnte. Das reichte mir. Allerdings reichte mir einzig das Gefühl so sehr aus, dass wir uns in den sechs Wochen meines Daseins nur zweimal sahen. Nutzte auch nicht mehr jeden Montag die Gelegenheit um ihn in unserer Kneipe zu treffen. Die Luft schien raus zu sein. Zurück in Hannover fand ich einen wunderbaren Job der mir von der ersten Minute an sehr viel Spaß machte und auch wieder eine neue Herausforderung darstellte. So schleppend und zum Teil tragisch das letzte Jahr endete, so energetisch und vielversprechend begann das Neue. Aus der Novemberdepri-Trauerkloß-das Leben ist schlecht- WG wurde die jetzt-ist-Schluss-mit-rumheulen-WG. Meine Jette plante eine erneute Saison auf der Insel und wochenlang legten wir Pro und Contra in die Waagschale. Rückschritt inklusive neuer Leiden oder Weiterentwicklung durch Konfrontation. Waren uns bis zu ihrer Abreise nicht sicher ob es das Richtige ist, aber die Tarotkarten sagten ja und so ging sie. Schlimmer Abschied gepolstert mit großen Versprechen. Wollten ganz oft telefonieren. Mein Job sollte es sein ggf. auftretende Wankelmütigkeit bezüglich Linda zu erkennen und sofort einzulenken und ich sollte ein Videotagebuch führen, damit Jette zumindest ein wenig das Gefühl hatte mit mir zu sein. Primäres Ziel der erneuten Helgolandsession war für sie sich finanziell zu erholen, zur Ruhe zu kommen und sekundär aber endgültig mit Linda zu brechen. Emotional. Während ich also die Stille unserer Wohnung ertragen lernte, meine Freundschaften, besonders zu Alina, vertiefte und fleißig am studieren und arbeiten war begann sich still und heimlich Jettes Leben zu revolutionieren. Aufgrund der vielen Arbeit blieb meiner Freundin keine Zeit für emotionale Verwirrungen. Als Linda sich dann verliebte, ob jetzt mehr oder weniger intensiv vermag ich nicht zu sagen, war es für Jette überraschender Weise nicht der emotionale Supergau, sondern sie nahm sich zurück, ließ die Schmerzen in der Magengegend nicht zu und ähnlich wie bei Max und mir kam nun auch sie an den Punkt an dem man zwar banal aber nicht treffender sagen konnte :“Einfach keine Lust mehr!“ Zuviel Tränen, zuviel Lebensunmut, zu lang gehofft und zuviel Stagnation. Kann man sich wirklich so lange Selbstkasteien, sich an bunte Bildern im Kopf halten, die jeder realen Grundlage entbehren? So nüchtern, ehrlich und selbstreflektiert haben wir unsere Geschichten nie zu betrachten gewagt und plötzlich führte kein Weg daran vorbei. Unsere ach so besonderen Menschen, selbstherrlich und auf einem Sockel stehend haben doch nie wirklich etwas für diesen Status tun müssen und im Gegenzug sind wir in ihrem Leben scheinbar nie auch nur in die Nähe dieses Status gekommen. Also Schluss jetzt damit! Die Augen sind plötzlich aufgegangen und romantisch-verklärt war nun nichts mehr. Was sich bei mir langsam voran bewegte ging bei Jette sehr viel schneller und so kam es, dass Anfang Juli Ela in ihr Leben trat. Ela war die Belohnung für all die Schmerzen der letzten Jahre. Sie schien die Kraft und den Willen zu besitzen Linda von ihrem Platz zu verdrängen um ihr einen anderen zuzuschreiben. Ich erlebte meine Freundin nie zuvor wie in diesen Wochen. Es war nun jemand da, der nicht nur nahm sondern auch gab. Jemand der ihr zeigte wie bunt diese Welt sein kann und das zu leben sehr schön ist. Ich erinnere mich an ein Telefonat in dem meine Freundin in fast vorwurfsvollem Ton anmerkt, dass ich ihr hätte schon längst mal erzählen müssen, wie großartig lieben und geliebt zu werden sein kann. Sie führte nun ihre erste Beziehung und eine sehr ausgewogene dazu. All die letzten Jahre erschienen ihr wie unter einem Nebelschleier. Jetzt aber vermochte sie objektiv das Martyrium zu bewerten, denn nun kannte sie die andere Seite an deren Existenz sie bislang zweifelte. Ich war so unendlich glücklich meine Freundin so zu erleben und dankte Ela in jeder Sekunde gedanklich für dieses so wertvolle Geschenk an meine Freundin. Mir persönlich machte es allerdings klar, dass ich ihr nie erzählen konnte wie schön Liebe ist, weil ich es nicht mehr erinnern konnte. Nie waren meine Beziehungen einfach gewesen und ich habe über die Probleme oft das Wesentliche aus den Augen verloren. Sicher verstaut in der hintersten Schublade meines Unterbewusstseins und überzogen mit taffen Singleattitüden war ich aber letztlich doch das Mädchen geblieben welches einzig nach Liebe suchte. Den Glauben fast verloren, sich klammernd an Beziehungen zu Männern die nicht zu haben sind hatte ich aufgehört zu suchen und mich dankbar gezeigt für alles bislang Dagewesene. Meine Erwartungen schienen überspitzt, mit weniger wollte ich mich jedoch nicht zufrieden geben. All dies knallte mir nun ausgelöst durch das Glück anderer, welches greifbar vor mir lag, mitten und sehr hart ins Gesicht. Ich überließ meine Freundin bedenkenlos dieser großartigen Frau und startete sehr kopflastig in einen dreiwöchigen Griechenlandurlaub mit meiner Familie. Mittwoch sollte es losgehen und da ich Montag schon in Frankfurt war gab ich mir abends Max. Ich musste einfach wissen ob es anders war. Ob diesmal wirklich der Knoten geplatzt war oder ob es wieder einmal mehr nur ein kläglicher Versuch war mich zu lösen. Aber schon nach kürzester Zeit an diesem Montag fuhr ich wieder nach Hause. Ich hatte ihn vor mir stehen sehen und es hatte seinen Zauber verloren. In mir hallte wieder, dass er nie etwas getan hatte um uns gemeinsame Erlebnisse zu schaffen. Tausende Vorschläge und Hilfeschreie meinerseits waren auf Granit gestoßen und ich hatte keine Lust mehr darauf ihn alle paar Monate für einen Abend lang zu sehen. Hatte keine Lust mehr auf heimliche Treffen irgendwo wo uns auch gewiss niemand zusammen sehen konnte. War mir zu schade geworden für all das. Jeannette schien bekommen zu haben was sie immer wollte. So wie 28 Jahre Lotto spielen und plötzlich den Jackpot gewinnen. Das wollte ich auch und ich wusste mit Max werde ich es nie haben können. Der Urlaub zog sich ins Unendliche und ich konnte kaum erwarten wieder in Deutschland zu sein, im Poco zu sein um mich zu befreien. Morgens noch in Athen und abends dann im Poco. Mein Poco, mit der immer gleichen Musik, mit dieser wunderschönen Liebesgeschichte die dort begann und doch war es nicht mehr dasselbe. Ich war nicht mehr dieselbe. Hatte mich verloren in einer Illusion und war nun wach geworden. Ich sagte ihm alles was mir auf der Seele brannte und jeder Versuch seinerseits mich mal wieder am Gehen zu hindern verlief sich. Es war so stark und ich wusste wie nie zuvor in meinem Leben, dass ich das Richtige tue und diesmal aus tiefstem Herzen. Denn das, was da tief im Herzen war, war keine Liebe. Es war der Versuch einen aussichtslosen Traum zu leben. Aber irgendwann ist auch ein Traum zu lange her und so ging ich. Wenn ich auch oft schon dachte endlich frei zu sein, so war ich es nie gewesen. Irgendeine Tür hatte ich mir immer offen gelassen und vorzugsweise war es die zu Max. Als ich nach diesem Abend zurück nach Frankfurt fuhr erwartete mich eine leere Wohnung. Die Familie blieb noch eine Woche länger in der Sonne Griechenlands und ich werde dieses Gefühl für immer erinnern können. Eine leere Wohnung betretend, an der Tür lehnend und so glücklich, frei und gelöst dabei. Rief Jette an und sagte ihr, dass es just in diesem Moment keinen Mann in meinem Leben gibt. Keinen Kummer, keine Verwirrungen, keine offenen Kapitel und dass ich alle Türen im wahrsten Sinne des Wortes hinter mir zugezogen hatte. Was ich mir nun wünschte war was Jette gerade passierte. Wollte DEN Mann und zwar ohne Freundin im Hintergrund, ohne unbefriedigende Kompromisse. Wollte unbeschwert verliebt sein, obwohl ich nur noch in Ansätzen erahnen konnte wie es sich anfühlt. Beschloss nicht eine Erwartung zurückzustellen, wollte nun alles oder nichts. Fühlte sich gut an. Und so waren zwei Freundinnen auf ganz unterschiedliche Weise und so ziemlich zur selben Zeit befreit von den Geistern der Vergangenheit die sich selbst nachts mit Musik im Ohr im Bett liegend keinen Raum mehr verschaffen konnten. Einfach weil es keinen gab. Noch am selben Abend begann dann der Rest meines Lebens! Nachts um drei Uhr vor dem PC sitzend. Singelbörsen hatte ich ja schon lange zuvor zu meinem persönlichen Feindbild erklärt und ich war einfach so unglaublich gut drauf dass ich mich zu einer verirrte, mich bestens unterhalten fühlte und mich dort verlor. Heute, Wochen später fühle ich mich vom Leben geküsst. Zum besten Zeitpunkt überhaupt schlich sich über die Datenautobahn der Mann meines Lebens in mein Herz. Der Mann meines neuen Lebens muss ich wohl anfügen. Ich war Phönix und er blies mir sanft die letzte Asche aus den Augen. Ich habe gefunden was ich so lange suchte und entgegen aller Vernunft weil basierend auf eine Menge Erfahrungen kann ich an dieser Stelle nur jeder Frau die ähnliches sucht ans Herz legen, dass warten sich lohnt. Das doch kein Traum zu sehr Traum ist um nicht wahr werden zu können, wenn man es wirklich will. Das ist wohl der entscheidende Punkt. Wenn man es wirklich will! Habe ich je um Max gekämpft? Habe ich je das Gespräch mit seiner Freundin gesucht um ihr die Augen zu öffnen und um ihr mitzuteilen dass ich jetzt offiziell im Rennen bin? Nein habe ich nicht. Habe es nie und zu keiner Zeit auch nur in Betracht gezogen. Jetzt hingegen habe ich mein Herz einem Mann zu Füssen gelegt, der mich sieht und sehen will. Der mich auffängt oder mit mir gemeinsam fällt. Der mich stundenlang ansieht und sich nicht in seiner Männlichkeit beschnitten fühlt wenn er Gefühle verbalisiert. Er tut es einfach. Er nimmt sich nie künstlich zurück und diese Beziehung hat ein unwahrscheinliches Potenzial. Entwürfe für Hochzeitskleider habe ich nicht mehr nur heimlich im Kopf. Peinliche Musik kann ich auch hören wenn er dabei ist. Unrasierte Beine sind kein Trennungsgrund und diese Art von Virus Mann muss auf jeden Fall chronisch werden. Alles Gewesene scheint wie ein Trainingscamp für diese Beziehung. Wir haben ähnliche Erfahrungen gemacht und nehmen diese nicht nur hin sondern lernen daraus. Eine Beziehung ist harte Arbeit und auch unangenehme Dinge vom anderen zu wissen gehört dazu. Ich fühle mich so verdammt verstanden, ernstgenommen, respektiert und geliebt wie nie zuvor. Weil es eben der Eine ist und dies mit klarem Verstand und unter Einbezug aller möglichen Eventualitäten beurteilt. Es ist auch gar nicht so selten wie man oft glaubt, aber die wenigsten Paare machen sich so viel Arbeit wie wir. Die meisten Beziehungsratgeber kann man sich einfach sparen, wenn man nur nie aufhört miteinander zu reden. Wenn man das Interesse am anderen nicht verliert nur weil mal was nicht perfekt ist. Den Anderen ernst zu nehmen in seinen Ängsten, so banal und lächerlich sie auch erscheinen um sie ihm dann zu nehmen ist der Schlüssel. Doch nur aus versteckten und unausgesprochenen Ängsten fossieren sich die alltäglichen Beziehungsprobleme. Das einmal erkannt ist der erste Schritt zu was wirklich Großem. Und trotz all meiner Sturzflüge oder vielleicht auch gerade deswegen, mache ich mich frei von allen Bedenken und kann nun und nur so genießen was mir, was uns da gerade passiert. Es gibt sicher viele besondere Menschen auf unserer Zeitspur, aber wir sollten deren Wirkungskreis rechtzeitig abstecken bevor wir die Sicht auf das wirklich Wesentliche verlieren. Niemals stagnieren. Immer weiter träumen, denn unsere Träume sind tatsächlich unser Schicksal. Das weiß ich nun und vor allem fühle ich es.

 

Dieses „Skript“ entstand ca. 2005. Ist unfertig, weil es im Anschluss daran erst so richtig spannend wurde. Spätestens mit dem Renteneintritt werde ich mich an Teil 2 setzen…;)

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