Dieser eine Moment oder: Das Leben der Anderen

Sommer, Sonne, Patchworkurlaub. Als ich das letzte Mal in Dänemark war, war ich 12 Jahre alt und zelten auf Bornholm. Damals habe ich die Welt selbstredend noch mit anderen Augen gesehen. Heute sehe ich ein wunderschönes Land. Sehr grün, durchzogen von gold-gelb leuchtenden Feldern und dahinter das Meer. Das Salz in der Luft kann man deutlich riechen.

Ich sitze auf der Veranda unseres Ferienhauses. Alleine. Die Sonne scheint mir ins Gesicht und ich kann von hier aus das Meer sehen. Uns gegenüber ein weiteres Ferienhaus im landestypischen Stil. Dort macht zu meiner Verwunderung keine deutsche, sondern eine dänische Familie Urlaub. 2 der 3 weißblonden Kinder schaukeln. Der Vater, mehr Thor als Balder , spielt mit einer der Töchter. Er wirkt entspannt, liebevoll und zugewandt. Sie lachen alle. So laut, so sehr und aus tiefstem Herzen, dass ich mitlachen muss. Sie plappern unentwegt dänisch und es klingt toll, auch wenn ich es nicht verstehe. Die Mutter sitzt lesend in der Sonne. Ab und an schaut sie lächelnd zu ihren Lieben. Die 5 sehen so glücklich aus.

Und dann war er plötzlich da, dieser eine Moment in dem ich dachte: Diese Welt ist so schlecht und doch ist so viel schönes in ihr. Mir laufen die Tränen und ich weiß nicht genau wieso. Glück und Unglück liegen sehr nahe bei einander. Schon morgen kann die Welt für diese Familie, für mich, für alle von uns eine andere sein. Ich wischen die Tränen weg und schaue der Familie noch lange zu, während ich diese Tränen hinterfrage. Ist es dieses Familienidyll, welches ich mir für mich selbst gewünscht habe, sowohl als Kind als auch als Erwachsene? Ich will mir diese Frage gar nicht beantworten. Sie lenkt mich nur ab.

Und so singt das Meer weiter sein Lied, die Sonne hat die letzten Tränen getrocknet und ich danke innerlich der Familie im Haus gegenüber, dass ich stiller Teil dieses Augenblicks sein durfte. Dieser Augenblick, der ihnen selbst, in seiner unsagbaren Schönheit und Lebendigkeit vermutlich nicht bewusst war.

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