Dieser eine Moment oder: Das Leben der Anderen

Sommer, Sonne, Patchworkurlaub. Als ich das letzte Mal in Dänemark war, war ich 12 Jahre alt und zelten auf Bornholm. Damals habe ich die Welt selbstredend noch mit anderen Augen gesehen. Heute sehe ich ein wunderschönes Land. Sehr grün, durchzogen von gold-gelb leuchtenden Feldern und dahinter das Meer. Das Salz in der Luft kann man deutlich riechen.

Ich sitze auf der Veranda unseres Ferienhauses. Alleine. Die Sonne scheint mir ins Gesicht und ich kann von hier aus das Meer sehen. Uns gegenüber ein weiteres Ferienhaus im landestypischen Stil. Dort macht zu meiner Verwunderung keine deutsche, sondern eine dänische Familie Urlaub. 2 der 3 weißblonden Kinder schaukeln. Der Vater, mehr Thor als Balder , spielt mit einer der Töchter. Er wirkt entspannt, liebevoll und zugewandt. Sie lachen alle. So laut, so sehr und aus tiefstem Herzen, dass ich mitlachen muss. Sie plappern unentwegt dänisch und es klingt toll, auch wenn ich es nicht verstehe. Die Mutter sitzt lesend in der Sonne. Ab und an schaut sie lächelnd zu ihren Lieben. Die 5 sehen so glücklich aus.

Und dann war er plötzlich da, dieser eine Moment in dem ich dachte: Diese Welt ist so schlecht und doch ist so viel schönes in ihr. Mir laufen die Tränen und ich weiß nicht genau wieso. Glück und Unglück liegen sehr nahe bei einander. Schon morgen kann die Welt für diese Familie, für mich, für alle von uns eine andere sein. Ich wischen die Tränen weg und schaue der Familie noch lange zu, während ich diese Tränen hinterfrage. Ist es dieses Familienidyll, welches ich mir für mich selbst gewünscht habe, sowohl als Kind als auch als Erwachsene? Ich will mir diese Frage gar nicht beantworten. Sie lenkt mich nur ab.

Und so singt das Meer weiter sein Lied, die Sonne hat die letzten Tränen getrocknet und ich danke innerlich der Familie im Haus gegenüber, dass ich stiller Teil dieses Augenblicks sein durfte. Dieser Augenblick, der ihnen selbst, in seiner unsagbaren Schönheit und Lebendigkeit vermutlich nicht bewusst war.

Abschiedsbrief an die Kita

Liebe St. Franzi‘s (ich weiß sonst nicht wie ich es Gender u.- DSGVO’s -konformer ausdrücken soll),

ich möchte mich bedanken für 5 großartige, gemeinsame Jahre. Mein Wattwurm-Kraken-Eisbär hat eine so schöne Zeit bei Ihnen gehabt (nach 3 jähriger Eingewöhnung lief‘s doch…;). Genau genommen hat er in der Kita mehr Lebenszeit verbracht als bei mir und ich hysterische Helikoptermama habe es auch irgendwann geschafft loszulassen, weil ich ihn in so guten Händen wusste. Danke für all die scheinbar nie enden wollende Geduld, für das Gefühl mit jeder noch so blöden Frage kommen zu können, für liebevolles Trösten bei den unzähligen aus Minimanns Sicht lebensbedrohlichen Schürfwunden, für die immer ehrlichen Rückmeldungen, wenn es mal nicht gut lief, ebenso wie das Teilen der tollen Dinge, die passiert sind (ich möchte übrigens nicht wissen, was Erzieherinnen so alles aus dem privatesten Privatleben der Eltern erzählt bekommen…;). Mein Sohn hat sich so gut entwickelt und so viel gelernt (…dass ich mich manchmal frage, ob das wirklich meiner ist) und das ist auch Ihr Verdienst. Danke für unfassbar viel Freiraum, der individuelle Entwicklung ermöglicht, danke aber auch für Grenzen (ich hoffe Jesper Juul liest nicht mit), die besonders kleinen Jungen aus meiner Sicht viel Halt und Orientierung geben. Sie machen da täglich einen tollen Job und ich hoffe, dass auch bezüglich des viel zu geringen Erziehergehalts mal ein Ruck durch die Politik geht. Die Elementarpädagogik ist nämlich selbstredend elementar und aus kleinem Windelgesindel selbstbewusste Vorschulninjas zu formen, verdient meinen absoluten Respekt.

Ich wünsche Ihnen Allen, dass Sie nie die Freude und Leidenschaft verlieren für das was Sie da täglich leisten (auch wenn blöde Nörgeleltern es sicher nicht immer einfach machen). Und neben dem Mini mache auch ich mich auf in diesen neuen Lebensabschnitt, der Veränderung bedeutet, die Angst macht. Aber zumindest der kleine Mann ist gut vorbereitet und ich jammere einfach leise vor mich hin…;)

Anbei eine Kleinigkeit für den nächsten Betriebsausflug. „Teambildende Maßnahmen“ sind wichtig…;) Der Konsum alkoholischer Kleinstgetränke empfiehlt sich aber ebenso nach aufreibenden Diskussionen beim Elternabend („Ist Milchreis eine vollwertige Mahlzeit oder ein Nachtisch?“  „Ist da Zucker an den Cornflakes?“…) oder einfach mal Zwischendurch auf der Personaltoilette. Das rettet manchmal den Tag. Ich spreche aus Erfahrung…;)

Und so verabschiede ich mich mit einem großen Augenzwinkern und einem letzten großen:  Danke für einfach Alles!

 

 

 

 

 

Die Zahnfee

Heute Nacht war sie bei uns. Das erste Mal.

Nachdem der Zwergenmann sich seit Tagen mit einem Wackelzahn rumgeärgert hat, erwartete mich gestern beim Abholen in der Kita die freudige Botschaft. Endlich sei er draußen. Ein beherzter Biss in den Apfel hatte für Erlösung gesorgt. Leider ereignete sich das Spektakel auf dem Außengelände der Kita und das Zähnchen ging verloren. Ganz besorgt war der kleine Mann, ob denn die Zahnfee auch kommen würde, wenn der Zahn nicht unter dem Kopfkissen liegen würde. Aber selbstverständlich kommt die Dame auch angeflogen, wenn der Zahn nicht unter dem Kissen liegt. Das konnte ich mit dem Mini und auch mit der Zahnfee so abklären. Dieses magische Denken wie nur Kinder es haben, verzaubert mich jedes mal aufs Neue. Mit fast 6 Jahren ist seine kleine Welt noch völlig in Ordnung und ich hoffe dies wird auch noch lange so bleiben. Kinder sind so authentisch und agieren ausschließlich bedürfnisorientiert. Die Angepasstheit an gesellschaftliche Normen und Werte ist erlerntes Verhalten und entwickelt sich nach und nach. Dieses bislang ausschließlich glückliche und sorgenfreie Kind, wird leider wie wir alle auch, noch schmerzliche Erfahrungen machen, sein Weltbild immer wieder korrigieren müssen und hoffentlich seinen Weg finden. Ich kann nicht mehr tun, als ihn zu lieben und ihm damit ein sicheres Fundament zu geben. Ihm das Gefühl geben, dass egal was er tun wird, welche Entscheidungen er treffen oder auch nicht treffen wird, ich da sein werde. Ich wünsche mir für immer sein sicherer Hafen sein zu dürfen, in welchem er anlegen, ablegen und verweilen kann.

Manchmal glaube ich, dass Kinder egal in welchen sozialen Kontexten sie auch immer geboren werden und aufwachsen, die elterliche Liebe die wichtigste von vielen Variablen darstellt. Urvertrauen, Sicherheit, Geborgenheit, Bindung und Verlässlichkeit- vielmehr brauchen sie zunächst nicht. Und mein Kind wird geliebt. Grenzen u.- bedingungslos. Von seiner gesamten Familie. Dies spürt er deutlich und ist deshalb vermutlich überwiegend ein so glücklicher kleiner Mensch, den allerdings negative Erfahrungen emotional völlig aus der Bahn werfen. Bislang gelang es uns sehr gut, dies aufzufangen und zu relativieren, ebenso aber auch einen realistischen Blick auf die Welt zu vermitteln. Es gibt nicht nur gute Menschen, nicht nur liebe Kinder, es gibt auch mal Streit und manche Dinge muss man eben tun ohne sie verhandeln zu können. Diesbezüglich muss ich meinen Kleinen noch stark machen.

Nichtsdestotrotz ist da diese unbeschreibliche, heilende Mutterliebe, die sich im ganzen Körper ausbreitet und die von der Intensität her, mit keinen anderen Emotionen auch nur im Ansatz vergleichbar ist, die ihn hoffentlich diese verrückte Welt ertragen lässt. Wenn er nachts in mein Bett gekrochen kommt und sich an mich schmiegt, wenn jeden Abend nach der Gute-Nacht-Geschichte seine kleinen Hände über mein Gesicht streicheln um mir dann zu sagen, ich sei die beste Mama der Welt…das entlohnt für alles und macht mich zutiefst dankbar. Dann ist meine Welt wieder in Ordnung und seine ist es sowieso. Noch zumindest.

Geben wir diesen kleinen Wesen, die unsere Zukunft sind, also das was sie brauchen. Auch wenn es bedeutet, sich in seinen eigenen Bedürfnissen mal komplett zurückzunehmen, Entscheidungen zu akzeptieren die nicht unsere sind und Wege zu begleiten von denen wir glauben es seien die falschen. Das ist eine wahnsinnige Herausforderung an der sowohl mein Zwergenmann als auch ich wachsen werden. Gemeinsam und in Liebe.

Alte Dämonen

Ich habe mich die Tage sehr angeregt mit einer Freundin unterhalten. In einem Nebensatz fiel eine Hypothese, die mich nachhaltig ins Denken bringt. Kurz zur Vorgeschichte: Wir sprachen über Frauen, die immer wieder an den selben Typ Mann geraten. Die Sorte Mann, die einer Frau nicht gut tut. Erst Zuckerbrot und Abhängigkeiten schaffen und dann die Peitsche. Mal wortwörtlich, mal im übertragenen Sinne. Nun ist ja häufig das Phänomen zu beobachten, dass wenn diese Frauen den Absprung schaffen, sie direkt dem nächsten Blödmann in die Arme laufen. Aus meiner Zeit als Sozialpädagogin im Frauenhaus, kann ich dies nur bestätigen. Was ich aus eigener Erfahrung auch bestätigen kann ist, dass Frau ja bei sich selbst die Schuld sucht, für die Fehler des Partners. Im Ansatz richtig. Watzlawick sagt, dass man nicht nicht kommunizieren kann. Dies stützt die These, dass für Konflikte immer 2 Personen in der Verantwortung sind. Es ist nie nur einer schuld. Und an dieser Stelle greift die Freundinnenhypothese, dass Frau das Muster bei der Partnerwahl erst verändern kann, wenn sie mit sich im Reinen ist. Wenn sie sich zunächst überhaupt mal bewusst macht, dass es ein Muster gibt. Dies ist wohl das Schwerste, weil es so viel einfacher ist zu jammern, die Welt ungerecht zu finden und die gesamte Männerwelt zu hassen. Sich aber tatsächlich mal zu hinterfragen, was genau Frau bei dem Mann hält, der offensichtlich mehr Kummer als Glück auslöst, das ist nahezu Sisyphusarbeit.

Meine Freundin hat sich aber auf den Weg gemacht und ist nun mit einem Mann zusammen, der völlig anders ist, als alle zuvor. Muster erkannt, Muster durchbrochen. Und es macht ja völlig rational betrachtet auch Sinn: das Essen im Restaurant hat nicht geschmeckt, also geht man nicht mehr hin. Ein Paar Schuh das drückt, zieht man nicht mehr an. Ist man unzufrieden mit dem Handyanbieter wechselt man…Warum gelingt dies in unglücklichen Paarbeziehungen nicht? Eben weil man in Beziehung zu einander steht oder sich im schlimmsten Fall in Abhängigkeit befindet. Also lohnt es sich doch tatsächlich mal zu gucken, was genau da eigentlich passiert. Als Systemikerin bin ich da gedanklich schnell im Familiensystem. Mit welchen Abhängigkeiten sind wir aufgewachsen? Welche Bindungs- u. Beziehungsmuster haben wir erlernt? Welche Konfliktbewältigungsstrategien wurden uns mit an die Hand gegeben? Welches Rollenbild wurde vermittelt? Die Antworten auf all diese Fragen könnten hilfreich sein beim Aufdecken der schädlichen Partnerwahlmuster. Eine Frau, die also als Kind unsicher an die Eltern gebunden wurde, die Gewalt als Diskussionsmethode erlebt hat und eine Mutter die weder sich noch die Kinder schützen konnte, wird sich vermutlich genau so einen Partner wählen. Warum? Weil sie es kennt! Es ist vertraut. Es tut nicht gut und fühlt sich auch nicht gut an, aber das Gefühl ist zumindest bekannt. Neu ist immer gefährlich. Veränderung bedeutet Kontrollverlust. Also bleibt alles wie es ist, weil lieber das Altbekannte als das neue Unbekannte.

Wenn Frau sich aber nun traut mal ins Innere zu gucken, auch auf die unschönen Dinge, dann wird schnell deutlich, was die eigenen Anteile am Nichtgelingen der Unglücksbeziehung sind und was es zum eigentlichen Glücklichsein braucht. Hat Frau dies dann für sich klargezogen, wird es sich auf alle Lebensbereiche auswirken. Soziale, partnerschaftliche und familiäre Beziehungen werden kritisch hinterfragt. Und das ist gut und wichtig. Diesen Prozess lässt Frau am besten therapeutisch begleiten, weil nur Therapeuten uns schonungslos und auch mal ungefragt mit der Nase in die Suppe stuppen, die wir uns dank unserer unaufgelösten Muster immer wieder eingebrockt haben. Das können Freunde leider nicht leisten und Therapie ist auch nichts was in eine Freundschaft oder Beziehung gehört.

Ich gebe meiner Freundin also nachträglich allumfänglich recht: erst wenn Frau mit sich im Reinen ist, weiß was sie will, weiß was sie ganz sicher nicht mehr will, wenn sie ihre eigenen sozialisationsbedingten emotionalen Defizite kennt und als zu sich gehörend annimmt, dann wird der Blick/Fokus bei der Partnerwahl ein anderer sein. Dann ist vielleicht nicht mehr wichtig wie schön, groß, erfolgreich und wohlhabend er ist, dann zählen Dinge wie Loyalität, Verlässlichkeit und das Gefühl angenommen zu werden.

Die alten Dämonen aber unbeachtet lassen, kann dauerhaft den Teufelskreis nicht durchbrechen. Denn sie kehren zurück. Immer. Selbst über Jahre unterdrückt und in Schubladen gestopft, fliegen sie uns irgendwann wieder um die Ohren. Manchmal reicht ein minimaler Außenreiz. Aber auch das ist natürlich ein Weg den Frau gehen kann. Berg u.-Talfahrten.

Meine Freundin und ich beschreiten aber lieber den anderen Weg. Den, der dauerhaften Veränderung inkl. Freundschaftsanfrage an uns selbst…;)

Der weibliche Zyklus

…ist ein Arsch. So viel sei ei(n)leitend schon mal vorweg genommen.

Man(n) stelle sich mal vor, der Monat hat ziemlich analog zum durchschnittlichen, weiblichen Zyklus 28-31 Tage. Ab Tag 13-16 dann der Eisprung. So ab Tag 28 dann PMS und im Anschluss die Periode. Klingt erstmal harmlos. Weit gefehlt. In meinem persönlichen Fall gestaltet sich der ganze Zirkus nämlich etwas komplexer. So um Tag 13 kriege ich zunächst Rücken. So im Lendenwirbelbereich. Kurz vor dem Fallschirmsprung meines Ei´s dann volles Rohr Unterleibsaua. Vergleichbar mit dem Sitzen auf senkrecht stehenden Messern. Von der emotionalen Dramatik mal ganz abgesehen. Ich unterschreibe an diesem Tag keine Verträge und treffe keine Entscheidungen von hoher Tragweite. Zu gefährlich. Außerdem habe ich angesichts des großen Selbstmitleides auch keine zeitlichen Kapazitäten für Entscheidungen. Dieser widerliche Eisprung macht seinem Namen nämlich alle Ehre. Gefühlt springt es von einem Eileiter zum nächsten und quiekt vergnügt dabei.

Die Natur hat an mir völlig vorbei geplant. Am Tag meines Eisprunges Sex zu haben wäre vergleichbar mit der Vorstellung einen Wüstenmarathon zu gewinnen. Schier unmöglich. Dabei sollte Frau ja gerade dann Sex haben um das blöde, schmerzende Ei mit einem gefühlten Durchmesser von 8 cm befruchten zu lassen. Läuft bei mir nicht.

Ist dieses Jammertal durchschritten wartet schon das nächste. So 10 Tage nach der Eiakrobatik klopft das PMS an die Tür. Und zack, von jetzt auf gleich verwandele ich mich in einen Werwolf. Ich hasse die Menschheit und alles was sie so absondert. Allen voran andere Autofahrer, Kollegen, Vorgesetzte, Klienten und Freunde. Meine Zündschnur ist nur 3 mm kurz und die Explosionen gewaltig. Ich tobe wie ein Orkan durch meinen Alltag und reiße laut fluchend alles mit mir, was nicht niet und nagelfest ist. Diese Art von schlechter Laune gewürzt mit Impulssteuerungsstörungen hat nicht umsonst eine eigene Diagnose. Wer nachschlagen möchte: ICD 10 N94.3

Ist diese Sturmflut überstanden geht es nahtlos über in die Periode. Warum heißt das eigentlich so bescheuert? Aus dem altgriechischen (woher bitte auch sonst) für: „das Herumgehen“. Ah ha. Letztlich meint es wohl die regelmäßige Wiederholung dieses Trauerspiels.

In dieser Zeit wird mein unbefruchtetes Monsterei abgestoßen und rächt sich in all seinen ihm zur Verfügung stehenden Facetten dafür. Nachtragend. Sehr nachtragend. Fast schon divenhaftes Gezicke. Dieses dauert „in der Regel“ 5-7 Tage. Bei mir und wohl meinem hormonfreien Hightech-Verhütungsmittel geschuldet, auch gern mal 10 Tage. Und man(n) muss nun wirklich nicht WiWi  (diese schicke Abkürzung habe ich neulich von einem jungen Kellner gelernt) studiert haben, um sich an einer Hand abzählen zu können, wie lange es folglich nun noch dauert bis der Eisprungwahnsinn wieder los geht. Exakt. Wenn ich Glück habe, ist mein Leben für 5 Tage schön. Insgesamt komme ich im Monat auf 12-14 tage ohne Vor- Nach-u. Währenddessenbeschwerden.

Was würde helfen? Bezahlter Urlaub auf den Malediven vielleicht. Ich werde den Vorschlag mit in die nächste Bürgermeistersprechstunde nehmen. In Zeiten da Gender so groß geschrieben wird, dass es für jedes fehlende „Innen“ eine Abmahnung gibt, sollte der weibliche Zyklus samt seiner Besonderheiten durchaus Teil dieser gern auch öffentlich geführten Diskussion sein.

Ich werde schauen, dass ich einen Termin im PMS-Zeitfenster bekomme. Kann ja nicht schaden…;)

Das blaue Schaf oder Mutti ist an allem Schuld

Meine Mama ist großartig. Ich liebe und schätze sie sehr. Jahrgang 1941 , Sudetendeutsche. Vertrieben aus der Heimat, wie unzählige Deutsche nach Kriegsende auch. Ihr Vater ist 1943 in Staraja Russa gefallen und so haben sie sich nie kennengelernt. Meine Großmutter erzählte zu Lebzeiten, sie habe sich damals mit 3 Kindern und einem Bollerwagen auf den Weg gemacht. Sie war damals 32 Jahre alt und hatte gerade erst ihren Mann verloren und auch ihre Heimat. Generationen meiner Vorfahren mütterlicherseits haben in Georgswalde und Niederehrenberg gelebt. Ich kann mir nicht im Entferntesten vorstellen, was es mit ihr und den Kindern gemacht haben muss. Angekommen sind sie dann auf einem kleinen Dorf in Mecklenburg Vorpommern und dort auch geblieben.

So großartig meine Mutter auch ist, so spürbar ist noch heute, mit 76, wie tief diese Traumata sitzen und wie sehr sich die für damalige Verhältnisse überlebenswichtigen Strategien bis heute manifestiert haben. Da sie aber heute als Schutzschild nicht mehr gebraucht werden, erscheinen sie mir oft als nervig und anstrengend. Diese Muster hat sie von ihrer Mutter übernommen und ich übernahm sie von ihr. Ob ich wollte oder nicht. Um die schreckliche Kriegs- u. Nachkriegszeit zu überleben, physisch und vor allem aber psychisch bedurfte es sicher etlicher Kniffe der Psyche um einigermaßen bei Verstand zu bleiben. Es war kaum möglich die Grundbedürfnisse nach Nahrung und einem sicheren Schlafplatz zu befriedigen. Nähe, Liebe, verlässliche Bindungen, körperliche Zuwendung und alles was ein Kind aus heutiger Sicht braucht um sich gut entwickeln zu können ist gänzlich auf der Strecke geblieben.

Dann ist meine Mutter selbst Mutter geworden. Ohne ihre Biografie je bearbeitet zu haben. Was für mich prägsam war, war ihre nicht lesbare Mimik. Ich konnte immer nur vermuten wie sich meine Mutter fühlt. Es erspüren und mich sorgen. Ablesen konnte ich es nicht. Ich denke Gefühle zu zeigen ist etwas, was sie nicht gelernt hat. Meine Großmutter hat nie gejammert. Sich nie beschwert. Augen zu und durch und so hat sie es auch gemacht. Auch meine Mutter jammert nie. Nicht mal wenn sie Grund dazu hat. Beschwerden und Aufbegehren war damals nicht zielführend. Angepasst musste man sein um zu überleben. „Was sollen denn die Leute von uns denken“, fasst was ich meine sehr treffend zusammen. Wie oft ich diesen Satz gehört habe und noch heute fällt er ab und an. Meine Mutter ist total kontrolliert und sehr zwanghaft. Ein Blick in ihren Kleiderschrank verrät dies mehr als deutlich. Verbale Entgleisungen kann ich nicht erinnern, großes Schweigen hingegen sehr. Ob die „stille Woche“ mit meinem Vater oder an mich gerichteter Liebesentzug. Ich sehe mich noch wie heute an sie geklammert in der Küche stehen, darum bettelnd, dass sie wieder lieb mit mir ist, bzw. beteuernd, dass ich wieder lieb sein will. Diese Art von Zurückweisung durch Schweigen hat mich sehr verletzt. Ich ging ihr bis zum Bauch, war also vermutlich zwischen 6-8 Jahre alt. Was ich angestellt habe weiß ich nicht mehr. Vermutlich habe ich sie enttäuscht. Wie so oft nicht nach ihrem Ermessen funktioniert. Wo sie doch gelernt hat, dass Angepasstheit, blinder Gehorsam und die Demonstration von Stärke überlebenswichtig sind. Um 1985 allerdings nicht mehr.

Jetzt stellt sich mir die Frage was meine Psyche aufgefahren hat, um dies einigermaßen unbeschadet zu überstehen. Zunächst einen gepflegten Kontrollzwang. Getreu dem Motto: Wenn ich selbst steuere gibt es keine Unvorhersehbarkeiten. Aber da im Leben nichts kontrollierbar ist, erleide ich regelmäßig Schiffbruch. Veränderungen sind nicht so meins. Aus dem Kontrollzwang resultiert ein übergroßes Sicherheitsbedürfnis. Aber was ist schon sicher? Erwartungen…meist sind sie zu hoch. An mich, an andere. Und so bin ich die meiste Zeit meines Lebens damit beschäftigt unglücklich zu sein. Es sei denn alles läuft nach Plan. Nach meinem!

Manchmal geht es mir so schlecht, dass ich mir einrede, alle Traumata meiner Vorfahren liegen tonnenschwer auf meinen Schultern. Ich bin dann leer und innerlich eiskalt. Die Elementarlieben zu Familie und meinem Sohn bleiben davon stets unberührt. Der Rest kippt. Alles und jeder wird mir zu viel. Die Probleme meiner Freunde scheinen egal, ich interessiere mich für nichts mehr und drehe mich ausschließlich um mich selbst. Was für meine Großmutter und meine Mutter hilfreich und überlebenswichtig war, macht mir mein Leben kaputt. Könnte ziemlich entspannt sein so ein Leben als Depressive. Wenn da nicht mein innerer Antrieb zur Veränderung wäre. Das treibt den Wahnsinn aber zumeist auf die Spitze. Ich bin so durchreflektiert und übertherapiert, dass das „Ich will das nicht mehr. Ich will glücklich sein“ und das „Mir ist das alles bewusst, aber ich komme nicht auf eine Handlungsebene“ sich täglich gegenseitig in ihre hässlichen Fratzen brüllen. Was ist passiert damals als ich mich um meine Mutter schlang und um Liebe und Vergebung bettelte? Ich habe gelernt, dass es besser ist Gefühle unter Verschluss zu halten. Kontrollieren. Dann tut es nicht oder wenigstens weniger weh. Was habe ich gelernt aus der stillen Woche meiner Eltern? Ich habe einen Vater erlebt der Klärung wollte und eine Mutter die schwieg und sich vermutlich innerlich vereist hat um nichts zu spüren. Danke dafür, denn offensichtlich ist das der Mechanismus in meinem Leben der mich immer wieder unglücklich macht. Der Vater meines Sohnes wollte Klärung. Immer. Selbst wenn ich bereits das Zimmer verlassen hatte. Die Männer danach wollten Klärung und Gefühle. Ella kann aber Gefühle nicht so gut und Klärung nur wenn es wirklich sein muss. Rückzug, Trennung, Neuanfang sind eher die Mittel meiner Wahl. Was sich schlecht anfühlt muss weg, schön unter dem Deckmantel der Selbstfürsorge. Was zu eng und zu nahe kommt muss weg oder zu mindestens relativiert werden. Nähe macht angreifbar, Nähe vermissen unglücklich. Es ist ein Teufelskreis.

Ich mache meiner Mutter keine Vorwürfe. Für sie waren diese Strategien wichtig und da sie ihre Vergangenheit nie aufgearbeitet hat und diese in Gesprächen auch nur wage mal aufblitzt, hatte sie nie einen Grund ihre Muster aufzugeben. Ich aber, seit Jahren immer wieder in Therapie, habe nun das große Glück aktuell eine fantastische Therapeutin zu haben, die mir meine erlernten und auch meine übernommenen Muster auf dem Silbertablett präsentiert. Ich bin schon froh, dass ich überhaupt in der Lage bin meine Muster sehen zu können. Selbstkritik zulassen zu können. Das macht es natürlich nicht einfacher, aber es gibt Erklärungsansätze, wenn die eiskalte Leere mich mal wieder überkommt. Und ich muss lernen es auszuhalten. Nicht mehr weglaufen. Das sagt sich allerdings so einfach, wenn man nicht mehr weiß ob die Gefühle eingebildet waren oder ob der Verlust dieser Gefühle eingebildet, weil eine Schutzreaktion auf irgendwas, ist.

Am Valentinstag sehe ich das blaue Schaf wieder. Es steht vor der Haustür meiner Therapeutin. Transgenerationale Traumata werden vermutlich auch dann wieder Thema sein. Ich hoffe mein düsterer Begleiter hat sich bis dahin vornehm zurückgezogen.

Hilf dir selbst, sonst hilft dir ein Sozialarbeiter!

Das Leben als Sozialarbeiterin in einer Behörde ist sehr aufreibend. Und so klischeebehaftet. Gut, einige Klischees könnten zutreffen. Hier wird z.B. viel Kaffee aber auch Müsli konsumiert. Kalorien werden gezählt und ab und an sind auch mal ein paar Socken selbstgestrickt. Auch ist man hier zumeist um eine ganzheitliche, lebensweltorientierte und gern auch systemische Sicht auf die Dinge bemüht, welche ausgiebig in Sitzkreisen diskutiert wird, damit es nicht wieder heißt, wir nehmen aus der Laune heraus heroinabhängigen Müttern die Kinder weg. Hilfe zur Selbsthilfe ist allerdings das Credo der wirtschaftlichen Jugendhilfe in der Hoffnung auf Kostenersparnis.

In dieser Berufssparte kann einem schon mal die Luft ausgehen. Es ist amüsant, unterhaltsam und zermürbend zugleich, sich mit den Problemen anderer Menschen zu beschäftigen. Einzig mein persönliches Sachgebiet der Trennungs-u. Scheidungsberatung gäbe schon unzählige Anekdoten her, welche seitenweise diesen Blog füllen könnten. Manchmal erscheint es mir, als würde ich, mit einer Grippe krankgeschrieben auf dem Sofa fläzend, RTL II schauen.

Und so ist es nicht selten, dass bereits gegen Mittag der Kopf dröhnt, ebendieser neben der Tastatur landet und man sich laut fluchend fragt, warum man sich den Mist jeden Tag auf Neue wieder antut.

Im Folgenden exemplarisch mal einen typischen Tagesablauf, aus dem sicher sehr schnell deutlich wird, was wir Sozialarbeiter täglich so leisten müssen und warum wir definitiv unterbezahlt sind:

7:40 Uhr: ankommen im Büro nach einem wirklich beschwerlichen Anfahrtsweg über die A2, bei dem ich mich täglich frage warum Fahranfänger, denen 80 km/h rasend schnell erscheinen, nicht einfach mit der Bahn fahren

7:41 Uhr: sofortiger Wechsel in das Büro des Kollegen bei dem der Kaffee in Strömen fließt. Die Jacke ist noch an: Müdigkeitsfrost!

8:15 Uhr: die ambitionierten Kollegen gehen in die allmorgendliche Frühbesprechung. Ich also nicht.

8:25 Uhr: Verabredung zum Rauchen mit ebenso wenig ambitionierten Kollegen aus anderen Arbeitsbereichen.

8:35 Uhr: Jacke aus im eigenen Büro. Anrufbeantworter einschalten.

8:45 Uhr: PC hochfahren inkl. 5 Anmeldeversuche. (lieben Gruß an die EDV: wann arbeitet ihr eigentlich mal?)

9:00 Uhr: Mails auf Anzahl und Absender checken, dann Outlook schließen.

9:15 Uhr: Kaffeenachschub organisieren. Private Mails checken, private Arzttermine vereinbaren, Steuererklärung anfangen, Rückenschule auf dem Bürostuhl und nebenbei den Kollegen beim Lügen ertappen bezüglich seiner längst überfälligen Anmeldung bei der GEZ.

10:00 Uhr: lästiger Klientenkontakt

10:05 Uhr: Zuständigkeit für diesen Klienten erfolgreich an irgendwen im Hause abgegeben

10:06 Uhr: 2. Zigarette plus Klogang

10:15 Uhr: Geburtstagsgratulationsrunde bei einem Kollegen, von dem ich nicht mal wusste, dass er hier arbeitet. Nach erfolgreichem Handschüttelmarathon den Teller mit Kuchen beladen, Kaffeetasse nachfüllen und den Rückzug in die Kompfortzone des eigenen Büros antreten.

11:00 Uhr: Verdauungszigarette

11:15 Uhr: Nachbesprechung der Geburtstagsrunde

11:45 Uhr: Klienten wegschicken wegen aktuell zu hohem Arbeitsaufkommen

12:00 Uhr: Vorbereitung auf die Mittagspause: Was essen wir? Wer besorgt es? Wer kann mir was mitbringen? Wer leiht mir Geld?

12:15 Uhr: Weiterbildung zur „Burn-out-Prophylaxe auf Sylt“ beantragen

12:30 Uhr: Mittagspause

14:00 Uhr: Verdauungszigarette und Kaffee aufsetzen.

14:15 Uhr: siehe 11:45 Uhr.

14:16 Uhr: Anrufbeantworter ist voll. Anrufbeantworter ausschalten. Telefon auf lautlos stellen.

14:30 Uhr: Kaffeerunde mit „kollegialer Fallberatung“, Kuchen und Eierlikör. Trage mein : Müsste mich interessieren- Shirt und verweise bei an mich gerichteten Fragen darauf.

15:00 Uhr: Hausbesuch absagen bzw. den Berufspraktikanten schicken.

15:05 Uhr: Verabreden zur Feierabendzigarette

15:10 Uhr: GEZ Anmeldung erneut abfragen, wieder belogen werden, Telefon auf den gesetzlosen Kollegen umstellen.

15:15 Uhr: Feierabendzigarette

15: 30 Uhr völlig erschöpft in den Feierabend starten.

So! Noch Fragen?

Samstagnacht

Es gab sie zu Hauf in meiner Vergangenheit. Die Samstagabende. Eine Zeitlang gehörten bereits der Donnerstag und der Freitag dazu. Das geht heute nicht mehr. Von einem Abend ausgehen inkl. körperlicher Ertüchtigung durch tanzen und den Flüssigkeitshaushalt im Gleichgewicht halten mit Gin Tonic, muss ich mich ca. 2 Tage erholen. Für jemanden der unter der Woche um 21:00 Uhr das Licht ausknipst ist es eine wahre Glanzleistung mal erst morgens um 2:30 Uhr ins Bett zu gehen.

Aber ich bleibe da jetzt am Ball. Habe mir erst 2016 eingestehen können, dass ich mehr als nur Mutter bin und mir das Ausgehen jahrelang gefehlt hat. Ich liebe Musik. Ich liebe laute Musik. Das Gefühl auf der Tanzfläche zu stehen und ganz eins zu sein mit den dröhnenden Bässen lässt sich am ehesten mit Synapsenfasching beschreiben. Ich bin dann ganz bei mir und die Welt steht kurz still.

Diese Selbstwahrnehmungseinheiten wollen allerdings gut geplant sein. Müssen sie. Es bedarf eines kinderfreien Wochenendes, welches terminlich gut zu den Terminen meiner Freunde passen muss. Dies ist meist die erste Hürde. Dann die Frage nach der Location. Eine Altersspanne von 25-45 will bedient werden, was theoretisch und meist auch praktisch unmöglich ist. Zu diesem Thema dann eine Woche vorher täglich 86 Nachrichten in der eigens angelegten Whats App Gruppe. Die Erstellung dieser Gruppe ist auch ein heikles Unterfangen. Wer kann grad mit wem nicht so gut? Wer muss unbedingt dabei sein? Auf wen möchte man dieses Mal vielleicht sogar verzichten? Ist nicht einfach und eine höchst verantwortungsvolle Aufgabe mit ungeahnten Auswirkungen so als Admin! Steht dann endlich fest wohin es geht,  geht es weiter mit der Frage nach der Uhrzeit. 40 Nachrichten. *Tobias hat die Gruppe verlassen* Bei wem vorher schon mal warmtrinken? 105 Nachrichten. Wer bringt was mit? 26 Nachrichten. Sind Strohhalme im Haus? 4 Nachrichten. *Ella hat Nahide hinzugefügt*Recht zuverlässig am Abend davor bereits die Frage nach der Adresse. Einer ist immer dabei der fragt. Als würde man sich zum ersten Mal treffen. Im Verlauf des Samstagvormittags in diversen Untergruppen zur Hauptgruppe Diskussionen über Fragen wie: Passen die Stiefel zum Top und kann ich bei dir übernachten? Dann so ca. 1 Stunde vor dem Treffen erste Fotos in der Gruppe von gefüllten Sektgläsern die das Vorglühen vor dem Vorglühen abbilden. Dann folgen die obligatorischen : Lasst krachen- Kommentare derer, die leider nicht mit dabei sein können. 18 Nachrichten. *Manuel und Mathias haben die Gruppe verlassen*Gefolgt von den 56 Nachrichten in denen man sich sagt wie sehr man sich aufeinander freut.

Wenn dann alle endlich da sind, weil es natürlich auch noch ca. 30 Nachrichten zum Thema verpasste Bahn und Haare liegen noch nicht gibt, fließen alkoholische Getränke in Strömen. Es wird unendlich viel und laut mit einander geredet, schließlich hat man Teile der Gruppe wochenlang nicht gesehen. Es wird gelacht und einzelne Körperteile bewegen sich schon zur Musik aus der Bluetooth Box. Es wird viel zu viel geraucht und der Caipirinha besteht nach 2 Stunden nur noch aus Limette und Pitu. Alles andere ist dann überflüssiger Schnickschnack. Selbst die Strohhalme deren Existenzabfrage 4 Nachrichten in Anspruch nahm werden weggelassen. Zwischen 23 Uhr und Mitternacht wird dann aufgebrochen und im schlimmsten Fall wurde sich auch schon erbrochen. In der Bahn hat mindestens ein Mitglied meines Freundeskreises eine PET  Flasche mit einer Mischung darin dabei. Kurz bevor die Straßenbahn das Ziel erreicht, muss jeder sich noch einen Schluck runterquälen weil es a) schade um den guten Stoff wäre und b) der Pegel gehalten werden muss. *Ella hat Tobias hinzugefügt*Kaum im Laden drin, wird erstmal ausgeströmt. Pünktlich zur ersten Thekenbestellung wird sich jedoch wieder zusammengefunden. Man brüllt einander ins Ohr, weil die Musik viel zu laut ist und geht irgendwann der Einfachheit halber dazu über, sich in einer Art Gebärdensprache zu verständigen. Dann folgt erst mal 2-3 Stunden Spaß durch Tanzvergnügen.

Wenn dann langsam irgendwann die Luft raus ist, man durchgeschwitzt ist und nach toter Katze riecht, das Make up den Namen nicht mehr verdient hat, nach und nach antialkoholische Getränke bestellt werden und die Ersten beginnen Bahnverbindungen zu googeln: dann naht das Ende. Zwischendurch 154 Nachrichten in der Gruppe. Neben peinlichen Fotos,  * Tobias hat die Gruppe verlassen*Fragen danach wo Püppi steckt, ob sich mal einer Justin Bieber oder Roland Kaiser wünschen kann und wer mit aufs Klo kommt.

Gegen 2:00 Uhr folgen erste Verabschiedungen und in den nachfolgenden Stunden 200 Nachrichten über gutes daheim angekommen sein, Danksagungen und Liebeserklärungen sowie die Topzoten des Abends immer noch verbunden mit Fotos mit nahezu nie dagewesenem Peinlichkeitsfaktor.

Wenn ich dann am Mittag des selben Tages endlich wach werde, ist nach dem dringend notwendigen Toilettenbesuch zunächst das Löschen von Fotos erste Amtshandlung. Danach mit Pandaaugen durch die Wohnung schlurfen und den Müll vom Vorabend aufräumen. Am frühen Nachmittag dann erste Gruppenaktivitäten mit lustigen Pins zum Thema: nie wieder Alkohol.  Auch mein Körper schreit neben Vergeltung nach Detox. Bekommt stattdessen aber fettiges Essen und muss danach aufs Sofa anstatt an die frische Luft.

So ungefähr läuft das bei uns. Immer. Vermutlich auch morgen wieder. Ich freu mich, auch wenn ich jetzt schon weiß, dass am Montag noch immer Restüberhang besteht und mein Kopf die längste Zeit im Büro neben der Tastatur liegen wird.

  • *Ella hat Tobias hinzugefügt* *Ella hat die Gruppe verlassen* *Tobias ist jetzt Admin*

 

In Würde altern

Ich werde dieses Jahr 40zig! Meine Panik ist kaum noch zu zähmen, dabei ist es doch nur eine Zahl. Sagt man so. Für meinen Geschmack aber eine ziemlich große. Was aber löst diese Angst aus? Zunächst denke ich, dass die Hälfte meiner Zeit auf Erden wohl vorüber ist. Auf was also blicke ich zurück? Auf eine glückliche Kindheit, die erste große Liebe, eine Ausbildung, ein Studium und eine Schwangerschaft. Eckpfeiler, einbetoniert in ein Fundament aus freudigen aber auch leidvollen Erfahrungen. Persönlichkeitsfindung, Werteentwicklung, Trauma, Drama, Komödie- alles war dabei. Soweit so gut.

Auf was blicke ich aktuell? Auf die sich todlachende Schwerkraft, auf Bindegewebe welches sich bereits im Ruhestand fühlt und keine Spannung mehr möchte, auf Altersflecken die ich niemandem mehr als Leberflecken verkaufen kann (nicht mal mir selbst), auf lappenartige Hautformationen an Oberarmen und Hals, auf graue Haare und Furchen im Gesicht gemeinhin als Falten bekannt. Weniger schön das alles. Ich weiß, es sind nur Äußerlichkeiten, aber eben im Außen und somit für jeden gut sichtbar. Hätte ich mal auf meine weise Mutter gehört, die mir mit 16 schon sagte: „Immer schön eincremen, Mädchen!“ Damit hätte ich auf den morbiden Charme des Verfalls vielleicht noch ein paar Jahre verzichten können. Wusste aber bereits mit 16 schon alles besser und sah in keinster Weise die Notwendigkeit. Retrospektiv sehe ich sie nun jeden Morgen im Spiegel. Selbst schuld.

Nun hat aber auch diese Medaille zwei Seiten. Was also ist jetzt besser als mit Mitte 20zig? Vieles! Das muss ich wohl bei all dem Äußerlichkeits-mimimi ehrlich zugeben. Meine Freunde wähle ich mit mehr bedacht. Nicht mehr selbstverständlich allein die Vergabe der Begrifflichkeit. Und auch ich möchte nicht mehr jedermanns Freund sein. Wahre Freundschaftspflege ist aufwendig. Ein Zeitfresser, wenn man es mit entsprechender Akribie betreibt. Meine wenige Zeit, die mir neben Kind und Job noch bleibt, möchte ich sinnvoll verwenden. Auch so eine Erkenntnis, die mit 20zig noch nicht mal in weiter Ferne auftauchte. Hauptsache Spaß lautete damals die Parole.

Ich blicke aber auch auf Entscheidungen. Gefühlt hundert am Tag. Früher hat meine Mutter mir die Klamotten für den nächsten Tag rausgelegt. Heute muss ich das allein entscheiden. Ich schätze ich habe diesbezüglich nicht immer die besten Entscheidungen getroffen- so mein Fotoalbum. Nur hatte es im Grunde genommen wenig Auswirkungen auf den Rest meines Lebens was für Klamotten ich zur Schule trug. Die Entscheidungen die ich heute so treffe sind meist weitreichender. Das macht mich ganz wuschig. Meine Zwangsneurose soll an dieser Stelle nicht verheimlicht werden und der damit einhergehende Kontrollwahn auch nicht. Man kann sich also leicht vorstellen wie schwer ich mir Entscheidungen mache. Abwäge. Pro und Contra Listen führe. Schlimm das. Da will ich dann wieder 20zig sein und vor mich hin leben. Aber der Zug ist abgefahren.

Heiraten, Kinder bekommen, leben, streiten, schlafen mit dem immer gleichen Menschen. So ungefähr sieht doch das deutsche „Durchschnittsleben“ aus. Man hat genug gefeiert, probiert, experimentiert und fühlt sich nun der Suche mit dem Einen, besonderen Menschen gewachsen. Wenn er kommt ist ja alles überdurchschnittlich perfekt gelaufen, doch was, wenn er nicht kommt? Oder wir ihn nicht erkennen, verpassen oder uns irren? Dann hören wir irgendwann auf zu suchen und nehmen, was uns momentan als fast perfekt, fast richtig oder ausbaufähig erscheint. In diesem Moment jedoch, stülpen wir uns gesellschaftliche Attitüden über und verkaufen es als unseren freien Willen. Mit Anfang 20 waren wir schnell beim Nächsten, wenn etwas nicht lief wie wir uns das wünschten. Doch heute laufen wir nicht mehr zum Nächsten, sondern kämpfen.

Auch bin ich bei der Wahl meiner Partner in den letzten Jahren einem Veränderungsprozess unterlegen. In der zweiten Lebenshälfte guckt man nicht mehr danach wer ein tauglicher Kandidat zur Arterhaltung wäre, denn im besten Fall hat man die Fortpflanzung bereits von der to do Liste gestrichen. Es geht vielmehr darum nun bei jemandem anzukommen. Sich daheim und geliebt zu fühlen trotz und vielleicht auch wegen der körperlichen Makel. Tempo raus und Ruhe rein. Auch wenn ich nicht immer weiß was ich will, so weiß ich doch nun ganz genau was ich nicht mehr will. Diesen Erfahrungsschatz auf den ich hierbei zurückgreife, den habe ich nicht in die Wiege gelegt bekommenen. Den habe ich mir hart erarbeitet. Pluspunkt fürs Alter.

Sex…Wow. Der wird mit zunehmendem Alter besser. In meinem Fall zumindest. Ich kenne meinen Körper und meine Bedürfnisse heute sehr viel besser als damals. Und auch Männer verstehen mit zunehmendem Alter, dass Sex mehr ist als das sagenumwobene „Rein-Raus-Spiel“. Ich hätte mit 20zig nicht geglaubt, dass mir Sex mal Spaß machen könnte. Laut lachend und kopfschüttelnd betrachte ich meine sexuelle Zeitspur und habe so zumindest rückblickend Spaß.

Aber was ist mit denen, die nicht gefeiert und experimentiert haben? Mit denen, die immer lange Vorzeige- und Bilderbuchbeziehungen hatten. Wachen die irgendwann morgens auf und finden sie hätten den wichtigsten Teil beim Erwachsenwerden ausgelassen, verpasst oder nicht gewollt? Was, wenn so ein wichtiger Abschnitt auf der Zeitspur fehlt? Das ist wie mit einem Auslandssemester. Wenn man es mit 20 nicht getan hat, tut man es mit dreißig auch nicht mehr. Jammert dann allerdings der verpassten Chance hinterher und rät Anderen, auf diese unglaubliche Erfahrung keinesfalls zu verzichten, wenn man die Möglichkeit dazu grundsätzlich hat.

Und dies ergibt nun für mich persönlich in der Summe, warum ich Angst vor dem alt werden habe. Was wird auf meiner „Lebensendabrechnung“ stehen? Verlasse ich mit Soll oder Haben das Spielfeld? Rück –oder Nachzahlung?

Und da schließt sich der Kreis, denn ob ich mit Plus oder Minus auf dem Lebenskonto die Welt verlasse, hängt einzig von meinen Investitionen ab. Leben unterm Kopfkissen ohne Chance auf Zuwachs, aber dafür schön sicher, oder Warentermingeschäfte mit maximalen Gewinnchancen aber höchstem Risiko? Wieder was zu entscheiden! Mit 18 hat man sich höchstens zwischen einem Abend im „Fritz“ oder einem Abend im „Hemingway“ entscheiden müssen.

Mussten wir oder wollten wir? Ganz klar, wir wollten! Und wir waren uns der Konsequenzen bewusst. Heute weiß doch kein Mensch mehr zu unterscheiden zwischen Dingen die er muss, soll, kann oder will. Zu sehr haben wir uns daran gewöhnt, dass Andere uns raten was das Beste sei. Ist ja auch einfacher. Verantwortung abgeben ist immer leichter. Und ganz ehrlich, auch mich dürstet es nach einem „Anlageberater“ für mein Leben. Einer, der mir Möglichkeiten, Risiken, Einsätze und Gewinne kalkuliert. Aber den gibt es leider nicht und so sollte man sich einfach mal wieder selbst einen Rat geben und sich zuhören. Vielleicht entwirrt es sich dann. Das riesen Knäul aus langsam weichender, unbeschwerter Jugendlichkeit, Verantwortungsgefühl und dem mir hart ins Gesicht knallendem Bewusstsein, im wahrsten Sinne des Knäuls, die Fäden selbst in der Hand zu haben.

Auf was ich zukünftig gucken werde? Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Wie ich gucken werde, das zumindest liegt in meiner Hand. Eine Mischung aus sorgen-u. hoffnungsvoll stünde mir gut zu Gesicht. Ich jammere meinem straffen, jugendlichen Körper hinterher und auch der Sorglosigkeit mit der ich mich durch die Jahre bewegte. Der Gewinn allerdings, mit 40zig eine Andere zu sein, besser, reflektierter, in Teilbereichen entspannter, nimmt dem Gejammere den Wind aus den Segeln.

…und so nehme ich mir vor in Würde zu altern!

 

 

Der radikale Konstruktivismus…

…oder: hätte ich mal bloß Pipi Langstrumpf gelesen. Das hätte mir eine teure Weiterbildung erspart. „Ich mach mir meine Welt wie sie mir gefällt.“ So einfach ist das also? Scheinbar nicht, denn immer wieder höre ich im Freundeskreis und auch von Klienten: Warum ist er so zu mir? Wieso tut sie das? Wie kann man so sein? Warum passiert immer mir das? Lebten wir alle nach Pipis Werten, wären Menschen die dieserlei Gefühle in uns auslösen, kein Bestandteil unseres persönlichen Mikrokosmus mehr. Denn mit solchen Menschen wäre unsere Welt ja nicht mehr wie sie uns gefällt und wem gefallen schon nie enden wollende Negativgedankenschleifen?

Ich persönlich profitiere von den Grundannahmen des radikalen Konstruktivismus seit ich sie kenne. Kurzum: jeder von uns ist geprägt durch ganz individuelle Erfahrungen (Achtung Sozialpädagogenslang) und zwar ganzheitlich. Wo wir lebten, mit wem wir aufwuchsen, welche Erziehung wir genossen und unzählige andere Faktoren haben und zu dem gemacht was wir sind. Genau das macht die Zivilisation so vielfältig, denn wären wir alle gleich, wäre das wohl ziemlich langweilig. Aber (erhobener Zeigefinger) genau diese Vielfältigkeit macht es in zwischenmenschlichen Beziehungen so schwierig. Ich sage der Pullover ist lavendelfarbend. Er sagt, der Pullover ist lila. Wer hat recht? Ich sage, mir ist wichtig dass die Wohnung schön und gemütlich ist. Er sagt, das sei ihm nicht wichtig,  denn es sei lediglich ein Ort zum schlafen. Und dies sind noch die harmlosen Beispiele. Wir haben uns im laufe der Jahre unsere eigene Wirklichkeit geschaffen. Eine Wirklichkeit so individuell, dass es keine zweite dieser Art geben kann. Manchmal und mit viel Glück prallen Wirklichkeiten aufeinander die eine große gemeinsame Schnittmenge haben. Deins, meins, unsers- das kann funktionieren. Dogmen hingegen, dass meins mehr wert ist als deins, meine Wirklichkeit richtiger, lebenswerter, schöner, erfüllender….als die deine, das kann nur in einer Katastrophe enden. Wenn es uns Allen also gelingen würde, andere Wirklichkeiten anzuerkennen, würden wir uns dann weniger fragen wieso er ist wie er ist und wie man so nur sein kann? Ich bin unsicher, glaube aber fest daran, dass es zwischenmenschliche Beziehungen entspannter machen würde. Es ist so viel zermürbender sich mit der Frage danach,  warum Jemand ist wie er ist zu plagen, als einfach anzuerkennen, dass er ist wie er ist, weil seine Wirklichkeit sich aus völlig anderen Bauteilen konstruiert hat als die meine. Das zumindest hilft mir. Meistens. Manchmal. Noch zu selten. Aber ich habe es auf dem Schirm und das ist der erste Schritt. Und (nochmal erhobener Zeigefinger) was ich noch gut kann ist umdeuten. Der Systemiker nennt es wohl Reframing. Denn die Wirklichkeiten Anderer sind nicht immer nur ein Ärgernis, abstoßend, beängstigend, verstörend, verunsichernd und zum Haare raufen. Weit gefehlt. Sie erweitern den Horizont, bereichern, sind Perspektivwechsel und im besten Fall ein neues Bauteil für das eigene Wirklichkeitskonstrukt. Da schließt sich dann auch schon der Kreis zu Pipi Langstrumpfs Sicht auf die Dinge: erweitere unerlässlich deinen eigenen Baukasten, tausche Teile mit Menschen die dir lieb sind, verschenke Bauteile, verabschiede dich von einigen und hole dir neue, weil nur dann wird Pipi am Ende doch noch recht behalten…;)